Protocol of the Session on January 27, 2016

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Die Aufnahme von Flüchtlingen war für uns kein Grund zum Jubeln, sondern eine tiefe humanitäre Pflicht. Die besteht auch weiterhin. Gerade an einem Datum wie dem heutigen – die Frau Präsidentin hat ja dazu eben vorzüglich ausgeführt – müssen wir uns dessen auch bewusst sein. Es gibt eine humanitäre Pflicht. Aber es gibt keinen Grund für die Euphorie.

So wie wir in den Zeiten der Euphorie für Vernunft und klare Regeln eingetreten sind, so fordern wir auch in Zeiten von Angst und Verunsicherung jetzt vernünftiges Handeln ein.

Darum, meine Damen und Herren, brauchen wir jetzt eine klare Wende in der Flüchtlingspolitik hier bei uns in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall von der FDP)

Die Aussage der Kanzlerin „Wir schaffen das, weil wir ein starkes Land sind“ ist deshalb eine Anmaßung, weil bis heute ein durchsetzungsfähiges Konzept fehlt.

(Armin Laschet [CDU]: Ihr habt es nicht ver- standen!)

Die Bürger verlieren das Vertrauen, weil trotz weiter hoher Zugangszahlen die Große Koalition streitet statt zu handeln. Der Vize-Vorsitzende der CDU ist ja hier auch anwesend. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die tägliche Vorführung, die wir alle erleben müssen, die täglichen Auseinandersetzungen zwischen CDU und CSU, zum Beispiel um Symbolthemen wie rechtlich und praktisch mehr oder weniger nicht durchführbare Obergrenzen, wirklich erbärmlich sind und dazu führen, dass die Bevölkerung zunehmend das Vertrauen in die Lösungskompetenz dieser Bundesregierung verliert.

(Beifall von der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

Aber, meine Damen und Herren, die Auseinandersetzungen, die wir hier um Einreisezentren oder Transitzonen gehabt haben, die ja hier auch von Herrn Römer, von Herrn Mostofizadeh und anderen geführt worden sind, sind ja nicht wesentlich besser gewesen.

Es muss doch endlich darum gehen, klarzumachen, dass gehandelt wird, dass man sich auf Kompromisse einigt. Wir reden alle hier immer davon, wie wichtig es ist, Verfahren zu beschleunigen. Ich rufe

diejenigen, die an der Gesetzgebung beteiligt sind, dazu auf, mal selber ihre Verfahren für eine Kompromissfindung zu beschleunigen. Das wäre der erste richtige Schritt. Es kann doch nicht ernsthaft sein, dass das Asylpaket II im Kabinett immer noch nicht beschlossen worden ist. Wenn wir in dem Tempo weitermachen, dann wird das Vertrauen der Bevölkerung in die Handelnden weiter sinken, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und Werner Jostmeier [CDU])

Die Bürgerinnen und Bürger werden auch von dem völlig unterschiedlichen Verhalten der Parteien verunsichert. Wir erleben auf der einen Seite die Sozialdemokraten, die sich dem Kompromiss beim Asylpaket II verweigern, aber an der Basis in Essen auftreten wie Pegida. Wie wollen Sie das jemandem vernünftig erklären? Ich bitte darum, Herr Körfges, dass Sie auch hier gleich in der Debatte eindeutig feststellen, wie Sie dazu stehen.

Ich sage auch, meine Damen und Herren: Die Grünen sind dann nicht Teil der Lösung, wenn es so weitergeht, dass immer dann, wenn es um Verfahrensbeschleunigung, wenn es um Vorschläge zur Verfahrensstraffung geht, mit der Blockade im Bundesrat gedroht wird.

(Beifall von der FDP)

So sind Sie nicht Teil der Lösung. Wo ist denn eigentlich Ihr Gestaltungsanspruch? Es kann doch nicht wahr sein, dass man jedes Mal auf Herrn Kretschmann warten muss.

