Protocol of the Session on January 29, 2016

Stellen Sie sich bitte einmal folgendes Bild vor: Drei Unionsabgeordnete in Jagdkleidung betreten eine kleine Waldlichtung in der Nähe von Witten auf der Suche nach scheuen Rehen, genannt „Start-ups“. „Da ist eins, da ist eins, und da ist noch eins“, und plötzlich betritt polternd ein gewisser McKinsey die Lichtung, und – schwupps! – sind die Start-ups weg aus Witten und nach Berlin oder nach Köln gegangen.

Sie suchen an der falschen Stelle, wenn Sie Unternehmensgründungen fördern wollen. Die Kolleginnen und Kollegen haben das hier schon en détail gesagt: Sie möchten die Bi-Ba-Bürgschaftsbank gestärkt sehen. Diese Bank genießt bereits das Privileg, ihre Risiken durch Bund und Land absichern zu können. Zudem ist sie per Gesetz von Körperschaft-, Vermögen- und Gewerbesteuer befreit. Was will eine Bank mehr?

Weiter gehende konkrete Forderungen stellen Sie in dem Antrag nicht. Es bleibt also im Ungefähren.

Der zweite Punkt in Ihrem Beschlussteil: Sie möchten die Instrumente von Bürgschaftsbank und NRW.BANK besser verzahnen. Es wurde hier schon mehrfach von den Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün gesagt: In der Sachverständigenanhörung saßen Vertreter beider Institute und erklärten, dass sie bereits sehr gut miteinander kooperierten. Da hilft auch ein Blick ins Internet, nämlich auf die Internetseite der Bürgschaftsbank: Dort sieht man auf einen Blick, dass es eine selbstverständliche Verzahnung mit den Angeboten der Kreditanstalt für Wiederaufbau des Bundes und der NRW.BANK gibt. Auch diese Forderung geht daher ins Leere.

In Punkt 3 Ihres Beschlussteils heißt es, dass das „vielfältige Förder- und Beratungsangebot für Existenzgründer und für etablierte Unternehmen verschlankt und gleichzeitig besser auf die tatsächlichen Bedürfnisse ausgerichtet wird“. In dem Punkt möchte ich Ihnen mal nicht widersprechen.

Das Problem ist dann aber, dass es, wenn man in eine kreditfinanzierte Unternehmensgründung geht, Sachverständige gibt, die die Chancen dieser Unternehmensgründung bewerten müssen. Speziell bei der Kreativbranche und der digitalen Wirtschaft glaube ich nicht, dass in Deutschland viele Unternehmensberatungen tatsächlich die Kompetenz besitzen, solche Geschäftsgründungspläne zu bewerten.

Ich ziehe auch gar nicht in Zweifel, dass Bürgschaftsbanken eine sinnvolle Ergänzung zu den normalen Banken und den Sparkassen sind. Sie sichern Ausfallrisiken ab, die für Hausbanken zu groß erscheinen.

Wir Piraten unterstützen natürlich ausdrücklich Erneuerung und Weiterentwicklung – oder allgemeiner: das Sich-neu-Erfinden der Wirtschaft im Informationszeitalter. Digitale Start-ups, aber auch die gesamte Kreativbranche und vor allen Dingen Know-how-intensive Dienstleister wie die freien Berufe werden immer wichtiger. Von ihnen hängt mehr denn je der zukünftige Wohlstand unseres Landes ab.

Gerade weil digitale Geschäftsmodelle von Hausbanken schwer einzuschätzen sind und weil die Kreativbranche meist keine großen Sicherheiten wie Sachanlagen bieten kann, wünschen wir Piraten uns auch von der Bürgschaftsbank NRW noch mehr Engagement gerade für die kreativen Köpfe in unserem Land.

(Beifall von den PIRATEN)

Aus Privilegien leiten sich nämlich auch Pflichten ab. Wer sich die Zahlen anschaut und ins Verhältnis setzt, sieht, dass die Bürgschaftsbank nur einen kleinen Promillebereich der Existenzgründer und kleinen Unternehmen in NRW tatsächlich erreicht.

Obwohl die CDU hier einen recht wenig ergiebigen Antrag vorlegt, werden wir Piraten uns enthalten – in der Hoffnung, dass digitale Gründungen und die Kreativbranche in Zukunft besser unterstützt werden. Das ist ein Signal von uns; denn gerade diese Branche hätte es verdient. – Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Duin.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal – auch wenn die Kollegin nicht mehr dabei sein kann, wofür ich volles Verständnis habe – freue ich mich, dass die Fraktion der CDU diese Diskussion zum Anlass genommen hat, um deutlich zu machen, wie sehr wir gemeinsam die Arbeit der Bürgschaftsbank NRW ausdrücklich loben sollten und dass wir zusammen immer wieder ihre Bedeutung für die Kreditversorgung der mittelständischen Wirtschaft betonen müssen. Dieser Auffassung können wir uns partei- und fraktionsübergreifend wohl alle anschließen.

