Viele Initiativen der polnischen Regierung werfen derzeit ernste Fragen auf zur Vereinbarkeit mit den europäischen Verträgen und damit mit jenen Grundwerten, die als gemeinsamer Besitzstand aller EUMitgliedstaaten zu betrachten sind: Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Unabhängigkeit der Justiz und Meinungsfreiheit sind für uns nicht verhandelbar. Die EU-Organe selbst sind insofern auch um Prüfung und Abhilfe bemüht.
Ob das allerdings zum Jubiläum des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages passt? Ich möchte anregen, noch einmal zu überdenken, was für das gemeinsame europäische Haus konstruktiv ist.
Sowohl der Antrag der Fraktion der CDU als auch der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen weisen sprichwörtlich Licht und Schatten auf. In den Be
ratungen des Ausschusses gelingt es ja möglicherweise, ein gemeinsames starkes Signal für die deutsch-polnische und insbesondere die nordrheinwestfälisch-polnische Verbundenheit in einer freiheitlichen europäischen Wertegemeinschaft zu senden. Insofern freue ich mich auf die Beratungen im Ausschuss. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und im Livestream! Sehr geehrter Herr Dahm! Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17.06.1991 gehört zu den politischen Höhepunkten in den Beziehungen zwischen Deutschland und Polen.
Der Vertrag wurde in einer Zeit des Völkerfrühlings geschlossen. Da gab es vor allen Dingen eine Entspannungs- und eine Umgestaltungspolitik des letzten Generalsekretärs der Kommunistischen Partei in der Sowjetunion, Gorbatschow, und es gab den Reformwillen der osteuropäischen Völker. Dadurch wurde dieser Vertrag ermöglicht.
Angesichts der zahlreichen internationalen Spannungen und Krisen, mit denen wir es seit Jahren zu tun haben, kann man wehmütig auf diese Zeit der Außenpolitik zurückblicken. Der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag ist nicht einfach vom Himmel gefallen. Das deutsch-polnische Verhältnis war, historisch betrachtet, über Jahrhunderte von Unterdrückung und von Feindseligkeit geprägt. Preußen hat im Rahmen der sogenannten polnischen Teilung im 18. Jahrhundert große Teile Polens annektiert.
Das Deutsche Reich hat während des Zweiten Weltkriegs eine völkermörderische Besatzungspolitik in Polen betrieben. Und aus Polen wiederum wurden in Umsetzung des Potsdamer Abkommens Millionen von Deutschen vertrieben. Die Voraussetzungen für eine deutsch-polnische Aussöhnung waren also denkbar schlecht.
Der vorliegende Antrag der CDU-Fraktion vermittelt den Eindruck, dass es vor allen Dingen die Heimatvertriebenen und die Aussiedler waren, die das Eis gebrochen haben und die deutsch-polnische Aussöhnung initiiert und vorangetrieben hätten. Diesem Eindruck muss ich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, widersprechen. Dazu darf ich aus einer Stellungnahme aus einer Sachverständigenanhö
rung des Hauptausschusses vom 03.04.2014 zu einem Antrag der CDU-Fraktion zitieren. Dort heißt es zutreffend – Zitat –:
Freilich muss man hinzufügen, dass der im CDUAntrag erwähnte Punkt der Verständigung mit dem Nachbarn im Osten nicht von Anfang an ein unumstrittener Bestandteil dieser früheren Vertriebenenpolitik gewesen ist. Denn zumindest der bis zur neuen Ostpolitik der Ära Brandt/Scheel, formal sogar bis 1991 aufrechterhaltene rhetorische und juristische Revisionismus in Bezug auf Vertreibungen und Gebietsverluste im Osten stand dieser Verständigung mit osteuropäischen Nachbarvölkern deutlich entgegen. – Zitat Ende.
