Die Zahl der Anzeigen steigt von Tag zu Tag weiter. Das Ausmaß der Taten wird immer deutlicher. Sie alle haben den Bericht in seinen verstörenden Details gelesen, die man nicht einmal zitieren will. Ein Polizist schildert:
„Frauen mit Begleitung oder ohne durchliefen einen im wahrsten Sinne Spießroutenlauf, wie man es nicht beschreiben kann.“
„Schon als wir auf dem Bahnhofsvorplatz ankamen, habe ich plötzlich nur noch Männer gesehen. Es waren Hunderte. Und sie haben uns behandelt wie Freiwild.“
Das sind traumatische Erfahrungen der direkt betroffenen Frauen und Polizisten. Im ganzen Land, an jedem Ort wird über diesen Vorgang in Köln debattiert – zu Recht, denn das, was in Köln passiert ist, hätte nicht passieren dürfen. Die Vorkommnisse in Köln werden uns noch lange beschäftigen.
Die Folgen sind bereits jetzt sichtbar. Diese Folgen muss man wahrnehmen, wenn man Konsequenzen ziehen will. In Düsseldorf patrouillierte am letzten Wochenende zum ersten Mal eine Bürgerwehr. Eine Kölner Bürgerwehr sucht über Facebook nach Kampfsportlern, Bodybuildern und Türstehern, um auf Streife zu gehen. Menschen mit Zuwande
rungsgeschichte, die etwas anders aussehen, als Menschen sie sich vorstellen, sind Anfeindungen ausgesetzt.
Ja, so denken die Täter. Sie müssen das wahrnehmen. Das ist doch eine der Folgen der Ereignisse dieser Nacht, dass Zuwanderer, die eine andere Hautfarbe haben, nicht mehr sicher durch Köln gehen können, weil Rechtsradikale sie angreifen.
Das ist doch eine der Folgen davon, die wir jetzt möglichst gemeinsam bewältigen müssen. Wir müssen die Anfeindungen wieder zurückführen. Menschen, die anders aussehen, werden krankenhausreif geschlagen. Das ist seit Silvester in einer Stadt, die eine der tolerantesten in ganz Deutschland ist, zur Realität geworden.
Die Anzahl der Verkäufe von Pfefferspray steigen an. Die Kölner Polizei sagt, es gibt so viele Anträge auf einen kleinen Waffenschein, dass sie den Bürgern empfiehlt, den kleinen Waffenschein dort zu beantragen, wo sie wohnen. Sie können die Anträge nicht mehr bewältigen. Selbstverteidigungskurse für Frauen sind an manchen Orten ausgebucht. Und rechte Populisten nutzen im Netz diese Kölner Nacht, um gegen Schutzbedürftige in unserem Land und gegen die Flüchtlingspolitik zu hetzen.
Das ist das Ergebnis einer Silvesternacht in Nordrhein-Westfalen. Und das ist ein verheerendes Ergebnis, das wir heute zu attestieren haben.
Was in den betroffenen Frauen, den Opfern dieses Abends, vorgeht, wenn sie jetzt aus dem Haus gehen, das können wir gar nicht ermessen. Der Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Sicherheitsbehörden und die innere Sicherheit in unserem Land ist immens.
Und was muss die Politik tun? – Aufklären, Gegenmaßnahmen diskutieren und umsetzen. Deshalb haben wir die Sondersitzung des Innenausschusses beantragt, die in dieser Woche stattgefunden hat. Der Landtag als Volksvertretung ist das Forum für Antworten. Die Sitzung am Montag wäre die Chance für den Innenminister gewesen, endlich reinen Tisch zu machen.
Stattdessen gab es einen zackigen Auftritt wie eh und je. Als Ressortchef hat er die gesamte Verantwortung nach unten weggedrückt. Das ist nicht das richtige Verhalten!
Herr Jäger ist ein Situationsethiker. Er überlegt sich seine Maßstäbe je nachdem, wie es in die Landschaft passt.