Ich kann mich sehr gut daran erinnern – einige von Ihnen waren mit dabei –, dass wir im Mai letzten Jahres das 60-jährige Bestehen der Bürgschaftsbank NRW gefeiert haben. Ich habe dort zum Ausdruck gebracht, dass sie eine unverzichtbare Einrichtung zur Sicherung und Entwicklung der mittelständischen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen ist. Insofern gibt es darüber gar keinen Dissens.

Weil die Bürgschaftsbank NRW ein wichtiger Baustein unserer Förderlandschaft ist, wird diese Selbsthilfeeinrichtung seit ihrer Gründung vom Staat unterstützt. Land und Bund übernehmen durch Rückbürgschaften rund zwei Drittel des Ausfallrisikos jeder Bürgschaft. Diese Absicherung versetzt die Bürgschaftsbank NRW ja überhaupt erst in die Lage, ihre Bürgschaften und Garantien anzubieten.

In der Vergangenheit haben wir bewiesen, dass auch eine höhere Unterstützung erfolgen kann, wenn dies notwendig ist. Im Rahmen der Finanzmarktkrise haben wir, um die Folgen abzumildern, der Bürgschaftsbank NRW eine um 15 % erhöhte Rückbürgschaftsquote zugestanden, sodass die Bank in den Krisenjahren nur noch 20 % des Obligos tragen musste. Auch schon vorher hat sie in besonderen wirtschaftlichen oder konjunkturellen Phasen zur Förderung ihrer eigenen Entwicklung eine besondere Unterstützung vom Land erhalten – durch Kapitalzuschüsse oder durch eine Erhöhung der Rückbürgschaftsquote.

Die behauptete Notwendigkeit einer besseren Abstimmung und Verzahnung des Förderangebots er

schließt sich uns aber überhaupt nicht. Die Bürgschaftsbank – das hat die Anhörung nochmals bewiesen; Frau Müller-Witt hat darauf gerade noch einmal hingewiesen, Frau Dr. Beisheim ebenfalls – und die NRW.BANK arbeiten schon seit einigen Jahren intensiv und erfolgreich gemeinsam an der Verknüpfung ihrer Angebote. Die NRW.BANK ist Gesellschafterin. Sie ist im Aufsichtsrat und in den Bürgschaftsausschüssen vertreten. Beim Vertrieb der Produkte arbeiten beide Institute eng zusammen.

Die Kritik, die ich hier gerade gehört habe, bezog sich auch überhaupt nicht auf das Antragsthema, sondern auf ganz andere Fragestellungen, zum Beispiel auf das Hausbankprinzip der NRW.BANK. Dann kann die FDP dazu ja einmal einen Antrag stellen. Das ist aber überhaupt nicht Inhalt dessen, was heute hier beraten wird.

Auch der Wunsch nach einer Verschlankung des Beratungsangebotes führt nicht ans Ziel; denn die Vielfalt des Beratungsangebotes entspricht genau der Differenzierung der Nachfragen. Gründer, Wachstumsunternehmen, Restrukturierungen und Unternehmensnachfolgen stellen unterschiedliche Probleme dar und haben jeweils ihren eigenen Beratungs- und Förderbedarf. Danach ist das Ganze ausgerichtet.

Die Aussage, es sei unübersichtlich, ist ebenfalls falsch; denn die Angebote, die wir landesweit in den Anlaufstellen gebündelt haben, sind alles andere als unübersichtlich. Wir haben auf der einen Säule die Startercenter NRW, die Gründerinnen und Gründer beraten sowie über Mikrodarlehen informieren, und auf der anderen Seite die NRW.BANK, die über Kredite, Zuschüsse oder Beteiligungen berät. Bei zwei Säulen von Unübersichtlichkeit zu sprechen, halte ich für ein bisschen an den Haaren herbeigezogen.

Deswegen ist dieser Antrag in der jetzt vorliegenden Form, wenn er nicht nur als Lob für die Arbeit der Bürgschaftsbank NRW gedacht ist, meines Erachtens durchaus überflüssig.

Soweit es um die Lichtung des Förderdschungels geht – das ist eine ganz andere Grundsatzfrage –, gestatte ich mir folgenden Hinweis: Gerade wir haben bewiesen – ich erinnere nur an die Neuformierung beim EFRE –, dass die Unübersichtlichkeit innerhalb der Landesverwaltung beseitigt wird, sodass wir klarere Strukturen haben, von denen wir jetzt profitieren.

