Protocol of the Session on April 16, 2008

Zahlreiche Initiativen und Projekte – Frau Piepervon Heiden hat schon darauf hingewiesen – unterstützen die engagierte Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer. Ich meine, Frau Schneppe, die Lehrerinnen und Lehrer tun nicht zu wenig. Sie arbeiten auch im Bereich der Leseförderung, gerade in den Grundschulen, nicht zu wenig. Ich glaube, wir müssen sie nur darin unterstützen, auch das Richtige, das geschlechtsspezifisch Richtige zu tun.

Frau Pieper-von Heiden hat im Rahmen der Beispiele schon ein sehr erfolgreiches Projekt genannt: Seit drei Jahren läuft „ZeitungsZeit“. Es gibt auch eine Landesinitiative „Bildungspartner NRW – Bibliothek und Schule“. Es gibt Wettbewerbe und Veranstaltungen der Leseförderung, die im Rahmen der Leseinitiative Nordrhein-Westfalen weiterentwickelt werden.

Auch im Bereich der Lehrerfortbildung hat sich bereits einiges getan. So bietet beispielsweise die Bibliothek Wuppertal jährlich eine Fortbildung für

Lehrkräfte zur Leseförderung an. Dazu gehört auch das Modul „Was lesen die Jungs?“

Ein weiteres Beispiel: Das Kinder- und Jugendliteraturzentrum NRW in Dortmund bietet ein Seminar für Eltern und Multiplikatoren an. Unter dem Titel „Kann lesen männlich sein?“ werden theoretisches Hintergrundwissen und praktische Leseförderangebote vermittelt.

Auch die Bezirksregierung Köln hat im vergangenen Jahr für die nordrhein-westfälischen Bibliotheken eine Schulung zum Thema „Leseförderung für Jungen“ organisiert.

Ein letztes Beispiel: Die Medienberatung Nordrhein-Westfalen, die engste Kontakte in den kommunalen Raum unterhält, unterstützt mit Projekten ebenfalls geschlechtersensible Ansätze. Sie koordiniert die Initiative „Bildungspartner Nordrhein-Westfalen“.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für den Antrag. Er wird sicherlich Impulse geben. Davon bin ich überzeugt. Wir werden ihn Ausschuss auch noch beraten. Ich danke insbesondere Frau Beer, die uns immer mit symbolhaften Bildern, mit Aspekten aus Märchen erfreut. Diesmal war es nicht ein Lied, sondern ein sehr schönes Gedicht. Frau Beer, wenn ich richtig unterrichtet bin, sind Ihre Kinder ja aus dem Grundschulalter längst heraus.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Das gibt es immer noch in der Grundschule! Ich habe nachge- fragt!)

Maybe. Aber, Frau Beer, ich kann nur sagen: Jetzt, da sie der Grundschule entwachsen sind, glaube ich doch, dass es besser geworden ist. Die Spatzen sind mit Sicherheit weggeflogen, denn jetzt haben sie ja Sommer. – Danke.

(Heiterkeit – Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin Sommer. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Somit sind wir am Schluss der Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrates, den Antrag Drucksache 14/6524 an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung – federführend – und an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration sowie an den Ausschuss für Frauenpolitik zu überweisen. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dann im federfüh

renden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Sind Sie mit dieser Überweisung einverstanden? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist die einstimmige Zustimmung aller Fraktionen zu dieser Überweisungsempfehlung.

Ich rufe auf:

16 Von Zwangsheirat Betroffene und Bedrohte stärken!

Antrag

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 14/6525

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der Frau Kollegin Steffens das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag ist relativ kurz, die Uhrzeit spät. Deswegen werde ich den Redebeitrag kurz halten.

Idee und Begründung dieses Antrages liegen darin, dass ich auf einer Veranstaltung in Köln zum Thema Zwangsverheiratung war, die auch vom Ministerium mitfinanziert und unterstützt worden ist. In der Diskussion gab es den strittigen Punkt, den man immer an der Stelle hat: Brauchen wir eine Strafverschärfung, brauchen wir mehr Rechte? Oder ist es so, dass die vorhandene rechtliche Situation, nämlich dass Zwangsverheiratung in Deutschland verboten ist, ausreicht und dass sie zu wenig bekannt ist?

