Protocol of the Session on December 17, 2015

Wir kommen – drittens – zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/5749. Der Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung empfiehlt in Drucksache 16/10438 unter Nummer 2, den Antrag in der Fassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über Nummer 2 der Beschlussempfehlung, nicht über den Antrag.

Wer also Nummer 2 der Beschlussempfehlung zustimmen möchte, bitte ich um das Handzeichen. – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und die Piraten. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Damit ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis

Nummer 2 der Beschlussempfehlung Drucksache 16/10438 angenommen und der Antrag Drucksache 16/5749 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses für Innovation, Wissenschaft und Forschung angenommen.

Ich rufe auf:

7 Investitionen und Unternehmensgründungen

in Nordrhein-Westfalen: Subsidiarität stärken, Förderinstrumente verzahnen, Beratungsangebote an tatsächlichen Bedürfnissen der Unternehmen ausrichten!

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/8123

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk Drucksache 16/10439

Ich weise darauf hin – auch das ist Ihnen zwischenzeitlich bekannt gegeben worden –, dass sich alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen darauf verständigt haben, die Behandlung des Antrags der Fraktion der CDU Drucksache 16/8123 auf die nächste Plenarsitzung im Januar 2016 zu verschieben. – Da sich kein Widerspruch dagegen erhebt, verfahren wir so.

Ich rufe auf:

8 Abschiebung in Verfolgung, Hunger, Kälte

und Not stoppen – NRW muss die Abschiebung von Flüchtlingen in den Westbalkan über den Winter aussetzen

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/10297

Ich eröffne die Aussprache. Für die Piratenfraktion hat Frau Kollegin Brand das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer! NRW schiebt Jahr für Jahr gnadenlos ab – Erlasse hin oder her und völlig egal, ob in 40 Grad ohne Wasser oder in minus 20 Grad ohne Heizung und Decke. Es gibt Leute, die sagen: Jetzt ist auch alles anders als in den vergangenen Jahren. Die Welt ist im Aufbruch.

Aber für die Menschen aus dem Westbalkan ist doch alles gleich. Die Situation vor Ort hat sich für die Abgeschobenen nicht geändert. Das hat doch gerade auch Ihr Kosovo-Kongress im Winter 2012 gezeigt. Es wurde von Traumatisierungen berichtet. Ein Kind erzählte, dass es im Leben nichts Schlimmeres als die Abschiebung erlebt hat. Es wurde von Rückkehr in ungeheizte Baracken ohne fließendes Wasser berichtet. Es gibt keine Perspektive auf Arbeit, keine Zukunft, nur Hoffnungslosigkeit und dazu offene Feindseligkeiten für die Rückkehrer und noch stärkere Repressionen.

In der Kommunikation der CDU und anderer Abschiebefreunde wird uns vorgetäuscht, dass unsere Systeme mit der Abschiebung in die sogenannten sicheren Herkunftsländer entlastet würden. Dabei kommen aktuell weniger als 2 % der Flüchtenden aus dem Westbalkan. Wir haben also keine Entlastung für die Gesellschaft, aber für jeden einzelnen Abgeschobenen eine menschliche Katastrophe. Abschiebungen sind grundsätzlich immer schrecklich und abzulehnen.

(Beifall von den PIRATEN)

Noch unmenschlicher und grausam wird es aber, wenn in die Kälte des Winters abgeschoben wird.

Meine Damen und Herren, wo soll denn die Reise hingehen? Wo sehen Sie in dieser globalisierten Welt Deutschland in fünf Jahren? In einer Welt, in der jeder mit jedem kommunizieren und Handel treiben darf, nur sich frei bewegen und arbeiten darf man nicht, wie es seit vielen Jahrhunderten während der Völkerwanderung geschehen ist? Wollen Sie die Festung Deutschland? – Ich denke nicht.

Fassen Sie sich ein Herz und vergessen Sie auch in diesen Zeiten der wahrlich großen Herausforderungen nicht die Menschen, die nichts für die dramatische Situation im Rest der Welt können!

Wir haben aktuell erfahren, dass es wohl morgen, an einem muslimischen Feiertag, vom Düsseldorfer Flughafen aus Abschiebungen von Menschen in den Kosovo geben soll.

Mit diesem Ausblick wünsche ich Ihnen besinnliche und frohe Feiertage in Ihren sicherlich warmen Wohnungen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Brand. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Körfges.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Brand, ich hatte eigentlich vor, mit der einleitenden Bemerkung zu beginnen, dass es Anträge gibt, deren Symbolcharakter einem gefällt und die man trotzdem ablehnen muss, während man sich über politische Initiativen mit einem unsäglichen Symbolcharakter ärgert, die von anderer Seite des Hauses an uns herangetragen werden.

Allerdings waren Ihre Worte – in Anbetracht der konkreten Art und Weise der in NordrheinWestfalen gelebten Praxis bei der Rückführung von Menschen – nach meinem Dafürhalten ein wenig unangemessen und sind dem Ernst der Lage der Menschen, denen Sie, denen wir helfen wollen, nicht gerecht geworden. Insoweit glaube ich, man muss bei aller Ernsthaftigkeit, wie man hier mit dem Thema umgeht, gerade wenn man betroffen ist, bei seiner Wortwahl etwas vorsichtiger sein. Ich fand das eine oder andere Ihres Beitrags – vorsichtig ausgedrückt – etwas übertrieben,

(Zuruf von den PIRATEN: Was kann daran übertrieben sein?)

weil wir uns in vielen Punkten durchaus mit Ihrem Anliegen, Ihren Gedanken identifizieren können. Aber wir reden nicht nur darüber, sondern in Nordrhein-Westfalen wird an der Stelle vieles getan.

