Protocol of the Session on January 27, 2016

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPDFraktion Herrn Kollegen Yüksel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Statistisch sterben in Deutschland jeden Tag drei Menschen, die vergebens auf ein neues Organ gewartet haben. Derzeit stehen alleine in unserem Land 10.200 Menschen auf der Transplantationsliste und warten auf ein Organ oder sogar auf mehrere Organe.

2015 gab es deutschlandweit nur knapp 880 Organspender. Davon kamen 186 aus NordrheinWestfalen. Noch fünf Jahre zuvor hatten sich noch knapp 1.300 Menschen entschieden, ihre Organe nach ihrem Tod zu spenden, davon 256 in Nordrhein-Westfalen.

Durch eine Organtransplantation kann es gelingen, kranken Menschen zu helfen, deren eigene Organe aufgrund von Unfällen, Infektionen oder Tumorerkrankungen versagen. Eine Organspende ist häufig die einzige Chance, das Leben dieser Menschen zu retten oder wie im Fall von Dialysepatienten ihre Lebensqualität deutlich zu erhöhen.

In Deutschland herrscht jedoch akuter Organmangel. Die Anzahl der Spender reicht bei Weitem nicht aus, um den Bedarf auch nur annähernd zu decken. Es muss also unser Ziel sein, die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung zu erhöhen, insbesondere in Nordrhein-Westfalen.

Umfragen zeigen, dass gut informierte Bürgerinnen und Bürger sich eher für eine Organspende entscheiden und diese Entscheidung auch in ihrem Ausweis festhalten. Bisher haben dies allerdings nur 35 % der Bevölkerung getan.

Um die dokumentierte Spendenbereitschaft zu erhöhen, hat der Bund 2012 die bisherige erweiterte Zustimmungslösung durch die Entscheidungslösung ersetzt. Die Bürgerinnen und Bürger sollen in Zukunft ihre Bereitschaft zur Organspende auf Grundlage umfassender Informationen prüfen und schriftlich dokumentieren, zum Beispiel mit einem Spenderausweis. Die Krankenkassen stellen ihren Versicherten dazu alle zwei Jahre Informationsmaterial und einen Ausweis zur Verfügung.

Mit der Novellierung des Gesetzes zur Ausführung des Transplantationsgesetzes in Nordrhein-Westfalen reagiert die rot-grüne Landesregierung auf die Änderungen im Transplantationsgesetz. Um die Anzahl der Spender auch in Nordrhein-Westfalen zu erhöhen und die Abläufe der Transplantation zu unterstützen, müssen neue Regelungen umgesetzt und Begrifflichkeiten konkretisiert werden. Auch für die Bürgerinnen und Bürger soll eine größtmögliche Transparenz über die Prozesse sichergestellt werden. Gerade in der Vergangenheit gab es ja auch Ereignisse, die die Spendenbereitschaft nicht gerade gesteigert haben.

Im überarbeiteten Gesetzestext haben wir daher klare und nachvollziehbare Zuständigkeiten für die Aufklärung der Bevölkerung getroffen. Eine Konkretisierung der Aufgaben hilft den Bürgerinnen und Bürgern und schafft eine Handlungssicherheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen.

Neben der Klärung von Zuständigkeiten optimieren wir den gesamten Prozess der Organspende. Eine wichtige Rolle werden dabei in Zukunft die Transplantationsbeauftragten spielen.

Diese begleiten den Spendenablauf und sind Ansprechpartner für die Angehörigen in dieser schwierigen Situation. Sie sollen ihre Aufgaben unabhängig wahrnehmen und können von allen weiteren Verpflichtungen in den Krankenhäusern freigestellt werden.

Gleichzeitig stellen wir mit unserem Gesetzentwurf sicher, dass sie für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben über die notwendigen fachspezifischen und fächerübergreifenden Qualifikationen verfügen. In Zukunft gibt es daher eine verpflichtende Regelung zum Nachweis einer Fortbildung zum Thema „Organspende“.

Auch die Kosten der Entnahmekrankenhäuser für die Bereitstellung von Transplantationsbeauftragten, die in der Vergangenheit immer ein Thema waren, werden in der Novellierung mit einem Pauschalbetrag berücksichtigt. Die Höhe der Mittel wird von den Vertragspartnern auf Bundesebene noch festgelegt werden.