Er hatte einmal den Maßstab, der unter Demokraten eigentlich normal ist, nämlich den der Ressortverantwortlichkeit. Wir erinnern uns an die diversen Rücktrittsforderungen, meistens von diesen Plätzen
Die meisten Fälle kennen Sie alle; es sind ca. zehn an der Zahl in wenigen Jahren. Ein Fall war, dass die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach im August 2009 Akten verloren hatte, was ein schlimmer Vorgang war. Er sagte dann – ich zitiere wörtlich –: Die Ministerin …
Die Zuschauer, die diese Debatte verfolgen, können ihre lachenden Gesichter nicht sehen. Ich weiß nicht, ob es angemessen ist, an einem solchen Tag in großes Gelächter auszubrechen,
wenn der Hinweis darauf erfolgt, dass in Mönchengladbach Akten verloren gegangen sind. Aber Sie können sicher sein: Auch wenn Sie lange lachen und stören, werden Sie es nicht verhindern, dass ich das Zitat von Herrn Jäger, von dem Sie ahnen, dass es jetzt kommt, hier vorlesen werde. Deshalb: Je weniger Sie lachen, desto schneller kommt es, und der Vorgang ist für Sie vorbei. Das Zitat lautet:
„Die Ministerin versucht abermals, die Verantwortung für die skandalösen Zustände in der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach auf nachgeordnete Beschäftigte abzuwälzen.“ – Sie ist eine Gefahr für die innere Sicherheit in Nordrhein-Westfalen.
Meine Damen und Herren, liebe Kollegen, da waren ein paar Akten verloren gegangen. Was war denn dann die Silvesternacht mit den Skandalen für ein Vorgang der inneren Sicherheit!?
„… auf nachgeordnete Beschäftigte abzuwälzen.“ – Was war denn diese Tirade im Innenausschuss in dieser Woche anderes? Wir kennen das Prinzip.
Nach den Misshandlungen von Flüchtlingen in Burbach im September 2014 sagte der Minister noch: Ich übernehme keine Verantwortung, ich habe sie. – Aber in der Folge dieses Ereignisses, im nicht enden wollenden Chaos Ihrer Flüchtlingspolitik, hat er gemeinsam mit der Frau Ministerpräsidentin stillos den Regierungspräsidenten Bollermann vorzeitig aus dem Amt befördert.
Heute sagt der Minister, Frau Ministerpräsidentin, er habe keine operative Verantwortung getragen. – Ja, das ist wahr. Das ist nun eine wirkliche Binsenweisheit, dass ein Innenminister keine operative Verantwortung hat und dass er auch nicht auf der Kölner Domplatte stehen muss. Aber der Kölner Polizeipräsident hat auch nicht auf der Kölner Domplatte gestanden. Der hatte in dem Moment auch keine operative Verantwortung,
aber trotzdem haben Sie gesagt: Ich entlasse diesen Polizeipräsidenten, um einen Neuanfang möglich zu machen. Wie wird denn der Neuanfang in Nordrhein-Westfalen möglich gemacht, wenn Sie weiterhin auf diesem Stuhl sitzen?
Dann haben Sie Ihr Amt erklärt. – Ich möchte noch einmal daran erinnern, wie das in Oppositionszeiten war; es ist immer weniger geworden. – Die letzte Amtserklärung lautet: Ich bin ja auch kein Gesundheitsminister, der Blinddarmoperationen durchführt. – Sie haben sich entschuldigt, Herr Minister, für die Banalisierung der Straftaten gegenüber den Frauen. Dafür habe ich vollen Respekt, dass Sie das getan haben.
Aber Sie haben Ihr Amtsverständnis nicht klargestellt. Das sind Ihre Beschäftigten, Sie sind der Dienstherr. Die Gesundheitsministerin ist nicht die Dienstherrin von jedem Arzt in Nordrhein-Westfalen, aber Sie sind der Dienstherr der Polizei. Und politische Verantwortung tragen Sie!
„Ich habe die Macht und die Aufgabe, als Vertreterin des Staates dafür zu sorgen, dass so etwas nicht geschieht.“
Dann frage ich mich: Wenn Sie die Macht haben, die Aufgabe haben, warum haben Sie es dann nicht getan? – Das, was Sie heute hier vorgetragen ha