Protocol of the Session on January 28, 2016

Herr Kollege Lürbke, danke schön für die Zulassung der Zwischenfrage. – Ich setze hier doch noch auf einen Rest an Rechtsstaatsbewusstsein in der FDP-Fraktion. Ist Ihnen denn, wenn es schon in der CDU nicht vorhanden ist

(Zurufe von der CDU)

jetzt kommt meine Frage –, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2005 zum niedersächsischen Polizeigesetz bekannt, wonach Karlsruhe einschlägig geurteilt hat, dass der Einsatz präventiver Maßnahmen zum Zwecke der Beweissicherung – hier hieße das Videoüberwachung – im Polizeirecht nicht zulässig ist? Das heißt: Stimmen Sie mit meiner verfassungsrechtlichen Auffassung überein, dass mit der Begründung, dass wir Beweissicherungsbilder haben wollen, eine Videoüberwachung nach dem Polizeirecht nicht möglich ist, egal wo die Kamera ist, auf der Schulter oder auf der Straße? Stimmen Sie mit mir in dieser rechtlichen Einschätzung überein?

Herr Kollege Lürbke, bitte schön.

Frau Düker, ich danke Ihnen für den Hinweis. Aber ich stimme mit Ihnen nicht 100%ig überein; denn wir haben bereits heute den Einsatz von Kameras, etwa bei den Beweissicherungstrupps der Einsatzhundertschaften. Beispielsweise findet die Beobachtung aus der Vogelperspektive statt; das hat Ihr Kollege Bolte eben schon angesprochen. Dabei steht die Kamera auf einem Teleskop.

Sie haben sehr früh eine Zwischenfrage gestellt. Ich werde in meinen Ausführungen gleich noch darauf eingehen. Ich glaube, dann wird das auch noch deutlicher.

(Beifall von der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte trotzdem vorwegschicken, dass ich dem Aktionismus dieser Tage und den Forderungen nach einer flächendeckenden Einführung anlassloser Maßnahmen, aber auch beispielsweise nach einer flächendeckenden Einführung von Schulterkameras, die wir, auch in den letzten Wochen, immer wieder vernehmen dürfen, erst einmal eine Absage erteilen.

Uns geht es nämlich darum – wir haben einen Entschließungsantrag gestellt, um es deutlich zu machen und ganz konkret zu sagen, worum es uns geht –, dass Schulterkameras tatsächlich nur anlassbezogen und situationsangemessen innerhalb geeigneter Rahmenbedingungen und innerhalb ganz enger rechtlicher Grenzen, auch unter Berücksichtigung des Datenschutzes, infrage kommen.

Frau Kollegin Düker, ein solcher Einsatz käme, wie gesagt, beispielsweise bei den Bereitschaftspolizeieinsatzhundertschaften infrage – bei geschlossenen Einheiten und bei den Beweissicherungskräften –; denn dort werden bereits heute Videoaufnahmen angefertigt, sofern der Einsatzführer das aufgrund der Lage für geboten hält und soweit es aufgrund der Rechtslage und der Rechtsprechung zulässig ist.

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

Ja, genau. – Wir erleben beispielsweise aber auch dass diese Kameras immer häufiger aus der Hand geschlagen werden.

Es ist die Silvesternacht angesprochen worden: Auch in der Silvesternacht waren bekanntlich Einsatzkräfte der Hundertschaft vor Ort. Aber offenbar wurden in der Nacht keinerlei Beweissicherungsaufnahmen angefertigt. Natürlich hätte das im Einzelfall rechtlich zulässig sein müssen.

Aber in dichten Menschenmassen kann eine solche Schulterkamera meiner Meinung nach hilfreich sein, denn der betreffende Beamte hat dann die Hände frei, beispielsweise zur Eigensicherung. Dem sollten wir uns nicht verschließen. Insofern können wir uns Schulterkameras als Ergänzung zu den bereits heute verwendeten Kameras vorstellen. Wir wollen an dieser Stelle also eher eine Aktualisierung auf den neuesten Stand der Technik.

(Beifall von der FDP)

Es ist schon angesprochen, dass wir damit auch der Forderung der Polizeigewerkschaften nachkommen, wobei man, wie Sie, Herr Bialas, richtigerweise gesagt haben, genau darauf schauen muss, was die Polizeigewerkschaften hier erklärt haben.

Die Erfahrungen aus Hessen deuten zumindest darauf hin – auch da ist ein Jahr seit der Anhörung vergangen –, dass der Einsatz von Schulterkameras in Kriminalitätsbrennpunkten offensichtlich die Zahl der Übergriffe und Gewalttaten gegenüber Polizeibeamten zurückgehen lässt. Natürlich muss man das wissenschaftlich untersuchen. Aber wenn die Schulterkameras an dieser Stelle etwas Positives bewirkt haben, will ich mich dem nicht verschließen. Jede Gewalttat gegen einen Polizeibeamten in unserem Land ist eine zu viel.

Aber ich will betonen – deswegen auch der Hinweis in dem Erschließungsantrag –: Das muss wissenschaftlich begleitet werden. Es muss jährlich evaluiert werden, damit wir überhaupt wissen, worüber wir hier reden.

