Protocol of the Session on August 28, 2008

Herr Priggen, die Sanierung wird nicht nur aus KfW-Mitteln finanziert. Diese sind aber die einzigen, die wir statistisch erfassen. Was die Menschen genau machen, wenn sie an ihrem Haus etwas verändern, wird statistisch nicht erfasst. Heute Nachmittag gibt es dazu noch einen separaten Tagesordnungspunkt. Dann werden wir diese Frage vertieft diskutieren, und dann werde ich Ihnen die Einzelheiten vortragen, soweit wir sie überhaupt erkennen können.

Aber ich kann nicht zwei völlig getrennte Systeme gegeneinanderstellen, mich dann wundern, dass mir die Preise weglaufen, und am Ende eine neuerliche Debatte über Sozialtarife führen. Das geht nicht. Es muss alles ein bisschen zusammenpassen. Deshalb werden wir ein Gutachten vergeben, um herauszufinden, wo die Dinge sich beißen.

Zum Thema der Vollauktionierung: Manche fangen schon an zu rechnen, welche Preiseffekte sie haben werden, wenn sie die bisher kostenlosen Zertifikate bezahlen müssen. Ich bin sehr gespannt, ob dann Ihre Debatte über hohe Stromkosten neuerlich ausbricht. Ich habe bei einem zu plötzlichen Übergang zur Vollauktionierung die große Sorge, dass das unserem gesamten Wirtschaftsstandort schadet und das Kraftwerkserneuerungsprogramm verschleppt, statt es zu beschleunigen.

(Beifall von CDU und FDP)

Deshalb haben wir immer gesagt, dass es völlig unvernünftig ist, den Neubau eines weniger emissionsträchtigen Kraftwerks dadurch so unsicher zu machen, dass die Preise über die Kraftwerkslaufzeit nicht mehr kalkulierbar sind, weil man die Zertifikatepreise nicht kennt, und dann wieder zu jammern anzufangen. Wir werden deshalb – und das ist kein Verrat an den Interessen des Landes, sondern das ist vernünftig – mit anderen Industrieregionen aus Österreich und Frankreich, die alle vergleichbare Probleme haben, vor Ort in Brüssel aufmarschieren und das mit den Abgeordneten dort noch einmal durchdenken. Sie wissen über manches, was sie da beschließen, gar nicht Bescheid.

Wenn es wenigstens einen primärenergiespezifischen Benchmark gäbe! Aber in der jetzigen Form führt es in der Tendenz dazu, dass eigentlich nur noch Gaskraftwerke gebaut werden können. Dann beklagen wir aber wieder die Importabhängigkeit, und wir gewinnen auch keinen Grundlaststrom.

Wenn wir uns die drei Ziele Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit setzen und einen Energiemix wollen, müssen wir meiner

Überzeugung nach primärenergiespezifisch an die Zertifizierung herangehen. Benchmarks sind diesbezüglich deutlich besser. Oder man muss ein geringeres Tempo bei der Auktionierung vorlegen. Sonst haben wir die Nachteile, insbesondere in den stark stromverbrauchenden Industrien, wo noch die Abgrenzung diskutiert wird, was wir überhaupt schaffen und was als Ausnahme akzeptiert wird.

Sie können also davon ausgehen, dass wir die Interessenwahrnehmung für unser Land nicht verschlafen. Wir nehmen die Interessen unseres Landes nur, wie ich finde, vernünftig wahr.

(Beifall von der CDU)

Wir haben im Land Tausende von Arbeitsplätzen, die von einer preisgünstigen Energieversorgung abhängen; besonders kritisch ist es fast ausschließlich im Grundlastbereich. Diese Industrien brauchen den Strom pausenlos, teils aufgrund physikalischer Bedingungen, teils, weil sie die Produktionsprozesse nicht total verändern können.

Bei aller Begeisterung für das technisch Neue gilt: Verhindern Sie realistische Schritte für die Kraftwerkserneuerung nicht deshalb, weil wir uns eine Welt vorstellen, in der wir sie nicht mehr brauchen! Das geht zulasten des Klimas und zulasten von Tausenden von Arbeitsplätzen. Deshalb möchte ich Sie einladen, zu einer sachlichen Debatte über den Umgang mit der Kernenergie zurückzukommen. Wir isolieren uns in dieser Frage.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist absolu- ter Quatsch!)

Herr Leuchtenberg, wenn es eine Phobie ist, dass bei uns das Thema Laufzeitverlängerung immer wieder auftaucht,

(Thomas Eiskirch [SPD]: Windräder!)

gut, auch die Windräder –, dann ist es bei Ihnen krankhaft,

(Widerspruch von SPD und GRÜNEN)

wenn Sie auf Menschen in Ihrer Partei, die über Jahrzehnte Verantwortung in diesem Bereich getragen haben, nicht mehr zu hören imstande sind. Das reicht von Helmut Schmidt bis zu Wolfgang Clement.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn die alle für Sie rückblickend dumm und phobisch sind, steht es schlecht um Ihre Orientierungsfähigkeit.

(Beifall von CDU und FDP – Widerspruch von Uwe Leuchtenberg [SPD])

Danke schön, Frau Ministerin Thoben. – Für die SPD-Fraktion spricht Kollege Eiskirch.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein paar Dinge möchte ich klarstellen, Frau Thoben: Wolfgang Clement und auch andere in unserer Partei sagen, dass man nicht gleichzeitig aus der Atom- und aus der Kohleenergie aussteigen kann. Das ist auch völlig unstrittig.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Deswegen sagt diese Fraktion in NordrheinWestfalen: Wir wollen nicht aus der Kohle aussteigen, sondern Kraftwerkserneuerungsprogramme für die deutsche Braun- und Steinkohle und sie hier verfeuern.

