Protocol of the Session on March 12, 2008

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Anders als Bayern, Baden-Württemberg und Hessen haben wir den überwiegenden Teil der nun nicht mehr in neun, sondern in acht Jahren zu erbringenden Stunden in die Oberstufe verlagert, wo Nachmittagsunterricht auch bislang schon stattgefunden hat. Dadurch erhöhen wir das Stundenvolumen in der Sekundarstufe I altersgerecht und schrittweise von ca. 30 Stunden in Klasse 5

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Noch ein Realitäts- verweigerer!)

auf bis zu maximal 35 Wochenstunden in Klasse 9. Fünf dieser Stunden dienen ausschließlich der differenzierten, bedarfsgerechten Förderung. Das ist ja eines der Ziele unserer Politik: individueller hinzuschauen, jeden Einzelnen besser zu fördern.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Sie machen das Ge- genteil!)

Das unterscheidet uns von den Einheitsmodellen, die Sie vorhaben.

(Beifall von der CDU)

Das ist der Unterschied, über den wir hier streiten.

Dies sind aber auch Angebote zur Förderung, von denen nicht jede Schülerin und jeder Schüler Gebrauch machen muss. Das heißt, hier kann auch in kleinen Lerngruppen die zusätzliche Unterstützung geleistet werden, die manche Kinder brauchen, um an das durchschnittliche Leistungsniveau ihres Jahrgangs herangeführt zu werden.

Wir wollen, dass diese fünf zusätzlichen Stunden für individuelle Förderung im Stundenplan gesondert ausgewiesen werden. Auch den Eltern muss deutlich werden, dass diese Stunden nicht zusätzliche Belastung bedeuten, sondern Entlastung, zum Beispiel Entlastung der Schüler und Eltern von häuslichem und kommerziellem Nachhilfeunterricht.

Dadurch wird der verkürzte Bildungsgang in Nordrhein-Westfalen zu einer geringeren Belastung führen als in allen anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland. Deshalb gibt es hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen überhaupt keinen Grund, solche Schreckensszenarien von Leistungsdruck und Überlastungen zu entwerfen, die, wie Sie suggerieren wollen, Kinder krank machen.

Dennoch, auch auf die aktuellen Diskussionen reagierend, hat sich die Schulministerin mit unseren Partnern, der Landeselternschaft Gymnasien, den beiden Direktorenvereinigungen der Gymnasien, dem Philologenverband, verständigt, welche Sofortmaßnahmen wir ergreifen können, um unnötige Belastungen zu vermeiden und Entlastung zu schaffen. Dazu gehören: Nachmittagsunterricht soll in der Regel auf maximal einen Wochentag in den Klassen 5 und 6 und maximal zwei Wochentage in den Klassen 7 und 8 begrenzt werden. Tage mit Nachmittagsunterricht werden von Hausaufgaben auf den Folgetag entlastet. Klassenarbeiten dürfen nicht an Nachmittagen stattfinden.

Die Anforderungen der Lehrpläne sind bereits reduziert worden. Dadurch können die Unterrichtsinhalte sachgerecht und realistisch auf die Jahrgangsstufen 5 bis 9 verteilt werden.

Zusammen mit Schulen entwickelt das Schulministerium praxisorientierte Unterrichtsprogramme als Muster, die die Schulen nutzen können, wenn sie das wollen. Dadurch sollen die Anforderungen der Lehrpläne konkretisiert und Orientierungshilfen für die Fachkonferenzen gegeben werden.

Wir werden schrittweise eine angemessene Mittagspause sicherstellen.

Schon jetzt verfügt die Hälfte der Gymnasien über Mittel aus den „13 plus“-Maßnahmen. Das zeigt, dass der Weg zu Ganztagsangeboten an vielen Schulen schon beschritten wird. Wir werden zum nächsten Jahr weitere Gruppen ermöglichen.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Liebe Frau Beer, darf ich Sie einmal darauf hinweisen, dass von 1991– damals waren Sie noch nicht in der Regierung – bis 2005 in keiner Schulform Ganztagsschulen genehmigt wurden, außer bei Neugründungen von Gesamtschulen. Wenn Sie über Ideologie sprechen, dann kann ich Ihnen sagen: Das war Ideologie.

(Beifall von CDU und FDP)

Eben ist von Kollegin Pieper-von Heiden erwähnt worden, dass wir mehr Ganztagshauptschulen haben. Kollege Link hat dazwischengerufen: Das haben die Eltern aber nicht gemerkt! – Hier findet kein Gewinnspiel statt.

(Sören Link [SPD]: Sie versündigen sich am Schulsystem!)

Lieber Herr Link, hören Sie kurz zu, bevor Sie dazwischenrufen! Das können Sie danach tun. – An den 250 Ganztagshauptschulen, in die insbesondere viele Kinder mit Zuwanderungsgeschichte gehen, ist durch diese Maßnahme Tausenden von Kindern ein größeres Bildungsangebot gemacht worden. Das ist uns wichtig.

(Lebhafter Beifall von CDU und FDP – Sören Link [SPD]: Das ist lächerlich!)

Dies ist uns wichtiger als Quoten oder Debatten oder all das, was Sie hier vollziehen. Die Kinder wissen, dass sie mehr Chancen haben, weil wir endlich auch Kinder an Hauptschulen ernst nehmen und die Hauptschulen nicht schlechtreden. Das ist der Unterschied!

