Protocol of the Session on June 19, 2008

Nach dem Jahr des Kindes, nach der missglückten Jubelveranstaltung „Forum für Kinder“ haben wir jetzt also den „Pakt mit der Jugend“.

Nachdem das bereits sehr öffentlichkeitswirksam abgefeiert wurde, müssen nun auch wir uns im Landtag mit diesem Thema auseinandersetzen. Ein vierseitiger Antrag von CDU und FDP: So viel zu schreiben, ohne irgendetwas Substanzielles zu sagen, muss man erst einmal schaffen. Chapeau!

Bei diesem Pakt – das müssen wir hier feststellen – handelt es sich keineswegs um das, was wir alle gemeinhin unter einem Pakt verstehen, nämlich ein Bündnis, eine Verabredung, einen Vertrag zwischen gleichberechtigten Partnern. Nein, die Landesregierung ist nämlich Finanzierer der Jugendverbände. Die Jugendverbände sind Mittelempfänger, und damit stehen sie in einem wei

testgehenden Abhängigkeitsverhältnis vom Land. Insofern ist bereits die Bezeichnung „Pakt mit der Jugend“ irreführend, ziemlicher Quatsch. Sie entspricht dem Sinn des Wortes Pakt in keiner Weise. Nennen wir es also Möchtegernpakt. Ich hatte auch andere Assoziationen. Die will ich heute beiseite lassen, Herr Minister Laschet.

Ein Jahr lang hat die Landesregierung gebraucht – das muss man sich auch einmal auf der Zunge zergehen lassen –, um die Jugendverbände überhaupt zu motivieren, sich auf so etwas einzulassen. Sie hatten nämlich drei sehr gewichtige Vorbehalte.

Erstens haben die Jugendverbände natürlich den Wortbruch von CDU und FDP beim Landesjugendplan im Kopf.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich möchte das noch einmal ganz klar sagen: 96 Millionen € waren in die Hand versprochen, finanziert wurden aber bis heute nur 75 Millionen €. Das war und ist Betrug an jugendlichen Wählerinnen und Wählern. Und das wird auch von keinem Pakt der Welt repariert werden, meine Damen und Herren.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Zweitens waren die Jugendverbände auch nicht damit einverstanden, dass nun ohne Not ein neues Etikett auf die ohnehin laufende Jugendarbeit geklebt wird, nur damit Herr Armin Laschet einmal als Jugendminister auch in der Presse vorkommt. Genau das ist passiert: Maßnahmen, die ohnehin geplant waren oder ständig durchgeführt werden, sind jetzt zu Bestandteilen diese Möchtegernpakts geworden. Ändern tut sich gar nichts.

Drittens. Die Jugendverbände haben deutlich gemacht, dass sie mit ihrem Geldgeber nicht paktieren, wenn sie weder inhaltlich noch materiell irgendwie davon profitieren. Da hat die Landesregierung einen Trick angewendet. Sie hat nämlich aus zwei vorhandenen Haushaltspositionen eine gemacht und 80 Millionen …

(Christian Lindner [FDP]: Drei! – Minister Armin Laschet: Vier waren es!)

Drei waren es sogar? Entschuldigung. – Was aber bleibt, ist: Es gibt keinen Cent mehr. Es sind nur Sonderprogramme jetzt zusammengefasst worden: 75 plus 5 bleiben 80. Es gibt keinen Cent mehr für die Jugendarbeit. Das ist ein Taschenspielertrick, der hier vorgenommen wird. Substantiell gibt es keine weiteren Mittel für die Jugendarbeit.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Lindner, Sie haben jetzt eine neue Rolle als Kugelfänger. Ich habe eben schon gesagt, Sie sind avanciert vom Bambi zum Kampfbambi. Jetzt sind Sie Kugelfänger.

(Minister Armin Laschet: Selbst ernannt!)

Sie haben das eben anders dargestellt. Es bleibt dabei: Es gibt keinen Cent mehr für die Jugendlichen. Ich muss Minister Laschet dennoch gratulieren. Sie haben aufgrund des Paktes mit der Jugend eine Reihe von Presseberichten gehabt. Publicity haben Sie ziemlich billig bekommen, kostenneutral sozusagen. Das machen Sie wirklich gut.