In dieser Diskussion fand ich sehr eindrucksvoll, wie junge Frauen beschrieben haben, dass sie ihre eigene Familie eigentlich geschützt sehen wollen. Sie haben gesagt: Es geht uns gar nicht darum, dass unsere Väter und Mütter bestraft werden, sondern uns geht es darum, dass das verhindert wird. Das im Nachhinein zu thematisieren, ist etwas, was wir uns oft gar nicht trauen. Wir wollen das gar nicht mehr thematisieren, und wir wollen dann unsere Familie auch schützen.

In der Diskussion äußerten junge Frauen ihren Wunsch und sagten: Die Rechtssituation ist gar nicht klar. Unsere Väter und unsere Mütter wissen gar nicht, dass das hier verboten ist. Wir brauchen eigentlich mehr Informationen und etwas, was wir unseren Eltern zeigen können. Wir müssen unseren Eltern zeigen können, dass es in Deutschland verboten ist.

Aus diesem Wunsch heraus – Lale Akgün saß auch auf dem Podium – entstand die Idee, etwas zu machen, was man den jungen Mädchen bzw.

Frauen von Anfang an mit an die Hand gibt. Dann können sie es nämlich zeigen und sagen: Hier steht, dass es verboten ist. Wir dürfen hier nicht zwangsverheiratet werden. – Darüber können dann die jungen Frauen mit ihren Eltern in ihrer Muttersprache reden.

Deswegen haben wir den Antrag gestellt. Eine Postkarte, auf der man die Rechtssituation darstellt, kostet nicht viel Geld. Das ist eine einfache Initiative, die man machen kann. Wie gesagt: Es war der Wunsch von betroffenen Frauen. Ich glaube, dass man hier, ohne den Streit und die politische Debatte noch einmal darüber führen zu müssen, ob man weitere Maßnahmen braucht, mit wenig Geld einem Teil von Frauen sehr einfach und pragmatisch helfen kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deswegen kam dieser Vorschlag von uns. Ich würde mich freuen, wenn er auf Zustimmung stoßen würde. Denn den jungen Frauen, die von Anfang an mit ihren Eltern darüber reden und ihren Eltern anhand des Gesetzestextes aufzeigen können, dass es verboten ist, wäre damit vielleicht geholfen. Dann brauchen wir hinterher nicht darüber zu diskutieren, wie viele Aufnahmekapazitäten und wie viele Mädchenhäuser wir eigentlich brauchen. Insofern hätten wir an der Stelle von Anfang an einiges verhindert.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der CDU die Kollegin Westerhorstmann das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Frau Steffens, Wünsche und Ideen sind das eine. Die Realität ist das andere.

Als ich Ihren Antrag gelesen habe, da habe ich mich zunächst einmal natürlich gefreut. Ich denke, das, was Sie in Ihren Antrag geschrieben haben, vermittelt den Eindruck, Sie würden sich auf unseren Weg begeben.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Nein!)

Schließlich nehmen Sie darin ausdrücklich Bezug auf das Handlungskonzept der Landesregierung zur Bekämpfung von Zwangsheirat.

Die CDU-Landtagsfraktion hatte diese Thematik bereits 2006 über eine parlamentarische Initiative gemeinsam mit der FDP-Fraktion angestoßen.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Nur angesto- ßen!)

Damals haben wir uns anlässlich unseres Antrages „Wirksame Maßnahmen gegen Zwangsverheiratungen ergreifen“ im Plenum und im zuständigen Fachausschuss intensiv mit der Notwendigkeit des Schutzes der von Zwangsheirat Betroffener befasst.

Ein wenig verwundert habe ich dann allerdings Ihre Forderungen zur Kenntnis genommen. Sie fordern die Landesregierung auf, in die Aufklärungskampagne „ihre Freiheit – seine Ehre.“ wiederum eine Postkarte mit dem Text „Zwangsverheiratung wird mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft“ in verschiedenen Sprachen aufzunehmen und diese gezielt zu verbreiten; diese Postkarte soll insbesondere in den Integrationskursen verbreitet werden.

