Protocol of the Session on March 2, 2016

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Dann las- sen wir doch alles, wie es ist!)

Ja, Herr Kollege, das können wir vielleicht weitergehend im Ausschuss einmal klären.

Worüber debattieren wir hier eigentlich? Wir debattieren über eine Forderung von Rot-Grün nach einem Gutachten. Deswegen frage ich mich: Was sollen wir eigentlich noch im Ausschuss diskutieren, wenn am Ende sowieso ein Gutachten in Auftrag gegeben werden soll?

Dann stellt man sich notwendigerweise auch inhaltlich die Frage: Was soll eine Beratung im Ausschuss eigentlich bringen? Wir werden nicht daran vorbeikommen, uns mit dem Bürokratiemonster „Beihilfe“ vor dem Hintergrund des Merkblatts „Beihilfe für Nordrhein-Westfalen“ auseinanderzusetzen.

Merkblatt „Beihilfe für Nordrhein-Westfalen“? Wohl eher ein Merkbuch. Dieses ist im Internet abrufbar, und auf 18 Seiten werden den Beihilfeantragstellern Anleitungen gegeben,

(Michael Hübner [SPD]: 18 Seiten sind für Sie schon ein Buch? Meine Güte!)

wie sie die Erstattung der Kosten ihrer Heilbeantragung beantragen sollen und müssen. Vor allen Dingen sollen sie dies auf Totholz tun. Also, was bei der Steuererklärung heute schon online möglich ist, geht bei Beihilfeverfahren offenbar nicht. Da steht zum Beispiel drin:

„Zu jedem Rechnungsbeleg ist die Kostenerstattung Ihrer Krankenversicherung bzw. gesetzlichen Krankenkasse oder Ersatzkasse nachzuweisen.“

Das heißt mit anderen Worten: Das, was der Antrag in seiner Begründung hier unterstellt, dass hier gleichzeitig eingereicht werden soll und muss, um das Verfahren zu beschleunigen, hängt ganz maßgeblich doch davon ab, welche Erstattungsbeiträge der Beihilfeberechtigte von der privaten Versicherung erhält. Die Verfahrensdauer ist also nicht eine

Frage der Gleichzeitigkeit der Einreichung, sondern des notwendigen Abwartens auf die Abrechnung der privaten Krankenversicherung, um danach das eigentliche Berechnungs- und Antragsverfahren in der Abwicklung im LBV in Gang zu setzen. Das dauert laut der mir persönlich vorliegenden Erkenntnisse und Berichte von Beamtinnen und Beamten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes Monate.

Es wird viel über Vorfinanzierungsfragen geredet; Frau Kollegin Lux hat anhand eines bedauerlichen Beispiels auf die Auswirkungen der Vorfinanzierung für die Betroffenen hingewiesen.

Allerdings muss man sagen, dass bei den Leistungserbringern – und das dürfen wir an der Stelle nicht unerwähnt lassen – Beihilfeberechtigte sehr gern gesehene Patientinnen und Patienten sind. Was die Abrechnungssituation angeht, sind sie dies allerdings eher nicht. Denn die Leistungserbringer müssen in der Regel Monate auf die Gelder warten, weil die Beihilfeberechtigten teilweise gar nicht in der Lage sind, diese finanziellen Mittel, die aufgebracht werden müssen, mal eben so aus der Portokasse zu bezahlen. Schließlich geht es hier nicht um 50, 100 oder 200 €, sondern – das hat das Beispiel von Frau Kollegin Lux gezeigt – um Zigtausende Euro, die aufgrund der Bearbeitungsdauer des LBV nicht rechtzeitig gezahlt werden und manche Leistungserbringer an den Rand der Insolvenz bringen.

Der entscheidende Punkt ist also: Bürokratieabbau ist vonseiten der Landesregierung im Bereich des LBV zu leisten. Das geht sicherlich mit einer Änderung des Merkblatts und des Antragsverfahrens los. Da sollten Sie ansetzen; dafür brauchen wir kein Gutachten. Das könnte einfach von der Landesregierung erbracht werden. Und wenn Rot-Grün gerne daran mitwirken möchte, dieses Bürokratiemonster „Beihilfe“ zusammen mit dem Merkblatt abzubauen oder zu ändern, dann mag das getan werden.

