Protocol of the Session on March 16, 2016

Es ist nicht okay, einen solchen Antrag vorzulegen und dabei die Opposition zu beschimpfen, denn die Debatte um die Hochschulfreiheit hat zunächst einmal nichts mit den Arbeitsbedingungen an den Hochschulen zu tun. Im Übrigen gilt in der Bundesrepublik auch ein Wissenschaftszeitvertragsgesetz.

Wenn Sie also, Herr Bell, dem sinnvollen Anliegen „gute Beschäftigungsbedingungen an Hochschulen“ gerecht werden wollen, dann ist es eigentlich ganz einfach: Statten Sie die Hochschulen endlich finanziell vernünftig aus! Dann können die Hochschulen ihren Beschäftigten auch gute Arbeitsverträge anbieten.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Dazu hätte es auch durchaus Chancen gegeben, wenn Sie das denn gewollt hätten, beispielsweise als der Bund die 278 Millionen € über die Zahlung von BAföG-Geldern dem Land erspart hat. Aber statt dieses Geldes, das Nordrhein-Westfalen dauerhaft zur Verfügung steht, den Hochschulen zu geben, unter anderem auch für „Gute Arbeit“, haben Sie es absprachewidrig dazu benutzt, Ihre Haushaltslöcher zu stopfen.

(Dietmar Bell [SPD]: Totaler Realitätsverlust!)

Aus diesem Grund lehnen wir Ihren Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Berger. – Jetzt hätte ich mich so gerne mal selber zu einer Zwischenfrage zugelassen, Herr Kollege Abel.

(Heiterkeit)

Das war leider nicht drin. Vielen Dank, dass ich meinen Namen hier auch mal lesen darf. Das ist wirklich schön; es passiert mir ganz selten hier oben.

Schon am Pult? Frau Freimuth für die FDP-Fraktion hat das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat, wir hatten bereits im vergangenen Sommer dazu die Debatte und haben das Thema auch immer wieder mal in den letzten Jahren auf der Agenda gehabt.

Ich habe für die FDP immer ganz klar festgestellt, dass attraktive Beschäftigungsbedingungen auch im Interesse der Hochschulen, im Interesse von Forschung, Wissenschaft und Lehre sind; denn unsere Hochschulen können und dürfen es sich nicht erlauben, Nachwuchswissenschaftler zu verlieren.

Gerade habe ich mit dem Zwischenruf schon gesagt, dass der Antrag der antragstellenden Fraktionen offensichtlich schon gar nicht mehr à jour ist, weil offensichtlich alle Hochschulen – jedenfalls hat das der Kollege Bell gerade so dargestellt – inzwischen die Vereinbarung unterzeichnet haben.

Ich will auch nicht auf das Dauerthema der Piraten mit der Rückabwicklung der rechtlichen Verselbstständigung der Hochschulen eingehen. Dazu habe ich, glaube ich, Hinreichendes gesagt. Die Autonomie der Hochschulen und die Verselbstständigung der Hochschulen hat sich bewährt und hat Gutes für Wissenschaft, Forschung und Lehre hervorgebracht. Unsere Hochschulen sind sehr verantwortungsvoll mit dieser Autonomie und Freiheit umgegangen.

Aber ich finde es immer wieder bemerkenswert, dass hier doch ein Zerrbild gezeichnet wird, wenn Hochschulen als Ausbeuter skizziert werden, wenn mit den kurzen Arbeitsverträgen und dem Vorwurf, hier würde Hire and Fire gefrönt, argumentiert wird und gesagt wird, dass deswegen strenger reguliert werden müsste. Das ist immer dieses Zerrbild. Das entspricht nun auch nicht den Tatsachen.