Der Antrag ist insofern Bestandteil einer Gesamtdramaturgie, die geschickt gemacht ist. Aber sie ist, wie gesagt, ziemlich billig. Sie fordern nämlich auch heute wieder in diesem Antrag – auf vier Seiten substanzlos – die Landesregierung auf, Dinge zu tun, die gerade in dem Pakt mit der Jugend aufgeschrieben wurden, also eine reine Wiederholung, eines reines Abschreiben. Darüber hinaus sind sie parallel im Kinder- und Jugendförderplan des Landes sowieso schon nachzulesen.

Ich kann Sie nur auffordern: Erwachen Sie aus Ihrem Tiefschlaf und legen Sie vielleicht einmal eine neue Platte auf! Denn es gibt einiges zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es gibt einiges zu tun in der Jugendarbeit in diesem Land. Ich habe da einige Vorschläge, was Sie stattdessen machen könnten, gerne auch gemeinsam. Sie können es von mir aus auch alleine machen. Hauptsache, Sie machen mal etwas Effektives.

Da wäre zum Ersten, dass Sie heute einen Entwurf zur Änderung des Kinder- und Jugendfördergesetzes hätten einbringen können. Da können Sie dann Inhalte und Zahlen korrigieren und 80 statt 75 Millionen € hineinschreiben.

Sie könnten auch einmal in den Förderrichtlinien zum Beispiel soziale Kriterien für die offene Kinder- und Jugendarbeit vorsehen. Wir wissen doch, dass die Mittel auf die sozialen Brennpunkte konzentriert werden müssen. Das schaffen Sie aber nicht, weil die CDU-Abgeordneten aus dem ländlichen Raum dann ein paar Euro Landesmittel hergeben müssten. Das wollen sie nicht. Somit geht es weiter nur nach dem Gießkannenprinzip. Die Angesprochenen lachen schuldbewusst.

Und Sie müssen, wenn Sie es mit der Ganztagsschule ernst meinen, Konzepte für die Zusam

menarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe auf den Tisch legen. Sonst drängen Sie die außerschulische Bildungsarbeit ins Abseits. Das merken Sie anscheinend gar nicht. Auf diesem Feld kommt von Ihnen rein gar nichts, sondern nur substanzlose Anträge, die keiner braucht.

Angesichts der Notwendigkeit ist Ihr Antrag genauso nutzlos wie der Möchtegernpakt mit der Jugend selbst. Mit beiden bleiben Sie ihrem Politikstil treu: Symbolpolitik statt Taten, schöne Worte statt Inszenierungen, Show-Politik und Populismus statt substanzieller Jugendpolitik.

So möchte ich abschließend einen früheren Verbandsvertreter der Jugendverbände, der gerne ungenannt bleiben will, zitieren.

(Ralf Witzel [FDP]: Aha!)

Er sagt: Dieser Pakt mit der Jugend ist die vorläufige Bankrotterklärung der Jugendpolitik in NRW. – Diesen Worten kann ich mich nur anschließen. Dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Laschet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Gründung des Ministeriums für Generationen hat die neue Landesregierung vor knapp drei Jahren einen neuen Weg beschritten. Es war genau der Weg, Kinder- und Jugendpolitik als eigenständiges Politikfeld und nicht als Abteilung im Schulministerium anzusiedeln.

(Beifall von CDU, FDP und Reiner Priggen [GRÜNE])

Es war genau dieses Signal. Sie haben alles nur unter dem Schulgesichtspunkt gesehen. Wir haben gesagt: Das ist ein eigenes Feld, was auch einen eigenen Minister braucht, der vielleicht auch einmal mit der Schulministerin rangelt, der sagt, du musst die Jugendarbeit stärker einbeziehen, und der dann eine Kooperationsvereinbarung zusammen mit der Schulministerin zustande gebracht hat, die genau diese Eigenständigkeit betont hat.