Die IT-Initiativen aufseiten des LBV haben immerhin 2013 – wir erinnern uns an diese unsägliche Situation, als Studentinnen und Studenten auf ihr Geld warten mussten – ein bisschen gefruchtet. Da ist für ein paar Hunderttausend Euro die EDV aufgerüstet worden. Das sollte auch im Bereich der Beihilfe, wo es wirklich um Bedürfnisse von Menschen geht, also Krankheuten zu heilen oder Pflege zu unterstützen, locker möglich sein. Insofern sollte es auch möglich sein, mit einem Nachtragshaushalt etwas Geld einzubringen, um dieses dann in bürokratieabbauende Maßnahmen gerade im Bereich der Beihilfe zu stecken.

Die Redezeit.

Sie können sich sicher sein: Da wären wir Piraten an der Seite der Landesregierung, um an der Stärkung und Förderung der Möglichkeiten der Gesundheitsvorsorge über den Bereich Beihilfe hinaus – möglicherweise auch in den Bereich der PKV oder GKV hinein – mitzuwirken.

Die Redezeit.

Ich freue mich durchaus auf die Beratung im Ausschuss, wenngleich ich diese vor dem Hintergrund dieses Antrags für überflüssig halte. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Erstes kann ich Ihnen beruhigend sagen, dass ich das, was die beiden Regierungsfraktionen hier beantragen, nicht als ein Misstrauensvotum empfinde. Ich empfände es auch als ein etwas seltsames Verständnis, wenn man jede Überlegung aus dem Kreis des Parlaments, etwas, das in der Landesverwaltung den Umständen entsprechend gut läuft, zu verbessern, als Misstrauen gegenüber dem zuständigen Minister ansehen würde. Es geht schlichtweg darum, sich anzugucken, was sich in den nächsten Jahren ändert und welche technischen Möglichkeiten es gibt. Da kann eine Menge gemacht werden.

Ich würde nur gern an den Anfang setzen, dass auch schon eine Menge gemacht worden ist. Als diese Landesregierung 2010 die Regierungsgeschäfte übernahm, war das Landesamt für Besoldung und Versorgung ein ganzes Stück weit ausgetrocknet, weil es überlastet war und zu den Bereichen gehörte, bei denen man glaubte, man kann damit prahlen, wenn man Personal abbaut. Es ist insgesamt nicht ausreichend ausgestattet gewesen.

Das Landesamt für Besoldung und Versorgung war zudem in einem extremen Prozess des Wandels, weil man schon sehr früh sehr weit war. Das war in Nordrhein-Westfalen schon häufiger der Fall. Andere haben sich dann mit standardisierten IT-Lösungen abgekoppelt und diese weiterentwickelt. Irgendwann war der Spagat so groß, dass man von dem alten, in Nordrhein-Westfalen noch gepflegten System auf ein neues System umsteigen musste. Je später es erfolgte, umso teurer, umso mehr mit Friktionen verbunden und umso schwieriger war es.

Herr Minister, Entschuldigung, dass ich in Ihre Atempause hineinspreche. Aber Herr Lohn würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Ich würde das gerne noch zu Ende bringen. Dann können wir uns gern über das austauschen, was Sie nach meiner Vermutung sagen möchten, Herr Lohn.

In der Zwischenzeit sind viele Dinge gemacht worden, technischerseits im Übrigen auch schon vor 2010. Wir haben heute ein System mit einer Scanstelle in Detmold, die eine Menge Arbeitserleichterung bringt. Es wird darüber gesprochen, wie man bestimmte Risikomanagementfragen löst, wie das bei Steuererklärungen auch der Fall ist.