Die Transparenz und der Zugang zu Informationen sind gerade bei einem so hochsensiblen Thema wie Organspende wichtig – sowohl zum Treffen von Entscheidungen als auch für die politische Planung. Die Entnahmekrankenhäuser sind deshalb in Zukunft dazu verpflichtet, dem Gesundheitsministerium zu verstorbenen potenziellen Spenderinnen und Spendern sowie zur Zusammenarbeit mit den Koordinierungsstellen und zu den Organentnahmen schriftlich Auskunft zu erteilen. Diese Information soll an zwei Stichtagen im Jahr und im Abstand von sechs Monaten erfolgen.

Kolleginnen und Kollegen, mit dem Vorhaben der rot-grünen Landesregierung schaffen wir die Vo

raussetzungen für ein transparentes Organspendesystem. Ich bin mir sicher, dass dies einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der Spenderzahlen in NRW leisten wird. Deshalb ist dem Gesetzentwurf zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Yüksel. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Burkert.

Herr Präsident! Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Yüksel hat gerade sehr deutlich gesagt, dass wir zwar in medizinischer Hinsicht hervorragende Kenntnisse und in der Forschung rasante Fortschritte haben. Allerdings enden diese Fortschritte dort, wo wir Organe benötigen.

Herr Prof. Dr. Dueck hat auf dem Hauptstadtkongress 2015 in Berlin gesagt, dass wir in einigen Jahren Organe im 3D-Drucker werden drucken können. Das kann eine Vision sein. Aber noch ist es nicht so weit.

Sehr viele Menschen warten auf ein Organ. Viele erreichen die Operation zur Transplantation nicht mehr, weil sie vorher versterben. Herr Yüksel hat die Rückläufigkeit der Zahlen genannt. Hier ist es besonders wichtig, dass wir die Menschen aufklären und dass wir der Bevölkerung sagen, wie wichtig es ist, Organe zu spenden.

Die Umfragen, die in den letzten Jahren immer wieder durchgeführt worden sind, sagen eindeutig, dass die Menschen in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern wie Österreich oder Spanien bereit sind, Organe zu spenden.

Allerdings muss auch untersucht werden, warum die Zahlen so deutlich zurückgegangen sind. Warum sind dann, wenn die Spendenbereitschaft vorhanden ist, so wenige Organe entnommen worden? Wir hatten im Jahr 2011 mit 11.024 den höchsten Stand in den letzten zehn Jahren. Im Jahr 2015 – das sind die neuesten Zahlen – hatten wir nur noch 877. Das ist ein deutlicher Rückgang. Hier harmonieren Aussagen zur Bereitschaft von Bürgern nicht mit den Aussagen der tatsächlichen Zahlen.

Ich fordere für die CDU-Fraktion die Landesregierung auf, eine intensive Öffentlichkeitsarbeit zu machen, wie wir das schon einmal in der Zeit von 2005 bis 2010 hatten,

(Beifall von Walter Kern [CDU])

um die Menschen zu überzeugen, damit die Bereitschaft vorhanden ist, Organe zu spenden.

Herr Yüksel hat auch schon gesagt: Wir müssen aufklären, damit wir den vielen Menschen, die auf ein Organ warten, helfen können. – Das ist ein ganz wichtiges Ziel. Wir müssen bei dieser Aufklärung den Menschen die Angst nehmen, die teilweise im

mer wieder in die Welt gesetzt wird, etwa durch Horrormeldungen, die an uns gelangt sind, vor allen Dingen im letzten Jahr, nachdem die Organspendenskandale bekannt wurden, in denen es hieß, dass Menschen, die noch nicht verstorben waren, Organe entnommen wurden. Hier ist sehr wichtig, dass ein weiterer Arzt in der Gegenkontrolle untersucht, ob ein Patient wirklich den Hirntod erlitten hat, bevor die Organe entnommen werden können.

Ich fordere deshalb noch einmal alle Fraktionen im Landtag auf, gemeinsam dafür zu kämpfen und sich dafür einzusetzen, Aufklärung zu betreiben. Ich hoffe, dass die Gesundheitsministerin zusammen mit den Krankenkassen entsprechende Mittel bereitstellt, um die Menschen aufzuklären, damit wir genügend Organe für diejenigen haben, die lebensnotwendig darauf angewiesen sind.

Wir werden diesem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall von der CDU und Arif Ünal [GRÜNE] – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Burkert. – Herr Ünal spricht nun für die grüne Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich kann es wirklich sehr kurz machen. Meine Vorredner haben anhand der Zahlen dargelegt, wie wichtig das ist.