Die Praxis in Nordrhein-Westfalen – in vielen Ausländerbehörden, aber auch im Bereich der Landesregierung – respektiert durchaus die humanitär schwierige Situation im Einzelfall und wird ihr in aller Regel gerecht.

Dabei gehen auch wir davon aus, dass die Lebenssituation von vielen Roma, Ashkali und Ägyptern in ihren Herkunftsländern, insbesondere in den sogenannten Westbalkanstaaten, in den Blick genommen werden muss.

Auch ich teile Ihre Ansicht, dass sich insbesondere in den Ländern Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien trotz der Klassifizierung als sichere Herkunftsländer noch dadurch besondere Schwierigkeiten bei der Rückführung für die betroffenen Menschen ergeben, als dort viele Menschen ausgegrenzt, gesellschaftlich geächtet und in einer unbarmherzigen Art und Weise von der Gesellschaft behandelt werden.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Ganz genau!)

Dies ergibt jedoch nach geltender Rechtsprechung und aufgrund unserer Rechtslage trotz und alledem noch keine dauerhafte Aufenthaltsperspektive in der Bundesrepublik Deutschland. Deshalb muss man im Einzelfall bei der Rückführung bzw. bei der Abschiebung mit aller gebotenen Sensibilität vorgehen.

Was von Ihnen generell als ablehnungswert empfunden wird, können wir jedoch nicht teilen. Wir haben uns gestern in einem anderen Zusammenhang über die Abschiebung als Ultima Ratio unterhalten. Auch wir ziehen alle anderen Formen der Rückkehr vor, aber das geht nicht in jedem einzelnen Fall. Daher kann ich Ihrer Ansicht nicht beipflichten, dass man Abschiebungen insgesamt ächten muss.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Sie müssen nicht abschieben!)

Man muss allerdings alle infrage kommenden humanitären Aspekte berücksichtigen. Ich bin mir sicher, dass dies in Nordrhein-Westfalen getan wird. Ich verweise in diesem Zusammenhang insbesondere auf den Sensibilisierungserlass, der bei uns immer noch geltende Praxis darstellt und der von der anderen Seite in diesem Haus vielfach diskreditiert wird.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Sagen Sie uns doch mal, wie der angewendet wird! Wir ha- ben keine Zahlen! Nichts!)

Lassen Sie mich das zum Anlass nehmen, noch ein paar Worte zum sogenannten „Aktionsplan Rückkehr“ zu verlieren. Schon die Bezeichnung finde ich ausgesprochen schwierig. Darin wird in einer Art und Weise über humanitäre Aspekte hinweggewischt, dass man hier von Symbolpolitik – allerdings von einer sehr negativen Symbolpolitik – sprechen muss.

Ich komme auf Punkt 6 des CDU-Positionspapiers zurück. Da steht wörtlich in der Überschrift: „Landesregierung muss abschiebungshinderliche Erlasse zurücknehmen“. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, an dieser Stelle vermitteln Sie den fatalen Eindruck, als sei die Abschiebung im Landesinteresse und im Interesse der Menschen wünschenswert. Ich finde das abscheulich und ekelerregend.

(Vereinzelt Beifall von der SPD – Frank Herrmann [PIRATEN]: Das hat nichts mehr mit unsrem Antrag zu tun! – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Ich darf zum Abschluss allerdings noch darauf hinweisen, dass die Instrumente „Winterabschiebeerlasse“ und „Abschiebestopps“, wenn ich richtig informiert bin, derzeit in keinem einzigen Bundesland mehr Anwendung finden.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das erklären Sie mal den Bürgermeistern! – Simone Brand [PIRATEN]: Das ist schlimm genug!)

Selbst der thüringische Ministerpräsident Ramelow hat sich nach meinen Informationen eindeutig geäußert.

Ich bin durchaus an Ihrer Seite, wenn es darum geht, humanitäre Aspekte zu berücksichtigen, und zwar ganzjährig. Auf der anderen Seite muss ich schon aus Vernunftgründen sagen: Eine generelle Ächtung der Abschiebung als Ultima Ratio ist mit uns nicht zu machen.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Im Winter schon! Nordrhein-Westfalen hat es schon gemacht und kann es wieder machen!)

Insoweit werden wir bei aller Sympathie für die Einbeziehung von humanitären Aspekten Ihrem Ansinnen leider nicht zustimmen können. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Körfges. – Als nächster Redner kommt Herr Kollege Kuper für die CDU-Fraktion zum Pult.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Die Maßnahmen im Asylrecht betreffen Menschen mit sehr unterschiedlichen Biografien und sehr unterschiedlichen Lebenswegen.

Wir werden mit dem Grundrecht auf Asyl und den Asylgesetzen vielen Menschen helfen können. Zur Wahrheit gehört aber dazu, dass dies nicht für alle gilt. „Asyl- und Flüchtlingspolitik“ heißt auch, unterschiedliche Schicksale unterschiedlich zu behandeln. Bei uns ist dies in Form eines rechtsstaatli