Protocol of the Session on September 15, 2005

Sie kündigen ein Weiterbildungsprogramm zur Qualifizierung für das dritte Fach an. - Ich bin in diesem Falle eine Kronzeugin, und zwar als Nachqualifizierte für Sport, weil es an Grundschulen Mangelfach war. Diese Weiterbildungsprogramme für Mangelfächer gibt es schon seit eh und je, und ich freue mich, dass Sie sie fortführen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN - Zuruf von der CDU)

Sie wollen Grundschullehrer für die Hauptschulen anwerben. - Auch das ist die Fortsetzung der Politik der rot-grünen Landesregierung, und dafür danke ich Ihnen.

Ich freue mich über Ihre Ankündigung, weiterhin gezielte Werbekampagnen starten zu wollen. - Auch das ist die Fortsetzung der Politik der rotgrünen Landesregierung.

(Ingrid Pieper-von Heiden [FDP]: Aber mit Hochglanz!)

Sie haben stolz erklärt, alle Referendarstellen ausnutzen zu wollen. - Das können Sie, weil wir im Jahre 2004 mit der rot-grünen Koalition in einer finanziell sehr schwierigen Zeit die Referendarstellenzahlen ausgeweitet haben. Wir haben letztes Mal schon 1.000 Referendare aus anderen Bundesländern in Nordrhein-Westfalen ausgebildet.

(Zuruf von der CDU: Die haben Sie alle ab- gewählt!)

Ich will aber eines nicht verschweigen - Frau Hendricks hat es angemerkt -: Bei aller Euphorie über die vielen Maßnahmen, die Sie einführen wollen, dürfen wir nicht verkennen, dass wir wieder in folgende Situation hineinlaufen werden - das lässt unser Beamtengesetz gar nicht anders zu -:

Wir werden jetzt alle frei werdenden Lehrerstellen neu besetzen und zusätzliche Stellen schaffen. Diese Lehrer werden im Durchschnitt 30 Jahre an den Schulen bleiben. In dieser Zeit wird sich aber die Zahl der Schüler verringern.

Das heißt, wir alle laufen sehenden Auges wieder in eine Situation, in der wir irgendwann keine Lehrer mehr einstellen können und in der wir irgendwann wieder den Generationswechsel einklagen werden. Das lässt unser System zurzeit nicht anders zu. Ich weiß auch keine Lösung, weil wir nicht darauf verzichten können, jetzt Lehrer einzustellen. Insofern stehen Sie vor einer schwierigen Aufgabe.

Eine Zahl möchte ich noch ansprechen. Nach Ihrer Aussage beläuft sich der Bedarf an Lehrern bis 2010 auf 41.000. Zusätzlich wollten sie bis 2010 noch 3.000 Stellen schaffen. Diese 3.000 Stellen verkaufen Sie mindestens fünfmal:

Einmal verkaufen Sie sie als Instrument zur Minimierung des Unterrichtsausfalls. Und Sie verkaufen sie ein zweites Mal, und zwar zur Reduzierung der Klassenstärken. Ein drittes Mal verkaufen Sie sie mit dem Argument, die vorgezogene Einschulung damit finanzieren zu wollen. Sie verkaufen sie schließlich ein viertes Mal, weil Sie Englisch ab Klasse 1 einführen wollen. Jetzt habe ich das fünfte Mal vergessen, aber viermal reicht auch.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

- Sie wollten damit noch die Schulleitungen entlasten.

Sie müssen sich irgendwann präzise dazu äußern, was genau Sie mit diesen noch 3.000 Lehrerstellen machen werden, denn über die 1.000, die Sie jetzt eingestellt haben, haben wir uns schon lange genug gestritten; das werden wir auch weiterhin tun.

Ich stelle hier und heute fest: Sie haben diese von Ihnen beantragte Aktuelle Stunde mit dem Verweis auf einen Zeitungsartikel, der sich auf Bayern und Berlin bezieht, begründet.

(Zuruf von Bernhard Recker [CDU])

- Sie können sagen, was Sie wollen. Schauen Sie in Ihren eigenen Antrag hinein.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

In Nordrhein-Westfalen haben wir alle Maßnahmen eingeleitet, die Sie fortsetzen wollen, worüber ich mich freue. Und auch Herr Witzel hat Absichten bekundet. Herr Link hat Ihnen ein Bündel von zusätzlichen Maßnahmen genannt.

Herr Linssen war leider draußen, aber wir sind gespannt darauf, wie er dazu steht und ob Sie dann all das Angekündigte - bedarfsdeckender Unterricht, Lehrer über die Ferien beschäftigen, Gehaltsstufen heraufsetzen, um das Lehramt attraktiver zu gestalten, Stundenkürzungen für andere - wieder zurücknehmen werden oder ob es Ihnen gelingt, es umzusetzen. Ich bin gespannt.

Ich sage Ihnen deutlich: Wir konnten es nicht umsetzen, weil wir Ehrlichkeit und Klarheit im Haushalt bewahren wollten.

(Lachen von CDU und FDP)

- Da müssen Sie jetzt nicht jaulen; seien Sie ganz leise. Ich bin gespannt auf Ihren Entwurf für 2006 und was Sie alles für die Lehrer und Lehrerinnen tun wollen. - Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Schäfer. - Meine Damen und Herren, es liegen zur Aktuellen Stunde keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit schließe ich die Aktuelle Stunde.

