Protocol of the Session on March 2, 2016

(Beifall von der FDP)

Wir wollen, dass in Nordrhein-Westfalen wieder mehr investiert wird, dass Ausbildung, Qualifizierung und Wohlstand durch industrielle Arbeitsplätze eine Perspektive haben, dass die Substanz unseres wirtschaftlichen Rückgrats erhalten bleibt und die Menschen sich neue Zukunftschancen erarbeiten können. Dafür benötigen wir eine wirtschaftspolitische Kehrtwende.

Meine Damen und Herren, wir haben zwei Maßnahmenbündel vorgeschlagen, mit deren Hilfe das gelingen kann. Durch gezielte Entlastungen und mehr Freiheit für Bürger und Wirtschaft auf der einen Seite sowie gezielte Zukunftsinvestitionen auf der anderen Seite können wir nachhaltige Wirtschaftsimpulse auslösen. Diese schaffen Wertschöpfung, den Wohlstand und die Arbeitsplätze von morgen. Genau das braucht unser Land. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. Sie haben sogar noch Zeit eingespart. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Sundermann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viel Überraschendes haben wir bis jetzt nicht gehört. Das einzig Neue war die am Anfang der Rede von Herrn Dr. Bergmann geheuchelte Empathie für Menschen, die von Armut betroffen sind. Ansonsten gab es hier nichts Neues.

(Zuruf von der CDU: Unverschämtheit! – Zuruf von Michael Hübner [SPD] – Weitere Zurufe)

Lassen Sie uns zum Thema kommen. Wir sprechen hier über die Wirtschaftspolitik von Nordrhein-Westfalen. Da Sie das Land noch nicht so ganz verstanden haben, möchte ich Ihnen am Anfang einmal ein paar Dinge erzählen. In unserem Land wohnen 18 Millionen Einwohner. Wir haben eine sehr heterogene Landschaft mit boomenden Regionen und mit anderen Regionen, die sich noch im Strukturwandel befinden. Die Lösungen sind nicht so einfach, wie Sie sie hier präsentiert haben. Das müssen wir uns einmal anschauen.

Sie sagen, wir brauchen eine wirtschaftspolitische Wende. Lassen Sie uns doch relativ einfach anfangen und uns die Frage stellen, wie Wirtschaftspolitik überhaupt aussehen muss. Wirtschaftspolitik muss verlässliche Rahmenbedingungen schaffen. Sie muss Chancen, Stärken und Risiken erkennen und so für Innovation und Fortschritt sorgen. Sie schafft nachhaltige Netzwerke. So schafft sie letztendlich Vertrauen bei den wirtschaftspolitischen Akteuren.

Jetzt werden wir einmal versuchen, zusammen herauszuarbeiten, ob wir das in Nordrhein-Westfalen auch so hinbekommen.

Das Erste sind die verlässlichen Rahmenbedingungen. Da kann man sicherlich deutlich sagen, dass die Landesregierung in den letzten Jahren einiges getan hat.

(Dietmar Brockes [FDP]: Nein, das Gegenteil!)

An dieser Stelle nenne ich den Berliner Energiekompromiss vom 1. Juli 2015, der ohne Nordrhein-Westfalen so nicht zustande gekommen wäre. Wir haben die Clearingstelle Mittelstand geschaffen. Das haben Sie nicht hinbekommen. Wir haben die Antragsverfahren zu EFRE-Programmen deutlich verschlankt.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Lassen Sie mich über diese Beispiele hinaus auf zwei weitere Punkte zu sprechen kommen, bei denen wir verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen haben. Das eine ist der Landesentwicklungsplan, das andere ist die Leitentscheidung. Mit beiden Punkten werden wir in Zukunft sichere Rahmenbedingungen schaffen, damit die Wirtschaft in diesem Land vernünftig arbeiten kann.

