Protocol of the Session on February 20, 2008

dass ich mich frage, ob Sie wirklich nicht verstanden haben, wie ernst die Lage ist. Und haben Sie auch nicht verstanden, dass die Geschäftspolitik der Bank bis zu Ihrer Amtsübernahme immerhin so erfolgreich war, dass in der ersten Haushalts- und Finanzausschusssitzung mit Herrn Fischer im September 2006 – den Sie übrigens gelobt und als ausgewiesenen Experten bezeichnet haben – Ihre Fraktion die Arbeit der Bank nicht nur gelobt, sondern deutlich gesagt hat – die Kollegen Weisbrich, Klein und andere –, dass die Bank auf dem richtigen Weg sei?

(Beifall von der SPD)

Glauben Sie, Sie können sich heute hinstellen und sagen, alles sei falsch gewesen bis zum Regierungsübergang? – Peinlich, Herr Ministerpräsident! Peinlich!

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das war eine Ohrfeige des Ministerpräsidenten an die CDU- Fraktion! – Weitere Zurufe)

Sie haben erhebliche Fehler in Ihrer Amtszeit gemacht, was die Geschäftspolitik betrifft, und zwar deshalb, weil Sie das haben, was heute nicht mehr wegzudiskutieren ist: eine handfeste Koalitionskrise in Ihren eigenen Reihen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie haben eine handfeste Koalitionskrise, da der eine sagt: Wir verkaufen die Bank – wir werden die Rede des Kollegen Papke sicherlich weiterverbreiten –, während Kollege Stahl sich hinstellt und sagt: Wir wollen ein starkes öffentlichrechtliches Modell. Das, meine Damen und Herren, geht schlicht nicht zusammen!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie haben, weil Sie damals beim Koalitionsvertrag offensichtlich zu schnell und mit heißer Nadel gearbeitet haben, seit Ihrem Koalitionsvertrag das Problem, dass die Bank, die die drittgrößte Landesbank ist, seitdem Sie regieren, möglichst so ausgestattet werden sollte – die Braut hübsch machen, hat der Finanzminister gesagt –, dass sie möglichst schnell verkauft werden kann.

Ich sage Ihnen, Herr Dr. Rüttgers, weil Sie immer unterstellen, wir hätten alle keine Ahnung: Haben Sie einmal geschaut, was in der Geschäftspolitik passiert ist? Haben Sie sich von Herrn Dr. Linssen, der seit den 90er-Jahren diese Bank – wie übrigens auch andere CDU-Politiker und -Kollegen – im Aufsichtsrat begleitet, eigentlich einmal darüber informieren lassen, dass in Ihrer Regierungszeit, weil man schnelle Gewinne wollte, zwei außerbilanzielle Gesellschaften gekauft worden sind – die Namen sind Harrier und Castray –, die jetzt zu den Notleidenden gehören und die die große Krise der WestLB, die übrigens auch alle anderen hatten, erst wirklich zu einer handfesten Krise in Nordrhein-Westfalen gemacht haben? Hat Ihnen das jemand gesagt?

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Woher soll er das wissen? – Weite- re Zurufe)

Herr Ministerpräsident, ich sage Ihnen: Es ging um weitere Probleme und um Fehler, die Sie in Ihrer Zeit gemacht haben, die zeigen, dass Sie ein Problem hatten und dass es darum ging, den Verkauf einzuleiten. Sie haben die Weberbank in Ihrer Amtszeit Ende 2005 gekauft, die auf vermögende Privatkunden ausgerichtet ist. Sie haben damals dem Vorstandsvorsitzenden mitteilen lassen, man habe das getan, um die Geschäfte und damit die Gewinne der Bank erheblich auszuweiten. Das, Herr Dr. Rüttgers, hätte Ihnen der Finanzminister auch sagen müssen.

Und ein fataler Fehler in der Geschäftspolitik war der Verkauf der Beteiligung an der HSH Nordbank. Erklären Sie doch einmal, Herr Ministerpräsident Dr. Rüttgers, warum Sie, wenn Sie damals schon gewusst hatten, dass das Geschäftsmodell falsch ist, die Beteiligung an der Landesbank im Norden verkauft haben!

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, es gibt weitere Belege dafür, dass es eine klare geschäftspolitische Strategie im Aufsichtsrat gab, Herr Finanzminister Linssen, die hieß: Tafelsilber vergolden! Die Bank

sollte in ihren Bilanzen so ausgestattet werden, dass sie möglichst attraktiv für Käufer wird.

Mit dieser Strategie, Herr Dr. Rüttgers, sind Sie gnadenlos in die internationale Finanzkrise hineingeraten, nachdem Sie schon eine hausgemachte Krise haben, die darin bestand, dass offensichtlich mit Wissen Ihres Finanzministers hochspekulative und hochriskante Aktiengeschäfte gemacht worden sind, um,

(Widerspruch von Minister Dr. Helmut Lins- sen)

wie ich gerade sagte, die Bank als interessanten Partner mit hohen Gewinnen zu verkaufen.

(Zuruf von Lothar Hegemann [CDU])

Diese Geschäfte, Herr Finanzminister, sind aufgefallen im März und April des Jahres 2007.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich glaube, ich brauche nicht mehr die Frage zu stellen, ob Sie in diesem Moment nicht nur einfaches Aufsichtsratsmitglied, sondern auch Finanzminister dieses Landes waren, Herr Dr. Linssen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, als diese durchaus hausgemachte Krise der Bank, was den Aktienhandel betrifft, begann, haben die Sparkassen als Mehrheitseigentümer erkannt, dass man handeln muss. Sie haben sehr schnell gesagt: Wir können uns sehr gut eine Zusammenarbeit mit BadenWürttemberg auf der Ebene der Landesbanken vorstellen. Sie haben, Herr Finanzminister, Herrn Stuhlmann als Nachfolger von Herrn Fischer geholt, der gehen musste, um diese Fusion auf den Weg zu bringen.