Herr Lohn, Sie haben angesprochen, wo möglicherweise auch ein Missbrauch von Beihilfe vorliegt. Ich habe zufällig heute noch in einer Zeitung darüber gelesen, dass nicht auf Landesebene, sondern auf städtischer Ebene in hohem Maße unberechtigte Beihilfeerstattungen erfolgt sind. Das gibt es allerdings als Versicherungsbetrug bei Krankenversicherungen auch. Das ist keine Eigenart einer öffentlichen Einrichtung. Aber das zeigt ganz klar: Das System ist weiterentwicklungsfähig. Es ist kompliziert. Es macht durch das Nebeneinander von ergänzender Versicherung und Beihilfe eine Menge Aufwand.

Man muss auch in Vorlage gehen, obwohl ich dazu sagen kann: Im Durchschnitt erfolgen die Zahlungen des LBV für die Beihilfe sehr zeitnah. Aber wer hohe Krankheitskosten hat und eine Zwischenfinanzierung vornehmen muss, weiß, dass das kompliziert und auch verbesserungsfähig ist.

Deswegen bin ich gern bereit, auch die aufgeworfenen einzelnen Fragen für die Ausschussberatung aufzuarbeiten. Ich glaube, es kann fruchtbar sein und ist nicht überflüssig, Herr Schulz, wenn man sich weiterhin mit diesem Thema beschäftigt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben das in der Vergangenheit gemacht, und die hier angesprochenen Punkte werden wir auch weiterhin so beraten.

Jetzt bin ich gern bereit, auch noch eine Frage von Herrn Lohn entgegenzunehmen und sie nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten.

Das ist wunderbar. Das machen wir. Darf ich Sie gleichzeitig darüber informieren, dass es auch den Wunsch auf eine Kurzintervention gegeben hat? Sie wird dann im Anschluss durchgeführt. – Herr Kollege Lohn, bitte.

Vielen Dank, Herr Minister, für die Gelegenheit zur Zwischenfrage. Um einer Legendenbildung von vornherein vorzubeugen: Sie haben gesagt, Sie hätten das Landesamt für Besoldung 2010 von der Vorgängerregierung in einem ausgetrockneten Zustand übernommen. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass im Jahr 2010, also mit einem Haushalt von CDU und FDP, 847 Personalstellen beim Landesamt waren, und es im Jahr 2011, dem ersten Haushaltsjahr, das Sie zu verantworten hatten, nur noch 834 Stellen hatte? Von einer Austrocknung kann, wenn überhaupt, nur im Zusammenhang mit dem die Rede sein, was Sie gemacht haben.

Und sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Einführung erster, wenn auch noch unzureichender Schritte der Digitalisierung damals von der Vorgängerregierung eingeleitet wurde? Das war die sogenannte Scanstelle. Jetzt tun Sie so, als hätten Sie einen desolaten Laden übernommen. Es gab mit Sicherheit Mängel; das ist richtig. Aber nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass Ihre ersten Aussagen, die Sie gerade gemacht haben, schon voll daneben waren.

In Bezug auf die Scanstelle kann meine Aussage gar nicht daneben gewesen sein, weil das die Aussage war, die Sie gerade wiederholt haben. Ich habe gesagt, dass es auch vor 2010 technische Verbesserungen gegeben hat und diese durchaus weiter technisch verbesserbar sind. Das haben Sie gerade auch noch einmal gesagt. Darüber sind wir uns völlig einig.

Was den Aufwuchs bzw. den Abbau von Stellen angeht und die Frage, in welchen Wellen das erfolgt ist, bin ich gern bereit, die Daten für die Ausschussberatung aufzuarbeiten. Dann werden wir uns das ansehen. Ich nehme zur Kenntnis, was Sie jetzt gesagt haben.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wir über einen riesigen Komplex reden. Wir reden über das größte Lohnbüro in Deutschland. Wir reden über 1,1 Millionen Fälle. Dass es dabei Punkte gibt, die zu verbessern und weiterzuentwickeln sind – auch dort, wo möglicherweise Technik am besten eingesetzt werden kann –, darüber sollten wir nicht streiten, sondern wir sollten schauen, wie wir es besser machen.