Wir kommen zu:

2 Belastung für Landeshaushalt durch unsinnige Steuerpolitik vermeiden - KirchhofModell verhindern

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/204

Ich weise darauf hin, dass es hierzu einen Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP gibt, Drucksache 14/254. Titel dieses Entschließungsantrages: „Chancen für Arbeitsplätze und Investitionen schaffen - Das Steuerrecht muss wieder transparent und gerecht werden!“

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPD-Fraktion Frau Walsken das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Kirchhof ist ein schönes Thema, auch wenn

es ein Tandem-Thema werden wird. Dazu kommen wir gleich noch. Kirchhof ist auch deshalb ein schönes Thema, weil der Herr Finanzminister uns bis heute überhaupt noch nicht verraten hat, wie er dazu steht und wie er die Auswirkungen des Kirchhof-Modells diskutieren möchte.

Deshalb waren wir der Ansicht, dass es Sinn macht, heute, noch vor dem 18. September, den Finanzminister aufzufordern, uns seine Position und die der Landesregierung darzustellen.

Herr Linssen, ich glaube nicht, dass es weiterhin mit Abtauchen funktioniert. Ich glaube nicht, dass es weiterhin möglich ist, einfach so zu tun, als wäre jetzt nicht der Zeitpunkt, über Dinge zu reden, die aktuell in der Diskussion sind und von den Medien aufgegriffen werden.

Bis jetzt hat der Finanzminister uns nur vorgeschlagen: Neuverschuldung. - Das wird Probleme geben, nicht nur mit der Opposition. Es wird erhebliche Probleme mit ganz anderen Kreisen geben, vielleicht auch mit Gerichten in diesem Land.

Da Probleme sicherlich etwas sind, Herr Linssen, wovon Sie im Moment genug haben,

(Minister Dr. Helmut Linssen: Sie haben doch angeblich alles sauber hinterlassen!)

zitiere ich ein paar Artikel: „WZ“:„Schwarz-Gelb rüstet beim Personal auf!“ „Rheinische Post“ von gestern: „Neue Schulden, mehr Stellen!“ „Tagesspiegel“: „Rüttgers neue Jobs!“

Ist das die neue Variante der neuen Bescheidenheit der neuen Regierung? Waren Sie nicht eigentlich auf dem richtigen Wege, Herr Finanzminister, als sie gestern der „Westfalenpost“ erklärt haben: Vor allem die Explosion der Personalkosten bereitet mir Sorge. - Und wenn Sie, Herr Finanzminister, sogar täglich zwei Kerzen in Kevelaer aufstellen wollen, damit die Zinsen nicht steigen, muss dann nicht mindestens eine für das Ende der Begehrlichkeiten Ihrer Ministerkollegen dazukommen?

Meine Damen und Herren, das sind Fragen, die wir heute ganz gerne diskutieren wollen, denn uns ist jahrelang vonseiten der CDU und der FDP ein Konzept verkauft worden, mit dem der radikale Abbau von Personalstellen gefordert wurde, und zwar von 1,5 % in jedem Jahr.

Wir haben das noch einmal gerechnet. Das wären gemäß Ihrer damaligen Anträge über 5.000 Stellen gewesen. Dann haben Sie aus politischer Opportunität die Bereiche Polizei, Justiz und Bildung herausgenommen, aber damals völlig vergessen, die Zahlen zu korrigieren.

Nehmen wir die genannten Bereiche aus, kommen wir auf eine Zahl von insgesamt 37.000 Beschäftigten in den verbleibenden Bereichen der Landesverwaltung. Dann müssten Sie auf der Basis 1,5 %, wenn Sie sich selber ernst nähmen, 550 Stellen im laufenden Haushaltsjahr streichen. Da Sie erst im Juni die Regierung übernommen haben und wir fair sind, wären ca. 270 Stellen abzubauen. Aber nach dem Motto „Versprochen - gebrochen“ packen Sie zusätzlich rund 100 Stellen für den Regierungsapparat drauf. - Diese Aufblähung des Haushaltes werden wir nicht mitmachen!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir werden Ihnen auf der Spur bleiben. Und daher werden Sie nicht wie heute Morgen in der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses mit dem Spruch davonkommen: Warten Sie mal ab, was im Haushalt steht. Vielleicht sagen wir Ihnen was, vielleicht auch nichts.

Wenn Sie rechnen würden, wüssten Sie, dass für diese Stellen 80.000 € Jahresgehalt einschließlich Pensionsrückstellungen aufzubringen sind. Wenn Sie das dann auf fünf - wir sind ja fair -, auf viereinhalb Jahre hochrechnen, sind Sie bei fast 30 Millionen € Mehraufwand. Heute Morgen haben Sie im Haushalts- und Finanzausschuss gesagt: Das sind Peanuts, darüber brauchen wir doch wohl nicht groß reden.

Für uns sind das keine Peanuts; denn 80.000 € sind viel Geld für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Lande. Und da werden wir nachhaken, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Und ich behaupte, nicht einmal diese Summe werden Sie finanzieren können, geschweige denn - damit komme ich gerne wieder zum Thema - die Belastungen aus dem Kirchhof-Modell. Alle 16 Finanzminister - übrigens auch die aus Bayern und Baden-Württemberg - haben einstimmig erklärt: Kirchhof ist für uns Länder nicht finanzierbar.

Bereits im ersten Jahr würden allein für Nordrhein-Westfalen Einnahmedefizite in Höhe von 4 Milliarden € entstehen.