(Beifall von der SPD – Widerspruch von Ralf Witzel [FDP])

Insofern ist es nicht zulässig, wie Frau Thoben in dieser Form zu fragen: Wie möchte man die Grundlast hinbekommen? Dies gilt zum einen durch die beiden Kohlesituationen, durch Gas und anderes. Zum anderen entwickelt sich die Welt aber auch weiter. Deswegen kann ich Ihnen nur sagen: Reisen bildet. Herr Kollege Weisbrich, ich bin wirklich betrübt darüber gewesen, dass Sie aus persönlichen Gründen nicht die Gelegenheit hatte, an der Reise teilzunehmen. Denn wenn Sie schon nicht auf uns hören, hätten Ihnen Anfassen und Erlebbarmachen auf dem Weg von Windkraft, Solartechnik und anderen erneuerbaren Energien vielleicht ein Stück weitergeholfen.

Es haben sich nicht nur die Volllaststunden erhöht – das ist aus meiner Zwischenfrage gerade deutlich geworden –; darüber hinaus haben wir von vier auf fast nur noch zwei Regelnetze zurückgeschaltet. Natürlich gibt es nicht an allen Standorten in Deutschland gleichzeitig eine Flaute. Insofern führen Volllaststunden an verschiedenen Standorten auch zu einem guten Stück mehr Grundversorgung als in der Vergangenheit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Frau Thoben, Sie haben wieder ein Beispiel aus Bochum gebracht. Das ist deswegen immer gefährlich, weil ich auch aus Bochum komme.

(Beifall von Frank Sichau [SPD])

Der Handwerksmeister – er ist übrigens ein CDUMitglied –, der uns das vorgeführt hat, hat ein

Hybridmodell von Fotovoltaik und Solarthermie vorgestellt. Die Experten auf unserer Reise haben uns gesagt: bloß keine Mischmodelle, sondern lieber auf demselben Dach zwei unabhängige Systeme; das ergibt eine viel bessere Leistungsausnutzung. – Seien Sie daher ein bisschen vorsichtig mit den Beispielen, Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Zurück zum Antrag! Dort heißt es:

Diese Orientierungslosigkeit der Sozialdemokraten verunsichert Investoren wie Verbraucher und wird damit zum Risiko für Wachstum und Beschäftigung.

(Theo Kruse [CDU]: So ist es!)

Das ist ein unglaublicher Satz in einem Antrag der Koalitionsfraktionen, weil es die Opposition natürlich aufwertet, dazu in der Lage zu sein. Er ist unglaublich, weil Sie als regierungstragende Koalition diese Regierung beschädigen. Eine Regierung, die von sich selbst überzeugt wäre, käme gar nicht auf die Idee, dass die Opposition irgendetwas beeinflussen kann, was Wachstum und Beschäftigung negativ verändert.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Eine Regierung, die von sich selbst überzeugt ist, schafft durch aktive Wirtschafts- und Standortpolitik ein innovationsfreundliches Klima. Sie sucht nicht bei der Opposition nach Gründen, wenn Gefahr droht, dass die Wirtschaft im eigenen Land abgehängt wird.

(Beifall von der SPD)

Die Landesregierung macht Wirtschaftspolitik gegen NRW. Mit ihrem Kampf gegen die Windindustrie schafft die schwarz-gelbe Landesregierung politisch motiviert ein investitionsfeindliches Klima. Mit dem Windenergieerlass werden auch noch die Standortbedingungen für moderne Windräder mutwillig verschlechtert. Das verhindert Arbeitsplätze und Wertschöpfung in NRW.

(Beifall von der SPD)

Dabei haben Sie gerade praktisch Nachhilfe bekommen. Vom Kollegen Priggen ist in der Diskussion ausgeführt worden, wie es an anderen Standorten wirklich brummt. Die erste Station unserer Reise war Emden – in der Wahrnehmung vieler Nordrhein-Westfalen immer noch eine Region, die von Werftenkrise und hoher Arbeits- und Perspektivlosigkeit geprägt ist. Die Region hat sich aber völlig anders dargestellt: Sie boomt. Betonbauer, Stahlbauer und Mechatroniker werden

von den Firmen dort händeringend gesucht – vor allem wegen der Windkraft.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Allerdings steht die Seestadt Bremerhaven in hartem Wettbewerb mit anderen Standorten an der Küste, etwa im Raum Emden oder Cuxhaven. Bremerhaven muss deshalb seine Kräfte bündeln und durch entsprechende Standortpflege und Flächenbereitstellung die Pflege des Wachstumsmarkts Windenergie weiter intensivieren.

Das ist kein Zitat aus dem Koalitionsvertrag zwischen Grünen und SPD, sondern aus einem Programm für Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze der IHK in Bremerhaven. In Niedersachsen buhlt die Region um die Ansiedlung von Unternehmen der Windkraftbranche. Bei uns werden sie eben nicht willkommen geheißen.

(Beifall von der SPD – Widerspruch von Mi- nisterin Christa Thoben)

Unser Antrag zeigt, worauf es ankommt: Die Landesregierung muss endlich Energiepolitik für NRW machen und aufhören, Aufbauhilfe für Nord, Süd und Ost zu leisten. Mit dem Feldzug der schwarz-gelben Landesregierung gegen erneuerbare Energien, insbesondere die Windenergie, werden Investoren von NRW ferngehalten.

Im Ergebnis zahlt NRW zwar über die EEGUmlage für den Ausbau der erneuerbaren Energien; die Anlagen und die Arbeitsplätze werden aber bevorzugt in der Windindustrie in Norddeutschland und in der Solarindustrie in Ostdeutschland entstehen. Damit betreibt diese Landesregierung Aufbauhilfe für Nord und Ost, die NRW netto Geld kostet, ohne in NRW Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu schaffen.