(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Realitätsfremd! – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Das, liebe Frau Beer, sind keine kosmetischen Korrekturen, das sind richtige und wichtige Schritte zu einem sinnvollen Modell der Schulzeitverkürzung für mehr Chancen für die Kinder in Nordrhein-Westfalen. Damit werden wir wohl auch 2010 in aller Ruhe vor die Eltern treten und sagen können: Wir haben Schule ideologiefrei gemacht;

(Lachen von der SPD)

wir haben mit Ihrer Politik aus 39 Jahren aufgeräumt.

(Lebhafter Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Laschet. – Für die SPD spricht der Kollege Große Brömer.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Solf, zu Ihrer klassischen Vergangenheit komme ich vielleicht gleich noch, wenn Zeit bleibt. Leider habe ich nur knapp sechs Minuten Redezeit.

Ich hatte gehofft, Herr Minister Laschet, wenn man U3 mit „G8“ kombiniert oder, anders ausgedrückt, Sommer mit Laschet, käme etwas mehr Qualität heraus. Sie haben mich enttäuscht.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Lascher Som- mer!)

Ich glaube auch, wir werden mit Ihren suggerierenden Versuchen, die leider nicht unbedingt von Fachkenntnis geprägt waren, nicht viel weiterkommen. Wenn Sie hier am Rednerpult zum Beispiel davon sprechen, in einer Jahrgangsstufe hätten wir maximal 35 Wochenstunden Unterricht und davon seien noch fünf Stunden individuelle Förderung, kennen Sie die Stundentafel nicht, Minister Laschet.

(Beifall von der SPD)

Die fünf Förderstunden sind fünf Jahreswochenförderstunden, die sich auf fünf Jahre verteilen, also eine Förderstunde pro Jahr, wenn sie überhaupt realisiert werden kann.

(Beifall von der SPD)

Ich will nicht im Detail die KMK-Ergebnisse, die eigentlich gar keine waren, kommentieren. In der Presse war zu lesen: Tricksereien und Zahlenspiele. Ich möchte mit einem Zitat beginnen:

„Unsere Kinder brauchen mehr Unterricht statt weniger Unterricht. Die Kürzung auf 265 Wochenstunden entspricht gerade einmal den Minimalanforderungen der Kultusministerkonferenz. Es muss mindestens bei den heute erteilten 272 Wochenstunden bleiben. Statt sich an die Spitze zu stellen, entscheidet sich die Landesregierung von vornherein für das Schlusslicht. Sie schreibt das unterste Niveau fest, das in Deutschland auf dem Weg zum Abitur vorgesehen ist. Schon heute haben die Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen bis zu 800 Unterrichtsstunden weniger als in anderen Bundesländern.“

Sie werden gemerkt haben: Hier wird noch von 272 Stunden geredet, Herr Minister Laschet. Das Zitat stammt vom 9. März 2004, und zwar von dem damaligen Oppositionsführer Rüttgers.

(Beifall von der SPD)

Das ist eine wunderbare Kommentierung Ihrer KMK-Ergebnisse. Um mit noch einem Irrtum aufzuräumen: Es geht überhaupt nicht um die Frage, ob Schulzeitverkürzung Ja oder Nein, sondern es geht um die Frage des Wie. Die haben Sie vermurkst, weil Sie die nicht beantwortet und diesen Murks angerichtet haben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Es geht auch nicht um die Frage, dass wir weniger Unterricht haben möchten, sondern es geht um die Frage, wie man diesen Unterricht gestaltet.

(Beifall von der SPD)

Wir sind der festen Überzeugung, dass wir mehr Unterricht brauchen, mehr ergänzenden Unterricht an den Schulen, nämlich in Ganztagsschulform. Nicht Ganztagsunterricht, irgendwie murksvoll dargestellt, sondern echte Ganztagsschulen haben wir gefordert. Damit sollten Sie sich in Ihrem Redebeitrag beschäftigen und nicht wieder die Thematiken hervorkramen, die wir hier schon beim letzten Mal diskutiert haben.

Wenn Sie zum wiederholten Male sagen – Frau Pieper-von Heiden und wie sie alle heißen –, Sie hätten sich mit der Landeselternschaft der Gymnasien geeinigt: Diese Einigung ist bei den Eltern nicht angekommen. Wenn Sie sich mit Elternfunktionären einigen, heißt das noch nicht, dass die Eltern, die das vor Ort tatsächlich erleben – sie beschweren sich bei Ihnen genauso wie bei uns – , mit dieser Scheinlösung einverstanden sind, die Sie immer noch propagieren.

(Beifall von der SPD)

Die Kollegin Löhrmann hat in der letzten Plenardebatte am 21. Februar 2007 zu diesem Thema den Satz geäußert: „Die schwarz-gelbe TurboSchule bedeutet Fast Food und Wegwerfbildung.“

Das kann man nur unterstreichen, wenn man die konkret vorhandenen Hilfen im Internet abruft. Unter dem Bildungsportal der Landesregierung sind die neuen Lehrpläne zu finden. Ich muss mir leider selbst vorwerfen, dass ich erst gestern hineingeschaut und gesehen habe, was in der Vergangenheit schon angerichtet worden ist. Die Kollegin Beer hat eben einige Beispiele genannt. Ich will nur drei Fächer nennen.

Mathematik: gestrichen in Geometrie Spiegelung und Verschiebung, gestrichen im Bereich Funktion die Klasse der exponentiellen Funktionen, die Klasse der Sinusfunktionen, die Abgrenzung des linearen quadratischen exponentiellen Wachstums. Das könnte vielleicht verwirren, wenn man sich damit auskennt und zum Beispiel Statistiken der Landesregierung hinterfragt.