Protocol of the Session on January 28, 2016

Wie ebenfalls schon erwähnt, wurde bereits im Jahr 2005 in Nordrhein-Westfalen eine Landesrahmenempfehlung festgeschrieben mit dem Ziel, einerseits Vertragspartner zusammenzubringen, andererseits die Komplexleistung in einer interdisziplinären Einrichtung zu erbringen. Hier wurden Standards zur Leistungsausführung und auch beim Personaleinsatz konkretisiert.

Wir sehen allerdings auch, dass wir eine Konfliktlösung für die Familien herbeiführen müssen. Man muss sich klarmachen, dass es sich um persönliche Angelegenheiten handelt, bei der eben auch die persönliche Betroffenheit eine große Rolle spielt. Das birgt natürlich Konfliktpotenzial, weil hier verschiedene Systeme aufeinandertreffen. Insofern ist eine Schiedsstelle sicherlich der richtige Weg, um zur Lösung solcher Konflikte zu gelangen.

Vom Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik haben wir eine Studie erstellen lassen, die die Entwicklung der interdisziplinären Frühförderung in Nordrhein-Westfalen untersucht hat. Diese Studie belegt ganz deutlich die positive Wirkung für die Betroffenen. Vor allen Dingen ist deutlich geworden, dass es im Land keine Versorgungslücken gibt.

Gleichwohl ist aber auch klar geworden, dass die Strukturen der Leistungserbringung in den einzelnen Landesteilen sehr unterschiedlich sind. So werden Leistungen der Frühförderung nicht überall als Komplexleistung aus einer Hand angeboten, sondern auch über ärztliche Einzelverordnungen bei den jeweiligen Spezialisten. Auch fehlen landesweit gültige Standards.

Außerdem kann sich ein Förderbedarf nicht nur aus der Beeinträchtigung des Kindes ergeben, sondern unter Umständen aus der familiären Situation. In unserem Antrag haben wir extra auf Kinder gehörloser Eltern hingewiesen, die zum Beispiel eine Frühförderung bei der Sprachentwicklung benötigen können – nicht unbedingt müssen, aber oftmals ist es eben nötig. Auch die Kinder von Eltern mit kognitiver Beeinträchtigung, die in ihrer Elternschaft assistiert werden, brauchen unter Umständen eigene gezielte Förderung, um von Anfang an ihre persönlichen Potenziale uneingeschränkt entwickeln zu können.

Mit der Novellierung der Landesempfehlung hat die Landesregierung mit den Beteiligten Standards festgelegt. Es wird für mehr Transparenz bei der Fallkostenteilung gesorgt. Zu den bisherigen Kostenträgern und Verhandlungspartnern ist noch die Freie Wohlfahrtspflege als Vereinbarungspartnerin hinzugekommen.

Wir möchten, dass die Wirkung der Frühförderung alle drei Jahre überprüft wird. Wichtig ist auch, dass die Elternberatung in Zukunft mitfinanziert werden soll. Das ergibt die Chance, die Beratung der Eltern im Rahmen der Komplexleistung nicht nur rein kindbezogen, sondern auch familiensystembezogen zu gestalten. Ein Blick in die Praxis zeigt, dass Frühförderung und alle Maßnahmen, die hiermit im Zusammenhang stehen, besonders nachhaltig dort wirkt, wo das familiäre und sonstige Lebensumfeld des Kindes mit einbezogen wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Im Bereich der Frühförderung ist also einiges im Fluss, und wir möchten daran anknüpfen. Daher be

fürworten wir den flächendeckenden Ausbau interdisziplinärer Frühfördereinrichtungen. Denn es

wird – wie auch in dieser Studie dargestellt – für die betroffenen Familien eine deutliche Erleichterung bringen, wenn medizinische und heilpädagogische Diagnostik und Therapie aus einer Hand kommen. Vertrauen, Planungssicherheit und auch Zeitmanagement sind hier wichtige Stichworte. Doppelleistungen und Therapielücken werden vermieden.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist überschritten.

Ich werde jetzt gleich zum Schluss kommen.

Darüber hinaus zeigt die Studie auch, dass das für die Kommunen im Grunde genommen kostengünstiger ist.

