Protocol of the Session on May 14, 2008

Aus dem Bericht der Enquetekommission resultieren jedenfalls zwei Pakete von Handlungsempfehlungen, die – lassen Sie es mich vereinfacht so zusammenfassen – zum einen den Schwerpunkt auf ordnungspolitische Rahmenbedingungen legen und zum anderen Maßnahmen zum Energiesparen und zu mehr Energieeffizienz zum Inhalt haben.

Zu beiden Themenfeldern haben wir in der Klimaschutzstrategie Nordrhein-Westfalens ebenfalls Maßnahmen vorgesehen. Den Gebäudebestand energetisch zu sanieren, Nachtspeicherheizungen zu ersetzen, Kraft-Wärme-Kopplung und Wärmenetze auszubauen, die erneuerbaren Energien verstärkt zu nutzen, kleine und mittlere Unternehmen zu Energiesparmaßnahmen zu beraten und generell die Energieberatung auszubauen, sind Maßnahmen, mit denen wir inhaltlich voll übereinstimmen.

Es wird immer wieder vorgetragen, dass Nordrhein-Westfalen bei der Kraft-Wärme-Kopplung

hinterherhinkt. Das liegt an einer verkürzten statistischen Betrachtung. Man darf nämlich nicht immer nur die Erzeugungsstruktur sehen, sondern muss auch die Verbrauchsstruktur beachten, Herr Römer. Jede vierte Kilowattstunde aus KWKAnlagen kommt aus Nordrhein-Westfalen. Wir hinken also überhaupt nicht hinterher.

Der Bedarf auf diesen Handlungsfeldern ist offensichtlich. So verfügen zum Beispiel mehr als 70 % der Wohngebäude in Nordrhein-Westfalen über keinen oder über einen nur sehr eingeschränkten baulichen Wärmeschutz. Hier gibt es noch enormes Einsparpotenzial. Auch im Industriesektor bieten sich erhebliche Einsparpotenziale, insbesondere bei der Steigerung der Effizienz von Druckluft, Hydraulik und Antriebssystemen. Hier sind oft noch veraltete Systeme im Einsatz.

Die Ursache liegt oft darin, dass meist nur rudimentäre Kenntnisse über die bestehenden technischen Einsparmöglichkeiten vorhanden sind. Die Energiekosten werden unterschätzt und gleichzeitig die Kosten und die Amortisationszeit der Sparmaßnahmen überschätzt. Warum kritisieren Sie dann, dass wir einen Schwerpunkt auf Beratung und Information legen, und rufen stattdessen wieder nach Geld? Die Dinge rechnen sich längst; die Menschen müssen es wissen!

(Beifall von der FDP)

Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung die Energieeffizienzoffensive „Nordrhein-Westfalen spart Energie“ mit der Zielsetzung gestartet, die Verbraucher in den einzelnen Bereichen dabei zu unterstützen, den Endenergieverbrauch deutlich zu reduzieren.

Lassen Sie mich zu der Empfehlung, die erneuerbaren Energien verstärkt zur Wärmeversorgung im Gebäudebestand einzusetzen, einige Anmerkungen machen. Die Landesregierung befürwortet grundsätzlich den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien zur Wärmeerzeugung. Insgesamt wollen wir in diesem Bereich den Anteil aus regenerativen Energien vervierfachen. Ich setze aber voraus, dass im Gebäudebestand zunächst die vorhin angesprochenen Wärmesanierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Es macht keinen Sinn, ein Haus mit effizienter Energietechnik zu versorgen und gleichzeitig die Energie beispielsweise durch eine schlechte Isolierung zu verschwenden. Die Reihenfolge der Maßnahmen entscheidet über den Sinn.

Bei der Wärme- und auch der Stromerzeugung können die erneuerbaren Energien als heimische Energieträger auch in Nordrhein-Westfalen durch den Ersatz von Öl und Gas einen wachsenden

Beitrag zur sicheren und klimafreundlichen Energieversorgung leisten. Insbesondere in Verbindung mit den ausgezeichneten Exportchancen haben die erneuerbaren Energien ein interessantes Marktpotenzial – übrigens überwiegend für mittelständische Unternehmen.

Gestatten Sie mir dennoch eine kritische Anmerkung, die auch im Bericht der Enquetekommission anklingt: Wir fordern nicht nur mehr Effizienz, um mehr Energie zu sparen, wir fordern auch größtmögliche Effizienz beim Einsatz der Fördermechanismen. Konkret: Wir unterstützen die Erschließung erneuerbarer Energien durch die auf den Strompreis umgelegten Vergütungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz.

Es muss aber die Frage erlaubt sein, ob der heutige Umfang der Einspeisevergütung tatsächlich der effizienteste Weg ist. Dass beispielsweise die Fotovoltaik einen Anteil von nur 3,1 % an der Bruttostromerzeugung durch erneuerbare Energien hat, gleichzeitig aber 35 % des Gesamtfördervolumens bzw. 1 Milliarde € Fördersumme beansprucht, das lässt zumindest aufhorchen. Über dieses Missverhältnis müssen wir diskutieren. Eine dauerhafte Förderung von Energieträgern oder Technologien weitab der Wirtschaftlichkeit führt jedenfalls nicht zum Ziel.

