Protocol of the Session on August 28, 2008

(Heiterkeit von Ralf Witzel [FDP])

Ich kann Sie beruhigen: Sie wissen ja, welches Schicksal Rumpelstilzchen ereilt. Dann sind Sie das Geschrei in der Koalition bald los. Das tut uns allen sehr gut.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wenn Sie, meine Damen und Herren, wirklich sachliche und fundierte Informationen über Gesamtschuloberstufen haben wollen, dann gehen Sie morgen in die Pressekonferenz mit Prof. Bellenberg und halten Sie sich nicht beim Bildungstaliban Witzel auf, den man so nennen muss angesichts dessen, wie er sich hier gerade aufgeführt hat.

(Heiterkeit und Beifall von GRÜNEN und SPD)

Die Ministerin problematisiert den Unterschied von 0,28 Notenpunkten zwischen dem Abiturdurchschnitt von Gymnasiast(inn)en und Gesamtschulabsolvent(inn)en. Donnerwetter! Ist es nicht die Funktion eines Zentralabiturs, Leistungsunterschiede festzustellen? – Ja! Und genauso gilt: Ein Abitur ist bestanden, wenn es mit einem Schnitt von 2,59 oder 2,87 abgelegt worden ist. Das ist dann kein „Abitur light“, das ist ein vollwertiges Abitur. Sie haben Hand angelegt, den Gesamtschüler/-innen dieses zu nehmen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es darf aber niemandem egal sein, mit welcher Bildungsbiografie die Schüler/-innen diese Leistungen erzielt haben, ob die Schulen den Kindern erfolgreiche Chancen bieten, denen man beim Verlassen der Grundschule das Erreichen des Abiturs überhaupt nicht zugetraut hat.

Ich kann das häufig vorgebrachte Argument einer schwierigeren Sozialstruktur der Schüler an Gesamtschulen nicht mehr hören. Was ist das für eine Einstellung, wenn man die Schuld an den Problemen auf die Herkunft der Schüler abwälzt?

Sagen Sie das eigentlich auch gegenüber den Hauptschulen? Da reden Sie doch genau andersherum, betonen die Herausforderung, wertschätzen die Integrationsleistung, stecken zusätzliche Ressourcen hinein. Das gilt nicht für Gesamtschu

len – nur weil es der gelben ideologischen Denke nicht in den Kram passt? Ich kann hier in der Tat nicht von schwarz-gelber Denke sprechen; denn vor Ort wissen die CDU-Kolleg/-innen die Arbeit der Gesamtschulen sehr genau zu schätzen und haben zum Teil selbst ihre Kinder dort. Auf den Fluren hier rumort es auch gewaltig.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wer hat Ihnen so fatal die Feder geführt?

Der Integrationsbericht hat es auf den Punkt gebracht: 2007/2008 lag der Anteil von ausländischen und ausgesiedelten Schüler/-innen an den Gesamtschulen bei 19,1 %, an den Gymnasien bei 5,7 %. Natürlich ist zudem die Sozialstruktur der Kinder von Migrant(inn)en am Gymnasium eine andere als die an Gesamtschulen. Das müsste Ihnen auch klar sein. Wo ist eigentlich die Fachfrau Barbara Sommer geblieben? Mussten Sie all das zur Seite packen? Das ist wirklich unglaublich! Die mangelnde Wertschätzung für schulische Arbeit, die sich dadurch ausdrückt, ist fatal.

Frau Ministerin, warum fragen Sie eigentlich nicht danach, warum Gymnasien, die vom sogenannten Creamingeffekt profitieren, nämlich vorrangig die leistungsstarken Kinder ziehen und vorrangig die sozial bessergestellten und bildungsnahen Familien ansprechen, mit ihren Abiturergebnissen nicht viel weiter vorne sind? Da gäbe es wohl einiges zu diskutieren. 0,28 Notenpunkte Unterschied, mehr gibt es nicht.

In ihrer Pressekonferenz bringt die Ministerin ausnahmslos Daten – bezogen auf die Gesamtschulen –, die negativ erscheinen. So nennt sie zum Beispiel als Beleg für scheinbar zu gute Notenvergabe die 200 Leistungskursklausuren in Physik. Diese Klausuren machen bei den über 13.000 gestellten Klausuren an Gesamtschulen gerade einmal 1,5 % aus. Im Fach Deutsch werden 28 % aller Klausuren geschrieben. Hier erzielten die Gesamtschüler/-schülerinnen im Zentralabitur bessere Noten als vorher. Dieser Sachverhalt wird von der Ministerin allerdings verschwiegen.