Konsens ist immer nur dann zu vernehmen, wenn von der Bekämpfung der Fluchtursachen und von der Sicherung der europäischen Außengrenzen die Rede ist. Für beides stehen wir selbstverständlich auch ein. Da haben Sie uns an Ihrer Seite.

Aber machen wir uns doch nichts vor. Es wird nicht kurzfristig die Abschaffung der Fluchtursachen geben können. Wir werden auch die europäischen Grenzen nicht von heute auf morgen sichern. Wir drücken der Kanzlerin alle die Daumen für den nächsten europäischen Gipfel. Aber wenn wir ehrlich und realistisch sind, dann wissen wir doch, dass es dort keine schnellen Lösungen geben wird.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Deswegen, meine Damen und Herren, werden wir darüber sprechen müssen, wie es weitergeht. Denn es muss ein internationales Signal geben,

(Armin Laschet [CDU]: Wie denn?)

dass das deutsche Asylrecht kein genereller Einwanderungsparagraf ist.

(Armin Laschet [CDU]: Wie denn?)

Sie fragen, Herr Laschet, wie das gehen soll. Wir alle wissen, dass Dublin III in der jetzigen Form ext

rem problematisch ist. Wir haben frühzeitig die Bundesregierung

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

darauf hingewiesen, dass wir Veränderungen brauchen. Ihre Partei, Ihr Innenminister de Maizière ist doch derjenige gewesen,

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

der die ganze Zeit an Dublin III festgehalten hat. Aber jetzt, wenn es um die Reformen geht,

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

müssen wir erkennen, dass es immer noch europäisches Recht ist. Dann muss es eben jetzt angewandt werden,

(Beifall von der FDP)

bis die europäischen Partner sich bereiterklären. Ihre Kanzlerin hat uns in Europa isoliert. Wenn sie ihre Leute nicht eingefangen kriegt, dann muss jetzt eben geltendes europäisches Recht angewandt werden, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP – Armin Laschet [CDU]: Was ist aus euch geworden?!)

Es ist selbstverständlich für uns, dass wir keine Familien mit kleinen Kindern aus Kriegsgebieten zurück auf die Balkanroute schicken.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Aha!)

Das ist für uns klar. Da haben wir eine humanitäre Verpflichtung. Aber zum jetzigen Zeitpunkt sind noch etwa 70 % derjenigen, die zu uns kommen, allein reisende Männer. Wenn wir hierbei von der Europäischen Gemeinschaft im Stich gelassen werden, muss man eben auch diesen sagen, wenn sie aus dem …

Die Redezeit.

Ich komme gleich zum Schluss.

Dann muss man diesen sagen, dass sie in einem sicheren Drittstaat, über den sie eingereist sind, ihren Asylantrag stellen müssen. Das ist geltendes europäisches Recht.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Wir wollen ein anderes europäisches Recht. Aber das geht eben nur, wenn die anderen Europäer mitmachen. Darauf müssen wir hinarbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Körfges.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss schon vorsichtig sagen: Der Anspruch, den die antragstellende Fraktion für diese Aktuelle Stunde an die Bundesregierung und an viele andere stellt, ist ein hehrer Anspruch. Wenn ich mir Ihre Begründung für die Aktuelle Stunde oder gar Ihren Redebeitrag, Herr Dr. Stamp, anschaue, kann ich nur sagen: Dem Anspruch werden Sie mit dem, was Sie hier vorgetragen haben, in keiner Weise gerecht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Mit Ausnahme des Daumendrückens für die Bundeskanzlerin habe ich keinen konkreten sachlichen Beitrag zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen gehört.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich darf fragen: Ist das, was wir dann mit Ihnen besprechen sollen, nicht eher der Tatsache geschuldet, dass Sie in Berlin – man weiß, warum – nicht mehr vorkommen und dann versuchen, hier in Nordrhein-Westfalen durch überflüssige Debatten auf sich aufmerksam zu machen? Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, das kann man nach dem Wortbeitrag von Herrn Dr. Stamp nur unterstreichen.

(Zurufe von der FDP)