Wir wollen auch darauf achten, dass neben den interdisziplinären Frühfördereinrichtungen noch weitere Träger – nämlich Träger, die auch Solitärleistungen anbieten – von Bedeutung sein werden.

Frau Kollegin, …

Daher ist das auch ein Anreizsystem, so etwas flächendeckend auszubauen.

Zum präventiven Ansatz möchte ich zwei Abschlusssätze sagen. Wir denken, dass es ganz wichtig ist, …

Frau Kollegin, Sie haben Ihre Redezeit deutlich überschritten!

Es ist wichtig – das habe ich schon gesagt –, Kinder ohne Behinderung mit in den Fokus zu nehmen, weil auch das familiäre Umfeld eine Rolle spielt. Wir werden diesen Antrag im Ausschuss gemeinsam diskutieren, …

Also, Frau Kollegin, …

Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE) :

… und ich hoffe auf eine gute Beratung. – Vielen Dank.

… ich entziehe Ihnen das Wort. Das, was Sie hier machen, dass Sie einfach weiterreden, ist nicht möglich.

(Beifall von der CDU)

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Kollegin von den Grünen ihre Redezeit um eine Minute und 20 Sekunden überschritten hat.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Kern.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mir fällt es natürlich schwer, nach dem ersten Tagesordnungspunkt hier als erster Sprecher für die CDU zu reden, nachdem wir solch einem Angriff ausgesetzt waren. Da bin ich doch sehr auch in meinem demokratischen Gefühl erschüttert.

Ich will aber sagen, dass ich den Antrag der Regierungsfraktionen zur Frühförderung als einen wichtigen Schritt ansehe, Kinder mit Behinderung und solche, die von einer Behinderung bedroht sind, zu unterstützen. Ich halte diesen Antrag – das will ich sehr deutlich sagen – für sinnvoll.

Kompetente Beratung und frühzeitige Förderung sind gerade in der frühkindlichen Entwicklungsphase entscheidend, weil wir die Kinder dann noch beeinflussen können. Da diese Leistungen bereits kurz nach der Geburt genutzt werden können, verbessern sie die Entwicklungschancen der betroffenen Kinder deutlich. Sie sichern Lebenschancen.

Genau deshalb ist es wichtig, dass Frühfördermaßnahmen die Bezugspersonen – vor allem die Eltern – konsequent einbeziehen und die Elternberatung zukünftig auch mitfinanziert wird. Das gilt auch für die betroffenen Familien; denn diese Familien haben ganz besondere Herausforderungen zu meistern.

Wenn Eltern zum Beispiel durch den Arzt oder die Hebamme erfahren, dass ihr Kind Auffälligkeiten oder Beeinträchtigungen aufweist, tritt zunächst eine große Verunsicherung auf. Bereits in dieser Phase muss die Frühförderung mit Komplexleistungen ansetzen; denn zur Lebenswirklichkeit zählt, dass zunächst der Schock aufgearbeitet wird und Kenntnisse, Erfahrungen und Austauschmöglichkeiten für die Eltern vermittelt werden können.

Die Gewissheit, ein behindertes oder von Behinderung bedrohtes Kind zu haben, und die besondere Situation, in der sich diese Familien befinden, rufen nach nachhaltiger Unterstützung.

(Beifall von der CDU und den GRÜNEN)

Physische und psychische Belastungen für die Eltern rund um die Uhr und von Dauer sind dabei ebenso auf der Tagesordnung wie besondere Belastungen in der Partnerschaft der Eltern. Auch müssen die Bedürfnisse der Geschwisterkinder berücksichtigt werden. Die Beantwortung der Frage der Eltern „Wer hilft uns weiter?“ darf weniger eine Holschuld der Eltern sein, sondern ist eine Bringschuld der Experten und Institutionen, die frühest

möglich erbracht werden muss. Die CDU überprüft deshalb die Zielrichtung des heute eingebrachten Antrages. Wir bieten konstruktive Mitarbeit zu diesem so wichtigen Thema an.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist Zeit, endlich zu handeln. Nachdem nun die 16. Legislaturperiode in ihre letzte Phase eintritt, wird das Thema jetzt endlich – dreieinhalb Jahre nach Ihrem Koalitionsvertrag – auf die Agenda genommen. Es ist allerdings bedauerlich, dass nach drei Verhandlungsjahren nur Empfehlungen und keine Vereinbarungen vorliegen.