Zum Landesentwicklungsplan möchte ich ausführen: Auch hier machen wir etwas, was Sie nicht hinbekommen haben. Zu Ihrer schwarz-gelben Regierungszeit haben Sie den Landesentwicklungsplan in der Schublade gelassen. Wir haben ihn aus der Schublade herausgeholt. Wir machen ein offenes Verfahren und schaffen so die entsprechenden Rahmenbedingungen. Das haben wir gemacht und nicht Sie. Wir machen die Dinge, die Sie nicht hinbekommen haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Entscheidend zu erwähnen bei der Leitentscheidung und dem Landesentwicklungsplan ist, dass die beiden Prozesse mit einer umfangreichen Beteiligung der Betroffenen stattfinden. Das kritisieren Sie gern in Ihren Anträgen und in Ihren Redebeiträgen; Sie sagen, es dauere immer so extrem lang. Wir sind der Meinung: Nur eine breite Beteiligung schafft Akzeptanz und so auch eine Verlässlichkeit der Beschlüsse. Wie gesagt: Verlässlichkeit ist hier ganz entscheidend.

Herr Kollege Sundermann, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Brockes würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Herr Kollege Sundermann, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Immer gern.

Sie rühmen sich für Ihren Landesentwicklungsplan. Ich möchte Sie deshalb fragen: Kennen Sie die 17-seitige Stellungnahme der

Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammern in Nordrhein-Westfalen zu Ihrem aktuellen Entwurf des Landesentwicklungsplans? Darin üben diese auf 17 Seiten massive Kritik am jetzt vorliegenden Plan und machen deutlich, dass Sie hiermit wirtschaftliche Entwicklung verhindern, anstatt sie zu fördern.

Vielen Dank, Herr Brockes, für diese Frage, die relativ deutlich zeigt, dass Sie die Beteiligungsprozesse nicht richtig verstanden haben.

(Lachen von Dietmar Brockes [FDP])

Es gibt einmal die IHK. So ein breit angelegter Beteiligungsprozess, der einen ganzen Landesentwicklungsplan abbildet, muss natürlich auch vermitteln. Selbstverständlich habe ich das gelesen. Wir werden weiterhin die entsprechenden Gespräche führen. Sie sehen auch, dass zwischen dem ersten und dem zweiten Plan schon viele Dinge aufgenommen worden sind. „Beteiligungsprozesse“ heißt im Prinzip, viele Dinge zusammenzuführen, Herr Brockes. Das ist doch eindeutig.

Lassen Sie uns über die Chancen und Stärken von Nordrhein-Westfalen reden. Was haben wir denn?

Wir haben in Nordrhein-Westfalen komplette Wertschöpfungsketten. Auf der einen Seite haben wir innovative Familienunternehmen, und wir haben starke industrielle Kerne. Auf der anderen Seite haben wir 72 Universitäten und Fachhochschulen. Das ist die größte Hochschuldichte in der gesamten Bundesrepublik. Wir haben mit Abstand die meisten Studenten. Diese Chancen und Netzwerke zusammenzuführen – auf der einen Seite die Familienunternehmen mit den Wertschöpfungsketten und auf der anderen Seite die Fachhochschulen und den Forschungsstandort –, ist eine der zentralen Aufgaben.

Lassen Sie mich an zwei Beispielen verdeutlichen, dass wir hier wunderbar vorankommen. Zum einen ist es uns gelungen, eines von bundesweit fünf Kompetenzzentren zum Mittelstand 4.0 nach NordrheinWestfalen zu holen. Dies haben wir heterogen über das ganze Land hinweg aufgestellt: in Aachen, Dortmund, Mülheim und in Ostwestfalen. Das ist nicht zufällig passiert, sondern das setzt auf die Dinge auf, die wir schon im Vorfeld getan haben.

Zum anderen: Um die Vernetzung zu leben und zu realisieren, wurde Herr Prof. Dr. Kollmann als Beauftragter für die Digitale Wirtschaft nominiert. Seine Schwerpunkte sind die digitale Transformation, die Förderung von Start-ups und die Zusammenführung von Industrie und Mittelstand. Das heißt, wir haben die Chance, die Forschung mit vorhandener Industrie in Nordrhein-Westfalen zusammenzuführen, wahrgenommen. Die Wertschöpfungsketten können weiter geschlossen werden, und die mittelständischen

Familienunternehmen können weiter in NordrheinWestfalen investieren.

Lassen Sie mich zum Schluss zum Thema „Vertrauen“ kommen. Man kann fragen: Wer vertraut Nordrhein-Westfalen? Die ausländischen Investoren scheinen das zu tun.