Dann hat der Ministerpräsident – Stichwort: Chefsache – diesen Weg aus parteiinternen, taktischen Querelen gnadenlos blockiert.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle fange ich an, über Verantwortung zu reden. Denn zu diesem Zeitpunkt trieb die Bank erkennbar einem Eigentümerstreit entgegen, der dadurch gekennzeichnet war, dass Sie als Regierungschef mit Starrköpfigkeit alle Versuche, die gestartet worden sind, mit Ihnen gemeinsam auf den Weg zu kommen, blockiert haben. Sie haben Herrn Finanzminister Linssen losgeschickt, vielleicht Sachsen zu kaufen, vielleicht in Bayern nachzuhören, und haben am Schluss im Dezember nicht mehr in der Hand gehabt als – nach einem Telefonat oder Gespräch mit Ihrem damaligen Amts

kollegen Koch – eine mögliche Option auf die Helaba.

Das, meine Damen und Herren, ist Ihnen vor zwei Tagen von den Mehrheitseigentümern der hessischen Bank aus den Händen geschlagen worden, die gesagt haben: Mit einer solchen Landesregierung nicht! Das war die klare Aussage: Mit einer solchen Landesregierung nicht!

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, jetzt stehen wir in einer doppelten Krise: der hausgemachten Krise, die nicht gelöst worden ist durch das Untätigwerden, und in der internationalen Krise. Jetzt passiert etwas, was ich für fatal halte. Deshalb bin ich dankbar, dass wir noch einmal durch Frau Krafts Rede klargemacht haben, wo wir stehen. Es passiert Folgendes: Sie gehen hin und setzen die Sparkassen in einer Situation, in der Sie wissen, dass die Sparkassen die Verluste nicht tragen können, unter Druck, erpressen sie und nehmen Teile des Sparkassengeschäftes, um es zu einem Geschäft der WestLB zu machen.

(Widerspruch von Christian Weisbrich [CDU] und Manfred Palmen [CDU])

Meine Damen und Herren, an dieser Sache ist interessant, dass Herr Breuer, der Vertraute von Herrn Dr. Rüttgers, sich sehr schnell eingearbeitet hat. Kompliment; da stimme ich Frau Löhrmann zu.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE] nickt.)

Kompliment, wie er messerscharf die Lage erkannt hat. Jetzt lassen Sie mich ihn sinngemäß zitieren

(Zuruf von der CDU: Wieso denn nur sinn- gemäß?)

aus der Sitzung, die er am 15. Februar mit den Sparkassen im Rheinland hatte. Da sagt Ihr Vertrauter, Herr Dr. Rüttgers …

(Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers spricht mit Minister Andreas Krautscheid.)

Herr Dr. Rüttgers, ich wollte Ihnen etwas sagen.

(Zuruf von der SPD: Er ist nicht interessiert daran! – Weitere Zurufe von der SPD)

Hat man, Herr Präsident, ein Recht darauf? – Nein. – Ich halte fest: Herr Dr. Rüttgers ist nicht interessiert daran. Vielleicht liegt es auch an Herrn Krautscheid.

(Zuruf von der SPD: Er ist mit Herrn Kraut- scheid im Urlaub! – Weitere Zurufe)

Herr Dr. Rüttgers, Sie können es ja im Protokoll nachlesen, wenn Sie im Moment nur körperlich und nicht auch geistig anwesend sind.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das parlamenta- rische Niveau des Ministerpräsidenten ist un- terirdisch!)

Herr Breuer hat Folgendes festgestellt: In dieser Situation ist klar, dass es für die WestLB keine Stand-alone-Lösung gibt. Das müssen wir den Menschen in diesem Land sagen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir nehmen keine Vertikalisierung hin und erwarten – so der Rüttgers-Vertraute Breuer –, dass zwischen ehrlichen Kaufleuten – ich vermute, Herr Dr. Linssen ist gemeint – Klarheit herrscht und man sich auf den Finanzminister verlassen kann. – Meine Damen und Herren, brillanter und auch politisch deutlicher kann man die Situation der Bank nicht mehr beschreiben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Es ist fatal, dass auf der einen Seite die Sparkassen erpresst werden und auf der anderen Seite die Landesregierung, das Kabinett, vielleicht auch nur der Finanzminister, locker sagt: Wir sind in der Lage, 3 Milliarden € Risiko zu übernehmen und fast 800 Millionen € in die Bank hineinzugeben. – Diese Situation geht nicht zu Ihren persönlichen Lasten, Herr Dr. Rüttgers oder Herr Dr. Linssen, sondern klar zulasten der Steuerzahler dieses Landes, die in den letzten Monaten des Jahres 2007 so viel Steuern in die Kassen unseres Landes eingezahlt haben, dass Sie heute, ohne große Verantwortung zu übernehmen, locker hingehen und sagen können: Das zahlen wir aus Steuermehreinnahmen; das ist alles kein Problem.

Für uns ist das ein Problem! Frau Löhrmann hat vorhin noch einmal deutlich gemacht, was man mit über 400 Millionen € zusätzlichen Einnahmen alles hätte finanzieren können.