Man kann über vieles diskutieren, wenn es um Förderung von Unternehmen bzw. von Gründerinnen und Gründern geht. Am allerwenigsten sehe ich und sieht auch die Wirtschaft selbst den Reformbedarf bei der Bürgschaftsbank NRW. Deswegen läuft dieser Antrag wirklich ins Leere.

Erlauben Sie mir – bei aller Hitzigkeit der Debatten dieser Tage; hier handelt es sich ja um ein vergleichsweise nüchternes Thema –

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Richtig!)

eine abschließende Bemerkung. Ich habe meine Erfahrungen mit der gesamten Grünenfraktion, wenn wir intensiv über Wirtschaftspolitik diskutieren. Wir ringen dann auch um die gemeinsame Haltung. Man kann dabei durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Aber wenn es in der Grünenfraktion eine Person gibt, die auch aus eigener Anschauung wirklich kompetent über dieses Thema reden kann, dann ist es Frau Dr. Beisheim. Deswegen sind da Angriffe völlig fehl am Platze. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN, den PIRATEN und Daniel Schwerd [fraktionslos])

Vielen Dank, Herr Minister Duin. – Da mir keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, schließe ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 1, und wir kommen zur Abstimmung.

Der Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk empfiehlt in der Drucksache 16/10439, den Antrag, über den wir eben die Debatte geführt haben, abzulehnen. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag selbst und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer dem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Damit ist der Antrag Drucksache 16/8123 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Ich rufe auf:

2 Digitale Bildung und Medienkompetenz in den

Schulen stärken – durch bundesweite Bildungsstandards, ein Bund-Länder-Sonderprogramm zur Ausstattung der Schulen und eine Qualifizierungsoffensive der Lehrerschaft

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/10796

Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin erhält Frau Kollegin Gebauer für die FDP-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die internationale Untersuchung ICILS hat es klar

und deutlich gezeigt: Deutschland hinkt auch bei der Nutzung und Entfaltung der digitalen Chancen anderen Nationen hinterher.

Wie macht sich das bemerkbar? Zu wenig – gerade auch qualitative – Nutzung; eine unzureichende Ausstattung der Schulen; zu wenig Fortbildung der Lehrkräfte.

Rund ein Drittel der Achtklässlerinnen und Achtklässler verfügt nur über rudimentäre Fähigkeiten bzw. basales Wissen bei Computer- und informationsbezogenen Kompetenzen. Bildungsforscher

sprechen hier bereits von digitalen Analphabeten.

Die einfache Rechnung „iPhone plus Daddeln gleich digitale Medienkompetenz“ geht nicht auf.

(Beifall von der FDP)

Zwar zeigte der vor wenigen Monaten veröffentlichte Bundesländervergleich „Schule digital – Der Länderindikator 2015“ durchaus Verbesserungen. Es wurde aber genauso deutlich, dass wir gewaltige Anstrengungen brauchen, um hier voranzukommen. Im Übrigen kommt Nordrhein-Westfalen, wie so oft, auch in diesem Ländervergleich leider über ein Mittelmaß nicht hinaus.

Meine Damen und Herren, gerade hat auch eine repräsentative Befragung von Lehrkräften der Sekundarstufe I im Auftrag des Digitalverbandes Bitkom und des VBE gezeigt, dass Lehrkräfte digitale Medien oder digitale Möglichkeiten gerne stärker nutzen würden. Es fehlt aber an der entsprechenden Ausstattung und an ausreichender Fortbildung, wie sie zum Beispiel 82 % der Lehrkräfte einfordern.

Ja, meine Damen und Herren, es gibt bei den Schulen in Nordrhein-Westfalen Leuchttürme. Aber es gibt leider auch viel zu viel digitale Tristesse vor Ort.

(Beifall von der FDP)

Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch gerne an unsere Anhörung in der vergangenen Woche, in der viele Experten von einer unzureichenden Ausstattung unserer Schulen gesprochen haben. Vielerorts wurde diese Ausstattung sogar als lächerlich bezeichnet.

Digitales Lehren und Lernen – beides ist kein Selbstzweck. Es geht darum, dass wir die vielen Chancen der Digitalisierung als Mittel zum Zweck ergreifen. Hierbei darf man ethische Fragen nicht vergessen. Sie gehören mit dazu. Aber auch Aspekte wie Persönlichkeitsrechte und Datenschutz sind wichtig.

Unsere Kinder und Jugendlichen müssen auf ein selbstbestimmtes Leben in einer digital geprägten Umwelt vorbereitet sein. Es ist daher wichtig, dass Deutschland hier endlich nicht nur einen kleinen Schritt geht, sondern einen großen Wurf wagt.