Die Redezeit.

Wir haben die höchsten Direktinvestitionen aller Bundesländer. Im Jahr 2015 hatten wir mit 173 Investitionsprojekten den höchsten Wert der letzten zehn Jahre.

Man kann zusammenfassend sagen: Ausländische Investoren vertrauen der nordrhein-westfälischen Wirtschaftspolitik, die Opposition vertraut ihr nicht. Das eine ist großartig, das andere egal. – In diesem Sinne: Glück auf!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Sundermann. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Priggen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen! Wenn man am Dienstag vor einer Plenarwoche in der Fraktionssitzung ist, ist man immer ganz gespannt: Welche Anträge haben die anderen Fraktionen eingereicht? Das ist sehr interessant, weil man natürlich wissen will, was in dem eigenen Bereich passiert.

Als ich den CDU-Antrag letzte Woche Dienstag das erste Mal gelesen habe – sechs Seiten, Wirtschaftspolitik –, habe ich anschließend gedacht: Kraut und Rüben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dann habe ich ihn einen Tag an die Seite gelegt, noch einmal geschaut und gedacht: Was soll das sein? Ich habe mir einmal den Spaß erlaubt und „Kraut und Rüben“ gegoogelt. Man bekommt 416.000 Ergebnisse. Ich habe dann gelernt, dass die Redewendung aus dem 17. Jahrhundert stammt und seinen Ursprung im gemeinsamen Anbau von Kohlkraut und Kohlrüben hat. Das ist, um es auf den Punkt zu bringen, der größte Erkenntniswert, den ich aus Ihrem Antrag bisher gezogen habe.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Hei- terkeit und Beifall von Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

Der Beitrag, den Herr Dr. Bergmann eben dazu geleistet hat, macht doch deutlich, dass der CDU jeder Ansatz von ernsthafter Analyse über strukturelle

Probleme und Schwächen im Bereich der NRWWirtschaft fehlt.

(Lachen von Josef Hovenjürgen [CDU])

Er hat gesagt, seit 1991 gebe es die Probleme. Dazu hätte die Frage gehört, wenn man überhaupt nach vorn gehen will: Woher kommt das denn? Man kann doch gar nicht leugnen, dass wir in Nordrhein-Westfalen seit Jahrzehnten gewisse strukturelle Probleme haben; Kollege Sundermann hat die Regionen im Strukturwandel angesprochen. Das hat damit zu tun, dass zwei Millionen Vollarbeitsplätze in NordrheinWestfalen in den letzten 50 Jahren aufgrund des Strukturwandels weggefallen sind: über 600.000 Bergleute, mit Mantelbeschäftigung 1,3 Millionen.

Wer ein bisschen zurückschaut, der kann feststellen, welche Standorte die Stahlindustrie in NordrheinWestfalen hatte. Ich habe selber als Ingenieur in Dortmund bei Hoesch gearbeitet, auf Kaiserstuhl und auf Zollverein, als das alles noch in Betrieb war. Wer weiß, wie viele Hunderttausend Arbeitsplätze weggefallen sind, der weiß auch, dass es Jahrzehnte dauert, bis man den Strukturwandel hinbekommt.

Ähnlich ist es im Aachener Revier. Wenn man also nach vorne gehen will, muss man analysieren, woran es liegt und darum kämpfen, dass das aufgeholt wird. Das ist in NRW ohne soziale Verwerfungen gelungen.

Aber dann muss man nach vorne schauen, was die Kernbereiche sind. Herr Dr. Bergmann, ich habe, ehrlich gesagt, den Eindruck: Die Energiepolitik – in Nordrhein-Westfalen immer ein ganz entscheidendes Feld – fehlt bei der CDU völlig. Der letzte energiepolitisch strukturierte Beitrag, den Sie geleistet haben, war fast vor zehn Jahren, nämlich 2007 der Ausstieg aus der Steinkohlefinanzierung. Das war das letzte Mal, wo Sie strukturell überlegt und mitgemacht haben. Seit zehn Jahren gibt es bei Ihnen in dem Bereich eine strukturelle Schwäche.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)