Das ist ein neuer Politikstil, ein Wechsel in diesem Feld, der mit dieser neuen Landesregierung verbunden ist. Er begründet sich darin, dass wir eine immer älter werdende Gesellschaft sind und der Anteil der Kinder und Jugendlichen an der Ge

samtzahl der Bevölkerung immer mehr abnimmt. Deshalb ist Jugendpolitik heute ein wichtiges eigenständiges Politikfeld.

Der „Pakt mit der Jugend“, den wir am 4. Juni geschlossen haben, will daher eine neue, unverwechselbare und vor allem hörbare Stimme sein. Junge Menschen sollen mit entscheiden und Verantwortung übernehmen. Das ist, wenn Sie sich da noch einmal die Zahlen vor Augen halten, wichtig. Denn im Jahr 2015 – das ist nicht mehr so lange hin – werden nur noch 19 % der Gesamtbevölkerung unter 18 Jahren sein.

Das Bündnis wird getragen vom Landesjugendring, der Arbeitsgemeinschaft „Haus der offenen Tür“, der Landesvereinigung Kulturelle Jugendarbeit Nordrhein-Westfalen, der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit und dem Paritätischen Jugendwerk in Nordrhein-Westfalen. Insgesamt sind dort 270 Verbände, Trägergruppen und Initiativen verbunden und erreichen mehr als zwei Millionen Jugendliche in NordrheinWestfalen.

(Beifall von der CDU)

Die Ziele, die mit diesem Pakt verbunden sind, sind einerseits, den Blick von Gesellschaft und Politik für die Belange von Jugendlichen zu schärfen, die gesellschaftliche Teilhabe junger Menschen zu sichern und auszubauen, Benachteiligungen junger Menschen abzubauen, junge Menschen in ihren Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten zu stärken, ihnen neue Chancen zu eröffnen und das Bewusstsein für Europa und internationale Zusammenhänge zu stärken.

Der Pakt mit der Jugend ist deshalb so etwas wie ein neuer Gesellschaftsvertrag, in dem gemeinsames Handeln im Vordergrund steht. Dieser Pakt eröffnet die Chance, Aktivitäten sowohl inhaltlich als auch zeitlich zwischen den Akteuren abzustimmen. Er erhöht die Transparenz, er ermöglicht zu wissen, was in anderen Teilen des Landes genau in der Jugendarbeit passiert, auch durch eine neue Internetplattform, die von den Jugendlichen schon sehr stark genutzt wird, wo jemand interaktiv neue Ideen beispielsweise in Bielefeld eingeben kann, die dann jemand in Aachen aufgreifen kann. Das hat es in dieser Form bisher nicht gegeben, und das ermöglicht, Doppelarbeit zu verhindern und Ressourcen zu konzentrieren.

Jugendarbeit ist eine Zukunftsinvestition, von der die gesamte Gesellschaft profitiert. Deshalb sind diese Mittel jetzt auf 80 Millionen € im Kinder- und Jugendförderplan zusammengefasst worden. Das ist im Landeshaushalt nicht mehr Geld. Das hat auch niemand behauptet.

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Nein, hat auch Herr Lindner nicht behauptet.

(Andrea Asch [GRÜNE]: Ihr Pressesprecher hat das behauptet!)

Es ist im Kinder- und Jugendförderplan mit den Mechanismen, die er hat, mehr Geld, als es in den letzten Jahren – auch in Ihrer Amtszeit – gegeben hat. Sie reden ja immer über 96 Millionen.

(Beifall von CDU und FDP)

Der kommunalpolitische Experte Karl Schultheis, der als Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses die höchste Funktion innerhalb der Kommune in seinem Leben erreicht hat,

(Zuruf von Angela Tillmann [SPD])

hat uns eben klarzumachen versucht, dass das eine Kürzung war. Er hat dann die Frage gestellt, warum eigentlich da gekürzt worden sei.

Wenn Sie die Jugendverbände fragen, dann haben die die Jahre 2003, 2004, 2005 als besonders schwierige Jahre wahrgenommen. Als ich dieses Amt angetreten habe, waren 75 Millionen € in diesem Etat,