Wenn wir uns damit auseinandersetzen, warum Hochschulen letztlich Beschäftigung befristet haben, dann doch nicht, weil sie ihre exzellenten Nachwuchsforscher nach Belieben austauschen oder verheizen wollen; es liegt wesentlich an der Finanzierungsstruktur der Hochschulen, weil unter Rot-Grün die Grundmittel nicht mit den Studierendenzahlen mitgewachsen sind. Die Grundmittel pro Studierendem sind in den vergangenen Jahren gesunken. Da liegt doch der Hase im Pfeffer.

Nun müssen die Hochschulen vermehrt aus befristeten Mitteln finanzieren, für die es auch keine langfristigen Planungen gibt. Drittmittel sind ein Beispiel, für die es keine Anschlussgarantie gibt. Auch die Hochschulpaktmittel sind befristet. Ganz aktuell hat die rot-grüne Landesregierung auch noch hinter die Exzellenz-Unis ein sehr großes Fragezeichen gesetzt.

Es kann doch dann nicht verwundern, dass vor diesem Hintergrund die Hochschulen mit den Mitteln aus der Exzellenzinitiative auch nur befristete Stellen schaffen können.

Meine Damen und Herren, in keiner Weise gehen Sie im Übrigen in Ihrem Antrag – das hätte ich mir gewünscht – auf die rechtlichen Bedenken gegenüber dem Kodex ein, die im Rechtsgutachten der Landesrektorenkonferenz auch aufgezeigt werden, unter anderem zum Beispiel, ob die Landesregierung hier eine Regelung vornehmen darf, da der Bund mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz

(Nadja Lüders [SPD]: Das haben alle unter- schrieben!)

bereits Regelungen getroffen hat.

Dem Vorwurf, in die Tarifautonomie einzugreifen, widersprechen Sie kompliziert, weil Sie nicht in die Vertragsgestaltung, sondern nur in die Motivbildung des Arbeitgebers eingreifen. Dann frage ich Sie aber, warum dann die Personalräte den Kodex auch noch unterzeichnen müssen. Ihr Kodex bringt damit die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung völlig durcheinander.

Am meisten steht jedoch infrage, wie freiwillig und verlässlich diese Vereinbarungen sind. Sie können den Kodex ja für allgemeinverbindlich erklären, wenn nur die Hälfte der Hochschulen diese Verabredung unterzeichnet hat.

(Nadja Lüders [SPD]: Die haben alle unter- schrieben!)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Bell?

Nein, das tue ich nicht.

Tun Sie nicht, gut.

Damit bleibt den Hochschulen letztlich nichts anderes übrig, als die Vereinbarung zu unterzeichnen. Ansonsten hat man doch ganz schnell den Ruf des Querulanten.

Meine Damen und Herren, wir wollen beste Forschungs- und Lehrbedingungen an den nordrheinwestfälischen Hochschulen. Das ist doch gar nicht die Frage. Dazu gehört natürlich auch eine verlässliche Karriereplanung. Da liegen wir in Deutschland im Übrigen im Vergleich zu vielen anderen Ländern, die für uns auch beispielgebend sein können, zurück.

In den USA ist Tenure Track bereits viel verbreiteter, und damit ist auch die Karriereplanung deutlich verlässlicher.

Darüber würde ich gerne inhaltlich in den Diskurs eintreten. Vielleicht schaffen wir das irgendwann einmal im Wissenschaftsausschuss; denn verlässliche und planbare Karrieren in der Wissenschaftslaufbahn sind für gute Wissenschaft und Lehre eine zwingende Voraussetzung. Sie greifen nicht die Ursachen für die unzureichenden Bedingungen auf, sondern drohen und pressen die Hochschulen in ein Korsett, das letztlich nicht passen kann und wird. Deswegen können wir Ihrem Antrag auch nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Frau Freimuth. – Herr Dr. Paul für die Piratenfraktion. Bitte schön.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte hochschulbesorgte Damen und Herren! Dieser Antrag ist ein Selbstlob, das seinesgleichen sucht. Daher muss ich leider den Partycrasher spielen und ein bisschen Waser in den Wein gießen. Denn das, was hier abgefeiert werden soll, ist nach unserer Auffassung kein Erfolg für die Beschäftigten an den nordrhein-westfälischen Hochschulen

Dieser sogenannte Rahmenkodex „Gute Arbeit“ ist ein hochschulpolitisches Leerrohr. Wir finden Leerrohre eigentlich gut – aber nur, wenn darin Glasfaser liegt. Dieser Kodex entspricht aber eher einem 56kModem.