Damit bin ich bei meinem zweiten Kritikpunkt. Wenn von der Versöhnung zwischen Deutschland und Polen die Rede ist, dann dürfen die Außenpolitik der Bundesregierung Brandt/Scheel und der Warschauer Vertrag von 1970 nicht unerwähnt bleiben. Mit dem Warschauer Vertrag hatte Westdeutschland die Grenzen Polens und insbesondere die OderNeiße-Grenze anerkannt und auf die Erhebung von Gebietsansprüchen gegenüber Polen verzichtet. Erst dadurch wurde eine Versöhnung zwischen Polen und Deutschland möglich. Allerdings – und das gehört zur Wahrheit dazu – haben die Heimatvertriebenen den Warschauer Vertrag heftigst bekämpft.
Mit diesen Anmerkungen sollen die Ausführungen im vorliegenden Antrag der CDU-Fraktion zum Engagement von Heimatvertriebenen und Aussiedlern nach 1991 für die Verständigung zwischen Deutschland und Polen nicht ignoriert werden. Im Gegenteil: Wir freuen uns darauf, dass wir wahrscheinlich im Rahmen einer Anhörung im federführenden Ausschuss mehr über das historische Engagement und das aktuelle Engagement der Vertriebenenverbände und der Aussiedler im Hinblick auf die deutsch-polnische Aussöhnung und Verständigung erfahren können. Von daher stimmen wir der Überweisung selbstverständlich zu.
Ein letzter Satz zum Entschließungsantrag von SPD und Grünen: Natürlich wird dieser Antrag mit überwiesen. In der vorliegenden Version könnten wir uns bei diesem Antrag nur enthalten, denn er ist tatsächlich erst jetzt eingebracht. Uns fehlt die Zeit, diesen tatsächlich mit Ihnen zu diskutieren. Ich hoffe, dass wir das im Ausschuss hinbekommen. – Vielen Dank.
tin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Beziehungen zu Polen sind und bleiben für das Land Nordrhein-Westfalen von zentraler Bedeutung. Die Verbundenheit mit Polen und insbesondere mit unserer Partnerregion Schlesien ist natürlich auch durch die gemeinsame Bergbautradition eine historisch gewachsene Partnerschaft. Sie bleibt aber auch, unabhängig von der Geschichte, aktuell für uns von Bedeutung hier in Nordrhein-Westfalen und auch im europäischen Kontext.
2016 feiern wir das 25-jährige Jubiläum des deutschpolnischen Nachbarschaftsvertrages. Das Jubiläumsjahr bietet uns die Chance, auf die erfolgreiche Zusammenarbeit und die Vernetzung zwischen Wirtschaft und Gesellschaft in den vergangenen 20 Jahren zurückzublicken und gemeinsam aber auch Ziele für die Zukunft zu formulieren.
In Nordrhein-Westfalen leben mehr als eine halbe Million Bürgerinnen und Bürger polnischer Herkunft. Polen bleibt damit, wenn man von der jüngeren Entwicklung absieht, das wichtigste Zuwanderungsland. Das jährliche Handelsvolumen zwischen NordrheinWestfalen und Polen beläuft sich inzwischen auf mehr als 16 Milliarden €.
Herr Abgeordneter Hendriks hat schon darauf hingewiesen: Rund 90 Städte- und Kreispartnerschaften, 193 Schulpartnerschaften, mehr als 180 Hochschulkooperationen unterstreichen die Bedeutung unserer Beziehungen.
Diese vielfältigen Beziehungen, die gerade in unserem Land sehr lebendig sind, zeugen von einem wachsenden Geist der Freundschaft. Er ist essenziell für die Fortentwicklung einer gemeinsamen europäischen Identität. Gerade in Krisenzeiten, denke ich, ist es wichtig, auf ein gemeinsames Fundament aufzubauen zu können, das von wechselseitigem Engagement getragen wird und in den jeweiligen Gesellschaften tief verankert ist.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat ein großes Interesse, diese freundschaftlichen Beziehungen zu Polen auch weiter zu pflegen. Auch wenn der neue Kurs der seit November 2015 mit absoluter Mehrheit regierenden nationalkonservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ zu heftigen Debatten in Polen, aber auch in Europa und mit der Europäischen Kommission geführt hat, bleibt dies richtig.