Das gilt für die Zeit, in der Sie Regierungsverantwortung getragen haben. Das gilt auch für die Zeit danach. Ich stelle mich nicht hierhin und sage: Das ist ein perfektes Modell. – Insofern begrüße ich es auch, dass aus der Landtagsmitte heraus Anstöße dazu kommen, wie wir das ganze System weiterentwickeln. Aber es fällt nicht in eine Zeit, in der etwa seitens der Landesregierung nicht auch intern darüber nachgedacht und nicht gehandelt würde. – Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. Bleiben Sie bitte gleich am Rednerpult. Den Hinweis auf die Kurzintervention hatte ich schon gegeben. – Herr Witzel, bitte.

Herr Finanzminister, Sie haben eben gesagt, Sie empfinden diesen Antrag nicht als Misstrauen gegenüber Ihrem Haus. Dieser Antrag hat ja zwei Ebenen. Das eine ist die, wie ich es empfunden habe, heute sehr sachlich besprochene Frage, an welchen Stellen es vielleicht Synergien gibt, wo es Reformbedarf gibt und wo man etwas in den Strukturen einsparen kann.

Das Zweite ist die Frage, was das methodisch richtige Vorgehen ist. Es ist schon etwas ungewöhnlich, dass Regierungsfraktionen – es sei denn, Sie hätten sie dazu animiert – als allerersten Schritt externe Gutachtenerstellungen beauftragen, wenn sie Probleme identifizieren.

Meine Frage an dieser Stelle lautet deshalb: Gibt es nicht verschiedenste Komplexe dieser auf einer Seite aufgelisteten Prüffragen – von denen man viele durchaus mit Ernsthaftigkeit diskutieren kann –, zu denen Sie mit Ihren Behörden und mit den der Landesregierung zur Verfügung stehenden Mitteln einen ersten Aufschlag zu Lösungen und Erkenntnissen machen können, sodass man sich erst im zweiten Schritt überlegt, ob es irgendwo noch eine Lücke bei den Anregungen und Beratungsbedarf gibt, den man extern beauftragt? Wie stehen Sie dazu?

Das würde ich gerne wissen: Was trauen Sie sich zu, von diesem auf Seite 2 des Antrags aufgelisteten Anforderungskatalog durch die Landesverwaltung zur Verfügung zu stellen? Und welche Leitplanken haben Sie? Halten Sie am PKV-Modell fest? Wollen Sie ein Wettbewerbsmodell etc.?

Ich halte angesichts der Bemerkungen, die wir eben zum Thema „Gutachten“ gemacht haben, von einem Gutachten, das ergebnisoffen ist und das man nicht in Auftrag gibt, weil man schon festlegt, welche Rahmenbedingungen eingehalten werden sollen, sehr viel.

Ich glaube, dass es hilfreich sein kann, dass man gerade die vielen Erfahrungen, die auf den verschiedenen Ebenen der Erstattung von Krankheits- bzw. Gesundheitskosten vorliegen, zusammenbringt und dass sie nicht nur aus dem Wälzen von Daten im Inneren entstehen.

Auf der anderen Seite sage ich Ihnen schon: Es ist nicht so, dass Sie hier nicht auf einen fahrenden Zug

aufspringen, sondern hier steht nichts still. Seit Jahren ist in einem auch in der Führungsstruktur neu besetzten Landesamt für Besoldung und Versorgung eine enorme Menge von Maßnahmen angestoßen worden.

Ich finde, diesen Prozess jetzt zu begleiten und Anstöße von draußen hineinzubringen, ist nun wirklich alles andere als ein Misstrauensvotum. Es geht vielmehr darum, das wirklich zu beschleunigen, sich das anzuschauen und zu sagen: Es ist am besten, dass man das unaufgeregt macht und nicht in einem Gegeneinander.

Eine Menge Menschen hängen vom LBV ab. Ich sage es noch einmal: 1,1 Millionen Fälle gibt es kaum in irgendeiner anderen Abrechnungsstelle. Das ist sehr sensibel. Da sollten wir wirklich mit großer Verantwortung gemeinsam herangehen. Dazu sind wir bereit. Dazu gibt es eine Menge an Kompetenz im Ministerium, vor allem aber im Amt. Wir sollten sie nutzen und das komplettieren, indem wir uns auch von außen Sachverstand dazuholen.