Die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes hier zu feiern, ist grotesk. Sie haben nur minimale Verbesserungen – das will ich gar nicht leugnen – erreichen können und feiern diese, als ob gerade das Rad neu erfunden wäre. Dem ist mitnichten so. Wir befürchten, dass es leider auch weiterhin prekäre Beschäftigung an Hochschulen in NordrheinWestfalen geben wird. Stellen werden weiterhin sachgrundlos befristet bleiben; denn die Hochschulen haben immer noch die Hoheit über das Personal.

An dieser Stelle, Frau Freimuth, kann ich mit dem Mythos aufräumen, dass wir für eine Rücknahme der selbstständigen Hochschule sind. Wissenschaftsautonomie scheint sich für Sie in Personalverantwortung zu erschöpfen. Wir haben immer gesagt, dass wir damit etwas ganz anderes meinen. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen.

Darüber hinaus – auch das hat Herr Bell gesagt – möchte die Landespersonalrätekonferenz der wissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Landes NRW die Beschäftigten zurück im Landesdienst wissen, ebenso die GEW und Frau Kühn vom DGB. Na ja, der DGB ist ein Dachverband; da wird auch viel ausgehandelt. Die Leute im Bundesrat sind

Ihre eigenen Leute; die müssen das ja auch toll finden.

Die Mutlosigkeit, dem New Public Management wirklich etwas konstruktiv-innovativ Neues entgegenzusetzen, drückt sich eben in diesen Befristungen aus. Das ist nach unserer Auffassung höchst innovationshemmend und auch wissenschaftspolitisch unverantwortlich.

Wir bleiben dabei: Erstens. Die Verankerung des „Rahmenkodex für gute Beschäftigungsbedingungen“, wie er im Rahmen des Hochschulzukunftsgesetzes festgelegt wurde, ist keine wirkliche Verpflichtung zur Verbesserung der Beschäftigungsverhältnisse.

Zweitens. Durch den „Rahmenkodex für gute Beschäftigungsbedingungen“ wurde kein NRW-Standortvorteil für die Beschäftigten geschaffen, da es sich lediglich um eine Absichtserklärung handelt, die arbeitsrechtlich nicht durchsetzbar ist.

Drittens. Die Entscheidung im neuen Hochschulzukunftsgesetz, das Personal nicht in den Landesdienst zurückzuversetzen – ich sagte es schon –, war falsch und stellt im Sinne des Grundsatzes der Verbesserung von Beschäftigungsbedingungen wirklich keine Weiterentwicklung dar.

Es ist also kein Grund zum Feiern, sondern eigentlich beschämend für den Wissenschaftsstandort NRW. Denn gute Beschäftigung an Hochschulen hat auch etwas mit Sicherheit zu tun, nämlich der Sicherheit, dass man sich im Sinne einer wirklichen Wissenschaftsautonomie völlig auf Forschung und Lehre konzentrieren kann, anstatt permanent durch Existenzängste und Existenzkampf und die Notwendigkeit, in Jahresfristen immer wieder neu zu planen, von seinen innovativen Aufgaben abgelenkt zu werden. Das ist innovationsfeindlich, und wir lehnen diese Augenwischerei ab.

(Beifall von den PIRATEN)

Unser Entschließungsantrag – ich weiß, Sie werden dem jetzt nicht zustimmen –

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Ja, das stimmt!)

soll nur ein kleines Zeichen setzen und Ihnen zumindest formal die Gelegenheit haben, hier noch umzusteuern. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Schulze das Wort.