Protocol of the Session on March 12, 2008

Damen und Herren, ist doch der eigentliche Skandal.

Natürlich stimmen wir der Überweisung in den Fachausschuss zu. Auch ich möchte die vereinbarte Redezeit einhalten. Ich freue mich auf die Diskussion im Fachausschuss, die wir vertiefen können.

Ich möchte jedoch noch einmal darauf hinweisen, dass gerade Eckhard Uhlenberg, unser Umweltminister, jeden Zwischenstand im Detail erläutert hat. Er hat auch dazu aufgefordert, dass wir den Weg zu dem Ziel, das wir gemeinsam anstreben, auch gemeinsam gehen sollten. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Kress. – Für die SPD-Fraktion spricht nun die Kollegin Schulze.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich denke, wir sollten uns zu Beginn noch einmal darüber verständigen, um was es hier eigentlich geht. Es geht um eine Umweltzone im Ruhrgebiet, es geht um die Gesundheit der Menschen im Ruhrgebiet.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Kress, zu Ihrer Aussage, dass man die Menschen mitnehmen muss, dass man koordinieren muss, entgegne ich Ihnen von dieser Stelle ganz deutlich: Wenn Sie da nicht koordiniert hätten, hätte sich das Ruhrgebiet schon lange auf eine Lösung geeinigt. Sie koordinieren da nicht, Sie chaotisieren im Ruhrgebiet.

(Beifall von der SPD)

Es ist Ihre Verantwortung als Landesregierung, die Menschen im Ruhrgebiet zu schützen und sich um die Gesundheit der Menschen im Ruhrgebiet zu kümmern. Ihre Fachleute aus den nachgeordneten Behörden haben gesagt, die beste Lösung dafür sei eine einheitliche Umweltzone. Das, was Sie jetzt tun, ist reines Chaos. Sie verwirren. Sie wollen einen Schilderwald mit Zonenrandgebieten, wie es in der „WAZ“ stand. Sie verwirren die Menschen. Sie schaffen Chaos statt Klarheit. So kann man mit so einem wichtigen Thema nicht umgehen,

(Beifall von Britta Altenkamp [SPD])

nur weil man einen schwierigen Koalitionspartner hat.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich glaube Ihnen ja, dass das mit der FDP schwierig ist. Ich glaube ja, dass es schwierig ist, mit Herrn Ellerbrock gemeinsam etwas durchzusetzen. Aber Sie sind in der Verantwortung. Sie müssen sich um die Gesundheit der Menschen im Ruhrgebiet kümmern. Da kann es nicht sein, dass Sie hier Chaos verursachen, dass Sie die Einigung, die es im Ruhrgebiet ja im Grunde genommen schon gab, jetzt dadurch verhindern, dass einmal der Regierungspräsident etwas sagt, dann einmal die Wirtschaftsministerin, dann einmal der Verkehrsminister, aber Sie sich auf nichts einigen können.

Herr Kress, ich gebe Ihnen in einem Punkt Recht. Der Herr Umweltminister, Herr Uhlenberg, ist sehr gut gestartet, sehr ambitioniert. Er hat gesagt, dass die Luft nicht an Verwaltungsgrenzen Halt macht. Er hat sich sehr engagiert eingesetzt. Aber auch hier gilt: Als Tiger gestartet, als Bettvorleger gelandet, meine Damen und Herren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Deswegen ist es richtig, was im Antrag der Grünen steht. Wir brauchen keinen Flickenteppich. Wir brauchen jetzt endlich Klarheit und kein Chaos. Wir brauchen Orientierung für die Menschen im Ruhrgebiet. Wir brauchen Orientierung für die Industrie im Ruhrgebiet und nicht noch mehr Chaos. Es ist richtig, dass im Antrag steht, dass man die Menschen im Ruhrgebiet vor Feinstaub, Stickoxiden und Lärm schützen muss und dass die Umweltzone, eine einheitliche Umweltzone für das Ruhrgebiet, der erste Schritt dazu ist. Das ist sicherlich nicht alles, aber ein erster wichtiger Schritt.