Um es abschließend ganz klar zu sagen: Uns geht es nicht darum, dass jeder Streifen- oder Bezirksbeamte in Nordrhein-Westfalen, womöglich noch in einem ruhigen Stadtteil, eine Kamera schultert. Das verbietet sich in meinen Augen. Wir dürfen niemals vergessen, dass die Nutzung einer Schulterkamera in Grundrechte – in die informationelle Selbstbe

stimmung – der Gefilmten eingreift. Das ist damals auch in der Anhörung deutlich geworden; ich erinnere mich an die Ausführungen des LDI.

Schlussendlich geht es auch um ein Vertrauensverhältnis – Herr Bolte, Sie haben das angesprochen – zwischen Bürgern und Polizei. Ich sehe das ähnlich. Wir brauchen unsere Polizeibeamten weiterhin jederzeit als ansprechbaren Freund und Helfer, nicht aber als eine Art mobiler Überwachungsinstitution.

Wie gesagt: Das Thema „Schulterkameras“ muss mit Maß und Mitte und unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit in den engen Grenzen des Datenschutzes austariert werden. Uns geht es dabei um den anlassbezogenen und situationsangemessenen Einsatz. Deswegen werbe ich an dieser Stelle noch einmal für unseren Entschließungsantrag. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Abgeordnete Schatz.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich auf das eingehen, was Herr Hegemann gerade dazwischengerufen hat; denn ich glaube, das hat nicht jeder verstanden. Auf die Frage von Herrn Bolte, ob man denn ein verfassungswidriges Gesetz einbringen sollte, sagte Herr Hegemann: Das müssten Sie schon das Gericht entscheiden lassen.

Genau das macht die CDU immer: verfassungswidrige Gesetze einbringen und abwarten, was daraus wird. Das ist die CDU, wie sie leibt und lebt. Das ist aber nicht meine Art von Politik.

(Beifall von den PIRATEN)

Herr Lürbke, Sie sagten gerade, Sie würden dem nicht zustimmen; denn die Hundertschaften würden bei Versammlungen bereits das Gleiche machen. – Es gibt aber einen Unterschied: § 12a Versammlungsgesetz. Ich meine, das Versammlungsgesetz unterliegt immer noch der Kompetenz des Bundes. Das ist die Rechtsgrundlage für Videoaufnahmen der Polizei bei Versammlungen, die auch für die Hundertschaften gelten. Hier besteht Bundeskompetenz und nicht Landeskompetenz. Von daher ändert das nichts an der Aussage, dass es verfassungswidrig ist.

Insgesamt geht der Antrag der CDU hier von völlig falschen Voraussetzungen aus. Zunächst einmal schreiben Sie in einem Halbsatz, irgendwo im Kleingedruckten, es sei inzwischen anerkannt, dass Bodycams für eine beweissichere Dokumentation dienlich sind und dass sie sogar eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Angreifer hätten. Allerdings frage ich mich: Von wem wurde das aner

kannt? Von den Innenministern? Von den Polizeigewerkschaften? Sind wir doch einmal ehrlich: Die hatten das schon anerkannt, als die Testversuche noch gar nicht gestartet waren. Wissenschaftlich belegt ist dabei also überhaupt nichts.

Allein die Tatsache, dass Sie den Einsatz von Bodycams in einen Zusammenhang mit den Vorfällen in der Silvesternacht bringen, ist doch schon völlig absurd, weil das doch den Sinn dieser Bodycams – wie sie in anderen Bundesländern bereits getestet werden – völlig verfehlt. Das wurde auch schon gesagt. Es geht hier um die Eigensicherung und nicht um Beweissicherung. Das ist totaler Mumpitz.

Des Weiteren sagen Sie, die Kameras hätten die Vorfälle nicht verhindert – das ist klar –, allerdings hätte man dadurch einen besseren Überblick gehabt. Über die Übersichtsaufnahmen haben wir gerade schon gesprochen. Ich möchte das aber grundsätzlich bezweifeln. Wir müssen in diesem Zusammenhang Folgendes bedenken: Der Bahnhofsvorplatz von Köln ist schon jetzt rundherum videoüberwacht. Was hätten uns denn noch mehr Aufnahmen gebracht? Allein die Videoaufnahmen, die derzeit vorliegen, sind schon zu viel. Das ganze Material, das zur Verfügung steht, können die Beamten gar nicht vollständig auswerten.

Das Beste in Ihrem Antrag aber ist der kurze Schlusssatz, den Sie quasi als eine Art Appendix – der nun einmal da ist, den aber eigentlich niemand braucht – nachgeschoben haben. Darin sagen Sie dann, den Datenschutz müsse man natürlich auch noch beachten. Liebe CDU, ich bin froh, dass Sie den Datenschutz überhaupt erwähnen; denn mir kommt es wirklich so vor, als sei der Datenschutz für Sie nur ein lästiges Anhängsel des Rechtsstaates. „Datenschutz ist Täterschutz“ lautet schließlich das Motto der CDU.