Für unsere Zusammenarbeit haben Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit höchste Bedeutung, ebenso wie das Ziel der europäischen Einheit, dem sich Deutschland und Polen im Art. 8 Abs. 1 des Vertrages über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit unmissverständlich verpflichtet haben.
Zudem werden wir die intensiven Kontakte zu unserer Partnerregion Schlesien weiter stärken. Diese Zusammenarbeit verstehen wir als wichtigen Beitrag zu
einem vereinten Europa. Angesichts der aktuellen Herausforderungen und Zerreißproben in der Europäischen Union kann die Zusammenarbeit auf regionaler Ebene durchaus ein stabilisierender Faktor für Europa insgesamt sein.
Meine Damen und Herren, im Landtag habe ich einen Bericht „25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag – Bilanz der Zusammenarbeit des Landes Nordrhein-Westfalen mit Polen“ vorgelegt. Er ist am 11. März Gegenstand der Beratungen im Ausschuss für Europa und Eine Welt gewesen. In diesem Bericht wird im Detail ausgeführt, dass die Beziehungen Nordrhein-Westfalens zu Polen aufgrund der vielfältigen lebendigen politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Verbindungen heute enger denn je sind und der deutsche-polnische Nachbarschaftsvertrag durch eine Vielzahl von Projekten und Kooperationen mit Leben gefüllt wird.
Dass dabei auch Heimatvertriebene und ihre Organisationen und Institutionen wichtige Beiträge zur Verständigung und Versöhnung beider Völker und in verschiedenen Ebenen der Zusammenarbeit geleistet haben, ist unbestritten und unbestreitbar. Aber sie sind es nicht alleine gewesen. Deshalb greift der Ansatz in dem CDU-Antrag historisch sicherlich zu kurz, um es vorsichtig zu formulieren. Auf die umfassenden historischen Zusammenhänge haben die Vorredner schon hingewiesen.
Es ist eine Tatsache, dass die Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen nur gelingen konnte, weil auch weite Teile der Gesellschaft insgesamt diesen Prozess mitgetragen und gefördert haben.
Meine Damen und Herren, der deutsche-polnische Nachbarschaftsvertrag wird durch eine Vielzahl von Projekten und Kooperationen von beteiligten Akteuren mit Leben gefüllt. Es ist vor allem die Vielfalt …
… dieser Beziehungen, die die Qualität unserer heutigen Freundschaft ausmacht. Daran gilt es auch in Zukunft anzuknüpfen.
Ich darf sagen, ich würde mir für die Landesregierung sehr wünschen, dass es in den anstehenden Ausschussberatungen gelingt, als Landtag durch einen gemeinsamen Antrag ein gemeinsames Zeichen für die Fortsetzung dieser freundschaftlichen Beziehungen zu setzen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Lersch-Mense. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache zum Tagesordnungspunkt 12.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags mit der Drucksachennummer 16/11430 an den Hauptausschuss. Dieser bekommt die Federführung. Die Mitberatung soll an den Ausschuss für Europa und Eine Welt gehen. Die abschließende Abstimmung wird dann im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen.
Der Entschließungsantrag Drucksachennummer 16/11491, eingereicht von den Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, soll ebenfalls entsprechend überwiesen werden.
Ich will nur darauf aufmerksam machen: Wir befinden uns in einem Überweisungsvorgang und nicht in einer abschließenden Abstimmung. – Bitte schön, Herr Kollege Marsching.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Anscheinend gibt es unterschiedliche Auffassungen, ob eine Überweisung nicht auch ein Abstimmungsvorgang ist.
würde die Beschlussfähigkeit dieses Landtags im Moment anzweifeln. Der Antrag, den die CDU hier gestellt hat, kann noch so nicht gewürdigt werden, aber dass so wenige Abgeordnete bei der Überweisung anwesend sind, ist schon schwierig.
Machen Sie sich einfach Ihre eigenen Gedanken dazu. Laut Geschäftsordnung müssten wir in diesem Moment die Beschlussfähigkeit des Landtags anzweifeln.