Deswegen ist es gut, dass wir jetzt die Gelegenheit haben, das im Ausschuss weiter zu diskutieren und zu vertiefen. Wir hatten ja hier in der letzten Plenarrunde schon eine intensive Debatte. Wenn diese Debatte dem Umweltminister den Rücken stärkt, damit er sich gegen die Wirtschaftsministerin, den Verkehrsminister und seinen eigenen Regierungspräsidenten durchsetzen kann, dann diskutieren wir das gerne noch einmal für die Gesundheit der Menschen im Ruhrgebiet. – Danke schön.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Schulze. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Ellerbrock.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer über Umweltzonen redet, muss sich fragen: Wie viele Arbeitslose

kann unsere Gesellschaft aushalten? Nach meiner tiefen Überzeugung ist Arbeit mehr als Geldverdienen, und eigenständiges Arbeiten bedeutet letztendlich Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Meine Damen und Herren, nach meiner Überzeugung stehen wir bei der Diskussion über Luftreinhalteplanung vor einer tiefgreifenden Weichenstellung für das Ruhrgebiet, für das industrielle Herz Deutschlands, für die nächsten 20 Jahre.

Ich frage einfach einmal: Haben wir Nokia vergessen, mit 2.300 Arbeitsplätzen? BenQ mit 3.000 Arbeitsplätzen? Opel Bochum mit 2.800 Arbeitsplätzen? Das sind erhebliche Summen, obwohl die nordrhein-westfälische Wirtschaft seit Beginn dieser Koalition zusätzliche 250.000 Arbeitsplätze geschaffen hat.

Wir haben tatsächlich große Erfolge in der Luftreinhalteplanung im Ruhrgebiet erreicht. Handeln tut dennoch Not. Wir haben die EU-Vorgaben. Wir haben das Bundesverwaltungsgerichtsurteil. Wir haben deswegen auch als Koalition den Antrag „Modellregion Nordrhein-Westfalen“ eingebracht.

Meine Damen und Herren, die Forderung nach großflächigen Umweltzonen ist eine Forderung der Umweltdezernenten der Kommunen im Ruhrgebiet – der Umweltdezernenten, nicht des Ruhrgebiets. Großflächige Umweltzonen sind nach meiner tiefen Überzeugung nicht zwingend geboten. Sie sind wirtschaftspolitisch allerdings verheerend. Wenn wir eine großflächige Umweltzone haben, bestätigen wir amtlich: Hier herrscht unzuträglich dicke Luft.

(Svenja Schulze [SPD]: Die herrscht in der Koalition!)

Wer will noch hier wohnen? Wer will hier investieren? Wer will hier hinziehen? Eine bessere Abschreckung können wir gar nicht erreichen. Deswegen ist es ja richtig, wenn dieser Umweltminister auf den integrativen Ansatz des Luftreinhalteplans setzt und sagt: Wir haben 80 Maßnahmen, und eine dieser Maßnahmen ist die Umweltzone mit Fahrverboten. Das ist richtig. Bei gemessenen Überschreitungen und bei plausiblen Berechnungen ist es notwendig, dass wir auch im Ruhrgebiet zu Umweltzonen kommen. Ich glaube, da sind wir uns ganz einig.

Der Luftreinhalteplan verlangt angemessene, differenzierte und verursachergerechte Maßnahmen. Dortmund ist eben anders zu beurteilen als Duisburg.

Ich meine auch, wir müssen weg von Denkverboten. Dafür ist das Ganze viel zu wichtig. Deswegen habe ich eben positiv aufgefasst, dass Herr

Remmel deutlich gesagt hat, wir müssten auch die wirtschaftsstrukturellen Probleme mit berücksichtigen und ausräumen.

Warum reden wir nicht über Abwrackprämien für alte Autos? In der Schifffahrt ist das gang und gäbe. Wir haben gute Erfahrungen mit dem Semesterticket für Studenten gemacht. Wie ich höre, wird das ja durch eine Zuzahlung auf ganz Nordrhein-Westfalen ausgeweitet. Meine Damen und Herren, wenn Züge schon fahren, dann kann man sie ja auch benutzen. Warum machen wir unseren Bürger nicht das hervorragende Angebot, dass sie solche Züge, die ohnehin schon fahren, auch nutzen können, indem wir ihnen besonders kostengünstig ein Nordrhein-Westfalen-Ticket anbieten?