Mit dem Ausbau und der Weiterentwicklung des Angebotes der Früherkennung und Frühförderung und von heilpädagogischen Leistungen nach § 56 SGB IX als Komplexleistung wird ein Schritt in die richtige Richtung gemacht. Damit wird Hilfeleistung aus einer Hand sichergestellt, was für die Eltern von erheblicher Bedeutung ist und für die Betroffenen eine echte Lebenshilfe darstellt. Dass Therapien auch in Kindertagesstätten stattfinden können, ist genauso zu bemerken wie die wichtige Entlastung der Eltern in dieser schwierigen Lebensphase der Vorbereitung, Beratung, Unterstützung und Anleitung in Bezug auf die Frage: Wie gehe ich mit meinem behinderten Kind um?

Die CDU sieht allerdings auch Felder der Weiterentwicklung. Man hat sich über die Kosten einigen können, aber die Fragen der entscheidenden Qualitätsstandards für Kinder sind leider noch offen, weil es bisher immer nur nach Rahmenempfehlungen geht und, wie eben schon gesagt, es noch keine Rahmenvereinbarung gibt. Es ist aber sicherlich unser gemeinsames Ziel, dass wir dahinkommen.

Die CDU-Landtagsfraktion fordert, dass die aufsuchende Beratung und Therapie im häuslichen Umfeld, die es vor der Einrichtung von Komplexleistungen gab, mindestens im ersten Lebensjahr erhalten bleibt. Betroffene Eltern berichten uns, wie entscheidend für sie die Rettung aus dem psychologischen Loch war, in das sie gefallen waren. Dabei ging es um die praktische Anleitung im Hinblick auf die Frage „Wie gehe ich zu Hause mit meinem Kind um?“ und darum, jemanden zu haben, der der betroffenen Familie wieder Perspektive aufzeigt und Kinder annimmt, wie sie sind.

Wir fordern, dass trotz der guten Erfahrungen mit den Komplexleistungen das Wunsch- und Wahlrecht erhalten bleibt. Eltern müssen sich die Therapeuten, die ihr Kind oft sechs Jahre täglich betreuen, aussuchen können. Wenn das Vertrauensverhältnis oder die Qualität der Beratung nicht stimmt, müssen sie auch wechseln können. Gerade hier liegt auch die Chance des Qualitätsgewinns für die betroffenen Kinder.

Eine Komplexleistung ist, wie gesagt, eine gute Sache und als Hilfe aus einer Hand unersetzlich. Dies darf allerdings nach Ansicht der CDU nicht mit dem

Eintritt in die Schule enden. Hier müssen wir gemeinsam daran arbeiten, dass aus einer Schnittstelle eine Verbindungsstelle wird. Neben dieser Altersgrenze sind die landesweiten Unterschiede zwischen dem Rheinland und Westfalen sicherlich auch noch einmal gemeinsam im Ausschuss zu besprechen.

Der umfangreiche Bericht – er wurde eben schon von der Kollegin zitiert; das ist die Vorlage 16/965 aus 2013 –, der die derzeitigen Strukturen bewertet, lässt viele Schlussfolgerungen und viele positive Ansätze zu, über die wir gemeinsam im Ausschuss sprechen sollten. Auf der Basis dieser Handlungsempfehlungen und der Vorstellungen der CDU freuen wir uns auf eine konstruktive Diskussion im Ausschuss.

(Beifall von der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Kern. – Nun hören wir mal, wie die FDPFraktion das sieht. Es spricht Herr Kollege Alda.

Herr Präsident, schönen Dank für diesen Empfang: „… wie die FDP-Fraktion das sieht.“ Vielleicht noch eine kleine Replik auf das, was Kollege Kern gerade sagte: Es sieht ja so aus, als ob sich kein Sozialdemokrat entschuldigen könnte. – Das muss ich leider widerlegen.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das stimmt!)

Günter Garbrecht hat sich letztens entschuldigt. Genau dich wollte ich als Beispiel nehmen. Es kann hier jedem von uns passieren, dass er einmal etwas Falsches sagt. Aber man muss auch ein bestimmtes Körperteil in der Hose haben, um dann zu sagen: Dazu stehe ich, und das nehme ich auch zurück. – So viel nur dazu.

(Beifall von der FDP und der CDU)