Wir wollen aber nicht von einem Extrem ins andere fallen. Wir werden in einem Diskussionsprozess mit Experten klären, welches Instrument das effizienteste ist, und dann unsere Position festlegen. Ich lade Sie ausdrücklich zu dieser Debatte ein.

Der Bericht der Enquetekommission befasst sich mit den Auswirkungen der stark steigenden Öl- und Gaspreise auf die Wirtschaft und die privaten Verbraucher. Ich möchte zusätzlich zu der Verbraucherseite die Angebotsseite ansprechen. Öl und Gas sind heute unverzichtbarer Bestandteil eines Energiemix, der für eine wirtschaftliche, zuverlässige, klimafreundliche Energieversorgung der Industrie usw. notwendig ist. Sie haben Vorteile – selbstverständlich –: höhere Klimafreundlichkeit als Kohle, höhere Wirtschaftlichkeit als die erneuerbaren Energien. Aber sie haben auch Nachteile: die derzeit bereits hohe Importabhängigkeit und die damit verbundene Preisentwicklung. Deshalb wollen wir die Risiken dieser Abhängigkeit reduzieren: im Verkehrsbereich, in anderen Einsatzbereichen.

Meine Damen und Herren, ist Ihnen eigentlich klar – ich muss das noch einmal ansprechen –, was Sie empfehlen? Sie fordern in den Debatten, die wir hier zur Kraftwerkserneuerung führen, laufend den Um

stieg auf mehr Gaskraftwerke, aber gleichzeitig beschließen Sie eine Reduzierung des Gasverbrauchs.

(Uwe Leuchtenberg [SPD]: Haben wir das gesagt?)

Die Grundrechenarten müssen auch noch beachtet werden.

(Uwe Leuchtenberg [SPD]: Wir sind die, die für das Kohlekraftwerk in Krefeld sind, nicht die CDU!)

Schon heute haben diejenigen, die Gaskraftwerke brauchen, große Sorgen, dass sie nicht mehr die Rentabilität erreichen. Das ist doch das Problem.

Dann noch ein Hinweis zur Auktionierung! Es geht doch nicht darum, etwas zu verschleudern, sondern es geht darum, dass Herr Römer, wenn er den Druck beim Neubau von Kohlekraftwerken und das Abschalten der alten Kraftwerke will, gegen die Vollauktionierung und für ein Benchmark sein muss.

(Dietmar Brockes [FDP]: Genau! Hört, hört!)

Wenn Sie das nicht einsehen, dann verpassen Sie ein Stück Zukunft in unserem Land, Herr Römer. Ich muss Ihnen das so deutlich sagen.

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Deshalb möchten wir, dass die Debatte darüber auch mit Brüssel geführt wird.

Herr Priggen, Auktionserlöse hätten schließlich den Vorteil, dass wir sie nach Nordrhein-Westfalen holen könnten. Wir sind sehr dafür, dass wir das, was bei einem Benchmark, wenn man unterhalb der Effizienz bleibt, bezahlt werden muss, in Nordrhein-Westfalen nutzen. Aber wissen Sie: Das tun wir auch heute schon. Wir holen von den Programmen, die es bundesweit gibt und die über unsere Beratungen aufgestockt werden, sehr viele Mittel nach Nordrhein-Westfalen. Unsere Energieagentur tut fast nichts anderes, als dafür zu werben. Aber ich muss doch ein Instrument, das dem Prozess der Kraftwerkserneuerung schadet, nicht so lange ausbauen, bis ich Geld für irgendetwas anderes habe.

Bitte, lassen Sie uns weiterhin auf dem Weg gehen, einen Energiemix wirklich zu wollen, und nicht so tun, als ließe sich eine einseitige Abhängigkeit von irgendeinem Energieträger tatsächlich vertreten. Das gilt auch für den Verkehrssektor, denn da wissen wir ebenfalls noch nicht, wohin die Entwicklung präzise geht. Wir haben unsere Überlegungen auch dazu im Klima- und Energieprogramm niedergelegt.

Natürlich gibt es große Erwartungen an zukunftsträchtige Kraftstoffe, an synthetische Kraftstoffe. Natürlich können sie auf der Basis von Biomasse eine Brückenfunktion einnehmen und den Übergang zum Wasserstoff erleichtern. Wir haben unsere Strategie diesbezüglich dargelegt.

Das Ergebnis der Enquetekommission verstehe ich in dieser Frage übrigens als Bestätigung, diesen Weg weiterzugehen. Wir müssen alle Optionen, die uns helfen, Mobilität bezahlbar zu halten, prüfen und nutzen.