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir müssen weg von irgendwelchen Denkverboten. Eine Zusammenstellung der heute schon eingeleiteten Maßnahmen wird nach meiner tiefen Überzeugung dazu führen, dass wir – und in diesem Diskussionsprozess aufgrund von wissenschaftlich belegbaren Daten befinden wir uns – hier zu Abgrenzungen kommen, die auch zum Beispiel die L 473n, die Erschließung von Logport in Duisburg-Rheinhausen, mit berücksichtigen, damit wir heute schon Entlastungsmaßnahmen mit einbringen können.

Allerdings die Vorstellungen der Kommunen, dass sämtliche kommunalen Tätigkeiten im öffentlichen Interesse sind und deswegen von irgendwelchen Umstrukturierungen ausgenommen sind, halte ich für abenteuerlich. Das kann so nicht sein.

Meine Damen und Herren, stellen wir einfach noch eine andere Überlegung an. Welche Normungen haben wir denn? Die Industrie kann aufgrund der TA Luft und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes arbeiten. Der Hausbrand wird auch vom Bundes-Immissionsschutzgesetz und entsprechenden Verordnungen geregelt. Im Auto haben wir die EU-Normen. In einem zusammenwachsenden Europa setzen wir jetzt aber mit Umweltzonen diese EU-Normung außer Kraft und sagen, jetzt müssen wir da noch etwas draufsatteln. Kann das richtig sein? – Ich weiß es nicht; ich glaube, das ist nicht richtig.

Ich möchte aus einem Buch zitieren, weil auch Frau Kollegin Schulze hier in ihrer bekannten Betroffenheitsrhetorik dargestellt hat, wie schlimm das alles ist. In diesem Buch steht:

„Die Qualität von Luft, Wasser und Boden hat sich während der Amtszeit … geradezu dramatisch verbessert. … Wer heute durch diese Gegend fährt, kann sich kaum noch vorstellen,

welche Belastungen bis vor Kurzem bestanden. 1978 … enthielt die Luft im Ruhrgebiet mehr als 100 Mikrogramm Schwefeldioxid pro Kubikmeter,“

(Svenja Schulze [SPD]: Ist das auch schon Ihre Leistung?)

„… [heute] hingegen nur noch etwa 20 Mikrogramm. Das ist ein Wert, der wohl kaum noch zu reduzieren ist und in allen Großstädten vorherrscht, wobei selbst zwischen Bottrop und Freiburg die Unterschiede gering sind. Bei anderen Luft-Schadstoffen ist der Rückgang nicht ganz so ausgeprägt, aber nicht weniger beeindruckend.“

Weiter heißt es:

„Technische und wissenschaftliche Lösungen hingegen galten weithin als Flickschusterei, als vergebliches Bemühen der Zauberlehrlinge, die Geister zu kontrollieren, die sie gerufen hatten. Tatsächlich jedoch waren technische und wissenschaftliche Entwicklungen entscheidend für die skizzierten Verbesserungen.“

All diese positiven Aussagen kann ich unterstreichen, und ich entnehme sie diesem Buch. Ich zeige Ihnen gerne den Einband:

(Der Redner hält das Buch hoch.)

„Versöhnen statt spalten“ – eine Denkschrift für Johannes Rau.

(Beifall von der FDP)

Deswegen ist für Ihre apokalyptische Darstellung, Frau Schulze, hier überhaupt kein Platz. Schauen Sie es sich an! Einer der Autoren ist übrigens einer Ihrer stellvertretenden Vorsitzenden.

(Svenja Schulze [SPD]: Das ist peinlich, Herr Ellerbrock!)

Meine Damen und Herren, das muss man sich vor Augen halten: Hier wird sachlich orientierte Politik gemacht.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das höre ich zum ersten Mal, seit Sie hier in der Bütt stehen, dass von Ihnen sachliche Politik gemacht wird!)