Wie Sie wissen, sind auf der Bundesebene am 1. August 2012 das Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes und am 1. November 2012 das Gesetz zur Regelung der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz in Kraft getreten. Wichtigste Regelungen waren in diesem Zusammenhang die Umsetzung der Entscheidungslösung, zum Beispiel die Aufklärungsmaßnahmen und die verpflichtende Bestellung von Transplantationsbeauftragten sowie die Regelung der wesentlichen Aufgaben, Pflichten und Qualifikationen der Transplantationsbeauftragten.

Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Transplantationsgesetzes vorzulegen, um die Regelungen des Transplantationsgesetzes auf der Landesebene umzusetzen und einige Punkte zu konkretisieren.

Wir haben im Ausschuss öfters über den Rückgang der Spendenbereitschaft diskutiert. In diesem Zusammenhang haben wir die organisatorische Dreiteilung des Organtransplantationsprozesses immer begrüßt. Sie lautet: Organentnahme, Organvermittlung und die eigentliche Transplantation.

In diesem System spielt die Organentnahme natürlich eine wesentliche Rolle. Deshalb ist es dringend notwendig gewesen, Regelungen zu treffen, um die

Organentnahme und damit auch insgesamt den Organtransplantationsprozess zu unterstützen. Wir hoffen, dass damit die Bereitschaft der Bevölkerung zunimmt und Zehntausende Menschen, die auf ein Organ warten, behandelt werden können.

Im vorliegenden Gesetzentwurf werden besonders die Sicherstellung der Qualifikation der Transplantationsbeauftragten sowie die Sicherstellung des Erfordernisses nach aktuellen Daten und Transparenz geregelt.

Meine Damen und Herren, in der Verbändeanhörung gab es keine großen Änderungsvorschläge zum Gesetzentwurf. Deshalb haben wir im Fachausschuss einvernehmlich auf eine Anhörung verzichtet und dem Gesetzentwurf zugestimmt. Von daher gehe ich davon aus, dass wir diesen Gesetzentwurf heute einstimmig verabschieden werden. Ich hoffe, dass dadurch mehr Organe gespendet werden und Menschen geholfen werden kann, die seit Jahren auf ein Organ warten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Ünal. – Die FDP-Fraktion wird nun von Frau Schneider vertreten.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Transplantationsausführungsgesetz haben wir jetzt schon viel Richtiges gehört. Ein wichtiger Punkt darin ist natürlich das Thema „Organspende“, das durchaus etwas mehr Aufmerksamkeit verdient.

Organspende kann Leben retten. Die Transplantation von Organen Verstorbener ist bei etlichen Krankheiten die einzige mögliche Therapieform. Doch die Zahlen der Unterversorgung mit Organen sind ernüchternd. Bundesweit stehen mehr als 10.000 Patientinnen und Patienten auf der Warteliste für eine Transplantation. Immer noch warten viele vergebens. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation sterben statistisch gesehen täglich drei von ihnen, weil für sie nicht rechtzeitig ein passendes Organ verfügbar ist.

Oft kann eine Organentnahme nicht erfolgen, weil die Zustimmung nicht rechtzeitig geklärt werden kann. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wären zwar 74 % der Deutschen grundsätzlich zu einer Organ- und Gewebeentnahme nach dem Tod bereit, allerdings besitzen nur etwa 35 % einen Organspendeausweis. So liegt die Entscheidung über eine Organspende meist bei den Angehörigen, weil der Verstorbene seine Entscheidung nicht dokumentiert hat. Dies ist für viele Angehörige in einer ohnehin schon sehr schwierigen Situation sehr belastend.

Wir wollen deshalb, dass mehr Menschen einen Spenderausweis bei sich tragen. Dazu benötigen wir eine umfangreiche Aufklärung über den Ablauf der Organspende und über die möglicherweise bestehenden Bedenken. Wir dürfen nicht zulassen, dass die unverantwortlichen Manipulationen von Wartelisten durch einzelne wenige Ärzte dazu führen, dass die Bereitschaft zur Organspende sinkt.

Der Deutsche Bundestag hat 2012 mit den Stimmen der FDP die Verpflichtung eingeführt, dass alle Bürgerinnen und Bürger ab 16 Jahren regelmäßig von ihren Krankenkassen per Post angeschrieben, über die Organspende informiert und zum Ausfüllen eines Organspendeausweises aufgefordert werden. Dies lässt natürlich jedem die Möglichkeit offen, der Organspende auf dem Ausweis zu widersprechen oder gar keine Entscheidung zu treffen. Es ist aber ein Schritt in die richtige Richtung.

Ich möchte heute gerne für diese Organspende werben. Ich selbst habe einen Organspendeausweis. Und Sie? – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Düngel.