Aber da wir gerade über den Datenschutz sprechen, möchte ich noch eine Anmerkung machen: Das Thema „Bodycams“ ist nicht neu in NRW. Vor ziemlich genau einem Jahr – das wurde auch bereits gesagt – gab es zu einem gleichlautenden Antrag eine Anhörung. Der damalige Datenschutzbeauftragte, Herr Lepper, war auch bei dieser Anhörung anwesend, und er sagte:

„Soweit ich das übersehen kann, sind weder die Eignung von polizeilicher Videoüberwachung im Allgemeinen noch insbesondere die Eignung von polizeilicher Videoüberwachung zur Eigensicherung in präventiver Hinsicht in Deutschland bisher wissenschaftlich belegt worden.“

Zu dieser Aussage muss ich zwei Anmerkungen machen: Erstens. Im Ausschuss herrschte, soweit ich das in Erinnerung habe, zumindest nach meinem Empfinden Konsens darüber, dass wir zunächst einmal die Testläufe der anderen Bundesländer abwarten wollen. Diese Testläufe sind aber noch nicht abgeschlossen. Warum haben Sie also

schon jetzt den Antrag eingebracht, obwohl dieser Schritt noch nicht abgeschlossen ist?

Darüber hinaus wurden diese Versuche auch gar nicht wissenschaftlich begleitet, zumindest nicht unabhängig. Ich möchte einmal ein Beispiel nennen, wozu das führen kann. In der Anhörung und natürlich auch im öffentlichen Diskurs wurde vonseiten der Polizeigewerkschaften und zum Beispiel auch vonseiten des Hessischen Innenministeriums schon vorweg propagiert, dass die Kameras ein voller Erfolg seien, weil die Zahl der Übergriffe auf Beamte zurückgegangen sei. Die Frage ist nur: Ist das so?

Ich hatte dann diesbezüglich eine Frage gestellt; Herr Bolte hatte das gerade auch schon angedeutet: Es gab nämlich eine vollständige Überarbeitung des entsprechenden Einsatzkonzeptes. Anstatt wie vorher vier Streifen à zwei Beamte wurden im Zuge des Einsatzes der Bodycams zwei Streifen à vier Beamte eingesetzt. Wenn ich jetzt als Bürger vier Beamten gegenüberstehe, ist die Bereitschaft für einen Übergriff natürlich deutlich geringer, als wenn ich zwei Beamten gegenüberstehe.

(Lachen bei der SPD)

Das hat aber nicht zwingend etwas mit den Bodycams zu tun. Genau diese Evaluation hat doch gar nicht stattgefunden. Es gibt keine wissenschaftliche Evaluation. Genau das fehlt.

Zuletzt erwiderte der Datenschutzbeauftragte Herr Lepper als Antwort auf die Frage von Herrn Sieveke, ob er sich denn vielleicht zumindest irgendwie vorstellen könne, einen Versuch mit Bodycams zu befürworten, sinngemäß: Die Frage, ob er dies, mit welchen Kautelen auch immer, befürworten würde, müsse er hier mit einem klaren Nein beantworten.

Ich denke, dem ist nichts hinzuzufügen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schatz. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anfang letzten Jahres haben, wenn ich mich richtig erinnere, mit Ausnahme der CDU alle hier im Landtag vertretenen Fraktionen den CDUAntrag, Bodycams in Nordrhein-Westfalen zu erproben, abgelehnt. Hintergrund war eine umfangreiche Expertenanhörung des Innenausschusses, bei der erhebliche Zweifel und wenig Zuspruch vonseiten der von den Fraktionen benannten Experten geäußert worden sind.

Wir haben damals als Landesregierung gesagt, wir würden einen solchen Einsatz nicht kategorisch ablehnen, aber wir bräuchten valide Daten, um über

zeugt zu sein, ob und an welcher Stelle solche Bodycams im polizeilichen Alltag einen Nutzen darstellen.

Wir müssen somit erst einmal definieren, wozu die Kameras eigentlich eingesetzt werden sollen. Wenn sie so eingesetzt werden sollen, wie der CDUAntrag es beschreibt, entsteht es eine unsichere Rechtslage; denn dann wären sie als Mittel der Strafverfolgung und der Beweissicherung zu betrachten. Es gibt jedoch zumindest verfassungsrechtliche Bedenken, ob eine solche Änderung im Polizeigesetz anschließend verfassungsmäßig trägt. Das ist der eine Aspekt.

Wenn man sagt, man wolle sie so einsetzen, wie es in den anderen Bundesländern der Fall ist und wie es zu Beginn des letzten Jahres hier im Plenum diskutiert worden ist – also zur Eigensicherung der Polizeibeamtinnen und -beamten –, dann muss man fragen: Wo sind die Beamtinnen und Beamte den Übergriffen eigentlich ausgesetzt?

Das sind sie in der Mehrzahl nicht bei geschlossenen Einsätzen, also nicht bei Demonstrationen, nicht bei Fußballspielen. Das sind sehr robuste Einsätze, bei denen wir viel für den Eigenschutz der Beamtinnen und Beamten tun.