Bei den von der Ministerin veröffentlichten Zahlen sind bei 78 % der Gesamtschulnoten die Unterschiede – positiv wie negativ – zwischen den Notenpunkten der Qualifikationsphase und den Notenpunkten des Zentralabiturs mit 0,1 bis 0,4 Notenpunkten so lächerlich gering, dass sie sich nicht einmal in einer Notentendenz ausdrücken. Das ist die Wahrheit

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

und nicht das, was Sie tendenziös herausgearbeitet haben.

Das faktisch durchweg positive Bild der Ergebnisse der Gesamtschulen passt offensichtlich nicht ins schwarz-gelbe Feindbild. Deswegen werden mit ideologischer Brille nur die Zahlen erwähnt, die Ihnen ins Konzept passen. Das nenne ich bewusstes Verdrehen der Tatsachen. Deswegen müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, einer ideologisch motivierten Kampagne das Zugpferd zu geben. Frau Ministerin, ich finde, das ist unter Ihrer Würde, und das führt zu Enttäuschung und Empörung bei Gesamtschuleltern, bei Gesamtschulschüler/-innen, bei den Kolleg(inn)en.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Sie haben eine Menge auszubessern; Sie haben es ordentlich versemmelt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer.

Meine Damen und Herren, ich darf kurz unterbrechen: Ich freue mich darüber, dass ein Kollege der Nationalversammlung der Republik Weißrussland, Belarus, heute unter uns ist. Ich begrüße sehr herzlich den Vorsitzenden des Hauptausschusses, Herrn Abgeordneten Marachin.

(Allgemeiner Beifall)

In seiner Begleitung sind zwei Herren, Herr Balakirev und Herr Tümpel, die für das IBB in Minsk, genannt Johannes-Rau-Haus, arbeiten, eine wichtige Begegnungs- und Fortbildungseinrichtung von Nordrhein-Westfalen und der Republik Belarus. Sie leisten eine sehr gute Arbeit. Wir sind Ihnen dankbar dafür und wünschen Ihnen einen guten Aufenthalt hier in Nordrhein-Westfalen und interessante Gespräche.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, wir setzen unsere Beratungen fort. Ich erteile jetzt der Schulministerin, Frau Barbara Sommer, das Wort.

Herzlichen Glückwunsch, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor den großen Ferien hörte man von der Opposition Schlagworte wie „Chaos beim Zentralabitur“

(Demonstrativer Beifall von SPD und GRÜ- NEN)

und „dramatischer Einbruch der Abiturnoten“. Meine Damen und Herren, Kaffeesatzleserei!

(Beifall von CDU und FDP)

Die Stimmung wurde geschürt, Panikmache und Hysterie. Jetzt liegen die Ergebnisse auf dem Tisch. Das Szenario von SPD und Grünen löst sich in Luft auf.

(Beifall von der CDU – Unruhe)

Die klare Botschaft lautet nämlich: Es war das beste Abitur seit 1992.

(Beifall von CDU und FDP)

Es ist mir eine große Freude – Klaus Kaiser hat es eben schon gemacht; ich tue es noch einmal –:

(Unruhe – Glocke)

Ich gratuliere allen Schülerinnen und Schülern, ich gratuliere allen Lehrerinnen und Lehrern, und ich gratuliere selbstverständlich auch den Eltern. Die Abiturienten des Jahrgangs 2008 können stolz auf die erbrachten Leistungen sein. Sie haben ihren Weg gemacht, sie haben sich nicht beeinflussen lassen, sie haben nicht auf die Miesmacher und Ewiggestrigen gehört.

(Beifall von CDU und FDP – Lachen von der SPD)

Die Menschen in unserem Land freuen sich über das Ergebnis beim Zentralabitur 2008. Sie haben längst die Nase voll – meine Damen und Herren, Sie müssten es spüren – von der ständigen Maulerei ohne jegliche Substanz.

(Beifall von CDU und FDP – André Stinka [SPD]: Die Nase haben sie von Ihnen voll!)

Meine Damen und Herren, hätten Sie die Größe, müssten Sie sich bei den jungen Menschen, den vielen Lehrerinnen und Lehrern und allen anderen, die sich am Abitur 2008 beteiligt haben, entschuldigen. Wie gesagt: Hätten Sie die Größe!

(Zuruf von der SPD)

Entschuldigen sollten Sie sich auch für das Desaster, das Sie während Ihrer Regierungszeit an den Schulen angerichtet haben.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von der SPD: Ein Schauspiel!)

Vorgestern haben wir noch einmal schwarz auf weiß dokumentiert bekommen, wie schlecht das Bildungssystem unter Rot-Grün war. Im „Bildungsmonitor 2008“ landet Nordrhein-Westfalen im Ländervergleich nur an vorletzter Stelle.

(Bodo Wißen [SPD]: Brr!)

Die Daten dieser Studie – das ist das Wichtige daran – stammen aus den Jahren 2003 bis 2006.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört! – Zuruf von der SPD)