Daraus schließe ich zunächst: Sie halten die Aufklärungskampagne der Landesregierung „ihre Freiheit – seine Ehre.“ für eine wichtige und richtige Maßnahme und setzen dabei auch auf die Wirkung des zentralen Bausteins dieser Kampagne: vier unterschiedliche, gemeinsam mit den Migrationsselbstorganisationen erarbeitete Postkartenmotive.

Diese Kampagne – daran möchte ich an dieser Stelle nochmals erinnern – ist bereits im November 2006 angelaufen und fand die Unterstützung einer Reihe prominenter Persönlichkeiten. Wenn Sie nunmehr den Druck einer weiteren Postkarte im Rahmen dieser Kampagne fordern, so gehen Sie auch vom Erfolg dieser Kampagne aus und halten eine Fortführung dieser Kampagne für richtig. Ansonsten machte Ihre Forderung auch gar keinen Sinn.

Ihre Forderung, ein weiteres Postkartenmotiv mit dem Hinweis auf die Strafbarkeit aufzunehmen, geht jedoch fehl. Zum einen findet sich auf der einschlägigen Internetseite der Kampagne „ihre Freiheit – seine Ehre.“ ein Link zur Onlineberatung zum Schutz vor Zwangsheirat, welche vom Mädchenhaus Bielefeld angeboten und vom Land Nordrhein-Westfalen in diesem Haushaltsjahr mit 170.000 € finanziell unterstützt wird.

Frau Kollegin Westerhorstmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Steffens?

Bitte schön, Frau Kollegin Steffens.

Frau Westerhorstmann, haben Sie bei meiner Rede eben nicht gehört, dass es ein Wunsch von betroffenen Frauen ist, die es gerne ihren Eltern zeigen würden? Können Sie sich vorstellen, wie sie mit dem PC von der Schule oder mit dem Ausdruck nach Hause gehen, um das ihren Eltern zu zeigen? – Es ist ein Wunsch von jungen Mädchen gewesen, die sagen: Wir hätten so etwas gerne. – Können Sie das nicht nachvollziehen?

Ich gehe davon aus, dass das aufgrund der Maßnahmen, die wir bis dato auf den Weg gebracht haben, genauso von jungen Mädchen mit nach Hause genommen werden kann und dass es genauso in die Diskussion in die Familien getragen werden kann.

(Frank Sichau [SPD]: Aber ein bisschen an- ders! Nicht so deutlich!)

Eine Verteilung derartiger, mit einem Hinweis auf die Strafbarkeit versehener Postkarten in den Integrationskursen ist vor dem Hintergrund der Aufnahme der Thematik Zwangsheirat im Themenfeld Grundrechte und staatsbürgerliche Pflichten auf Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen in das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erarbeitete Curriculum der Integrationskurse nach dem Zuwanderungsgesetz nicht notwendig. Diese Aufnahme ist Bestandteil des Handlungskonzepts der Landesregierung zur Bekämpfung von Zwangsheirat.

An dieser Stelle möchte ich auch daran erinnern, dass das Handlungskonzept der Landesregierung zur Bekämpfung von Zwangsheirat weiterhin beinhaltet, dass Eltern mit Zuwanderungsgeschichte über sogenannte Elternbriefe angesprochen, sensibilisiert und darin bestärkt werden, die freie Entscheidung ihres Kindes für einen späteren Lebenspartner zuzulassen. Diese Aufklärung über die Problematik der Zwangsverheiratung ist bundesweit einmalig.

Auch ein anderer Aspekt führt dazu, dass wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können. Wie wir bereits bei der Beratung unseres Antrags „Wirksame Maßnahmen gegen Zwangsverheiratungen ergreifen“ am 1. Juni 2006 in diesem Hohen Haus dargelegt haben, halten wir die Aufnahme der Zwangsverheiratung als Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall der Nötigung im 37. Strafrechtsänderungsgesetz als einen wichtigen und richtigen ersten Schritt zur strafrechtlichen Ahndung.