Zwischen der Position der Landesregierung und den Handlungsempfehlungen gibt es vielfältige Übereinstimmung, wenigstens bei der Mehrheitsempfehlung. Insofern sehen wir in diesem Bericht eine Bestätigung unserer Politik.

Die Risiken der zunehmenden Öl- und Gasimportabhängigkeit werden vergleichbar eingeschätzt. Die Reduzierung der Importabhängigkeit vom Gas finde ich in Ihrer Entschließung gar nicht.

Ich denke, dass wir zu Einzelheiten weitere Debatten brauchen. Wir sollten alle gemeinsam nicht den Eindruck erwecken, wir wüssten genau, wie es 2030 oder noch später aussieht. Aber Ihre Sichtweise scheint uns zu eng.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin Thoben. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Stinka das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen aus der Enquetekommission! Die Mitglieder der Kommission von SPD und Bündnis 90/Die Grünen halten die Analyse und Schlussfolgerung des Berichts von CDU und FDP für verharmlosend. Beispiele haben wir gerade geliefert bekommen, besonders von Herrn Brockes, der unter anderem die Schlussfolgerung der Deutschen Bank in Abrede stellt, die immer eine Verknappung der Energieressourcen weltweit beschrieben hat.

(Bodo Wißen [SPD]: FDP gegen Deutsche Bank!)

Mit Verlaub: Der Bericht zeugt von einem Politikverständnis, das einseitig und überhaupt nicht nah bei den Menschen ist. Das muss ich auch nach der Debatte vorhin über Rentenbeiträge und Ökosteuer sagen. Sagen Sie den Menschen, wie die Beiträge aus der Ökosteuer ersetzt werden kön

nen, dann können wir weiter darüber reden, Herr Kollege Brockes.

(Beifall von der SPD – Dietmar Brockes [FDP]: Blödsinn! Hören Sie doch mal zu!)

Zu den sozialen Auswirkungen, die die steigenden Öl- und Gaspreise in NRW für die Menschen haben, hat Kollege Leuchtenberg vorhin Ausführungen gemacht. Warum aber haben die Vertreter der Opposition keine Alternative zu diesem Sondervotum gesehen? Dazu zitiere ich mit Erlaubnis des Präsidenten Seite 118 des CDU/FDPBerichts:

(Dietmar Brockes [FDP]: Immer umverteilen!)

„Damit ist aber auch die Verwirklichung anderer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ziele – seien diese beschäftigungs-, regional-, sozial- oder auch umweltpolitischer Natur – nicht Aufgabe der Energiepolitik.“

Diese Aussage macht noch einmal deutlich, dass Sie sagen: Wir sind dafür nicht zuständig; das müssen andere regeln, und wir gucken, wie die Ressorts diese Politik verteilen. – Eine Ressortpolitik und eine Politik des Wegschauens schadet einmal dem Klima, aber auch den Menschen in Nordrhein-Westfalen, die Antworten auf die steigende Preise erwarten, ob wir nun in die Zukunft schauen können oder nicht. Fakt ist: Wer tankt, wer heute Öl bestellt, sieht, wie die Realität ist.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wenn Sie diese Ressortgrenzen hier einziehen und sagen: „Wir sind nicht zuständig“, erinnere ich gerade die CDU-Fraktion daran, dass die Klimaschutzziele, mit der Ihre Kanzlerin glänzen konnte, einer Umsetzung bedürfen.

Die Aufgabe der Enquetekommission bestand gerade darin, Auswirkungen im Bereich Beschäftigung und Sozialpolitik deutlich zu machen. Das ist Aufgabe dieser Enquetekommission gewesen. Selbstverständlich ist Energiepolitik – so verstehen wir das im Sondervotum – ein Schlüssel zu einer Wirtschaftspolitik, die wir ganz klar deutlich machen wollen. Das ist auch in diesem Sondervotum deutlich geworden.

Auch wenn man die sozial- und umweltpolitischen Ziele außer Acht lässt, muss man doch erkennen, dass gerade Energiepolitik auch Wertschöpfungspolitik ist. Da liegen Sie, Kolleginnen und Kollegen, in Ihrer Betrachtung völlig daneben. Wachstums- und Wertschöpfungspotenziale liegen doch nicht in teuren Öl- und Gasimporten oder in Investitionskosten für neue Erschließungstechniken oder gar im Forschungsbereich für neue Bohrer,

Herr Brockes, sondern darin, dass wir das Geld, das nicht ausgegeben wird, hier in unserer Region, in unserem Bundesland investieren. 6 Milliarden € –

(Beifall von der SPD)

so hoch war die Summe, die wir allein im Jahr 2007 durch den Einsatz von regenerativen Energien nicht für Öl und Gas ausgeben mussten – Geld, das nicht in Dubai verbleibt, sondern in Herne, Bochum und im Kreis Coesfeld investiert wird. Das hat soziale Aspekte, das schafft Arbeit vor Ort, und das nutzt den Menschen hier.