Protocol of the Session on September 15, 2005

Das Gleiche gilt für einzelne Fächer: Mathematik, Physik, Latein, Informatik, Musik und Kunst. Die Landesregierung stellt sich dieser Herausforderung und will gezielt gegensteuern. Mit einem Sechspunkteprogramm wollen wir auf das Prob

lem reagieren. Ich habe es eben schon erwähnt, ich möchte es kurz erläutern:

Punkt 1: die Attraktivitätssteigerung des mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bereichs. Wir benötigen einen Mentalitätswandel. Die Hemmschwelle gegenüber naturwissenschaftlich-technischen Fächern muss abgebaut werden. Das kann weder mein Ressort noch die Landesregierung allein schaffen. In einer gemeinsamen Anstrengung von Wirtschaft, Berufsverbänden, Medien und Bildungsinstitutionen sollte es aber gelingen, diese Fehlentwicklung zu korrigieren.

Punkt 2: die Einrichtung eines Weiterbildungsprogramms zum Erwerb eines dritten Unterrichtsfachs. Wir wollen auch Lehrkräften mit weniger gefragten Fächern eine dauerhafte Perspektive im Schuldienst bieten. Deshalb überlegen wir, gute Absolventinnen und Absolventen der zweiten Staatsprüfung nachträglich in Mangelfächern zu qualifizieren.

(Beifall von CDU und FDP)

Punkt 3: das verstärkte Gewinnen von Grundschullehrkräften für den Einsatz in der Hauptschule. Wir wollen die Hauptschule wieder zu einem attraktiven Ort des Lernens machen - für Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte, aber auch für Ausbildungsbetriebe der Wirtschaft. Hier spielt das Ganztagsprogramm eine wesentliche Rolle. In den nächsten Jahren wollen wir einen Teil der ausgebildeten Grundschullehrkräfte gezielt für eine Tätigkeit in der Hauptschule und in anderen Schulen der Sekundarstufe I gewinnen.

Punkt 4: die Erweiterung des Seiteneinsteigerpotenzials. Gerade an den Berufskollegs werden wir auch künftig auf Seiteneinsteiger nicht verzichten können. Darum prüfen wir, ob wir durch eine Reform des bestehenden Seiteneinsteigermodells mehr frisch ausgebildete Hochschulabsolventen mit Mangelfächern für die Arbeit an der Schule gewinnen können.

Punkt 5: die zielgenaue Werbung um Lehrernachwuchs. Unter den Studienberechtigten müssen wir eine bessere Werbung für den Lehrerberuf betreiben, als es bisher geschehen ist. Hier sind die Studien- und Berufsberatung und die Arbeitsagentur gefragt. Darüber hinaus muss die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Schulen verbessert werden. Nur so können wir das eigentliche Problem lösen, dass nämlich der Lehrkräftebedarf vor allem schulformspezifischer und fachspezifischer Natur ist.

Punkt 6: die konsequente Ausnutzung der Stellen für den Vorbereitungsdienst. Wir wollen aus

nahmslos alle Kapazitäten der grundständigen Lehrerausbildung nutzen und so viele Lehrkräfte wie möglich ausbilden. Als Sofortmaßnahme gilt dies bereits für den jetzt beginnenden Vorbereitungsdienst für die Lehrämter des Berufskollegs und der Hauptschule und Realschule. Zurzeit besetzen die Bezirksregierungen in einem zweiten Nachrückverfahren jeden freien Ausbildungsplatz.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Für den Vorbereitungsdienst, der am 1. Februar 2006 beginnt, hat Nordrhein-Westfalen mit 6.670 Bewerbern den höchsten Stand seit Jahren erreicht. Sehr geehrte Frau Beer, ich möchte noch eine Zahl toppen. Ich toppe die von Ihnen genannte Zahl und sage: 1.200 dieser Bewerberinnen und Bewerber stammen aus anderen Bundesländern.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir wollen auch diesen Bewerbern eine Perspektive in unserem Land geben und sie dauerhaft in Nordrhein-Westfalen halten. Wir geben den Bewerbern von vornherein die Sicherheit, dass alle ein Einstellungsangebot erhalten. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern werden wir darauf besonders achten.

Sehr geehrte Damen und Herren, wie die hohen Bewerberzahlen für den Vorbereitungsdienst zeigen, haben wir in Nordrhein-Westfalen das Potenzial, unser Land als Standort des Lernens und Lehrens zu stärken und damit die Herausforderung des Lehrermangels zu bewältigen.

Frau Ministerin, Ihre Redezeit ist leider zu Ende.

Gestatten Sie mir noch einen abschließenden Satz?

Natürlich, einen Satz auf jeden Fall.

Für diese Ziele bitte ich alle Beteiligten um ihre Unterstützung, besonders die Lehrerinnen und Lehrer, die meine Botschafter sind, wenn es darum geht, für die neue Lehrergeneration zu werben. Ich danke auch denen, die heute dazugehören. - Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin Sommer. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Sören Link.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben heute eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Drohende Lehrerlücke verhindern - Junge Menschen für das Lehramt motivieren“, bei der über alle möglichen Probleme geredet wird: Lehrermangel in Bayern, Lehrermangel in Deutschland. Ich wundere mich ein bisschen darüber, dass Sie nicht insbesondere auf den Lehrermangel in Nordrhein-Westfalen eingehen.

So schlimm kann er nicht sein, wenn man dem folgt, was von Ihrem Schulministerium mittlerweile veröffentlicht wird. Lesen Sie einmal die Presseschau, beispielsweise vom 13. September! Dort äußert Frau Ministerin Sommer - durchaus fachkompetent beraten, wie ich meine -, sie glaube nicht, dass in Nordrhein-Westfalen so viele Lehrer fehlen würden. Des Weiteren verkündet das Ministerium - ebenfalls am 13. September -, in Nordrhein-Westfalen werde kein dramatischer Lehrermangel erwartet. - Ganz so schlimm, wie Sie es hier darstellen, kann es also nicht sein.

Dabei bestreite ich nicht das grundsätzliche Problem. Natürlich haben wir auch in NordrheinWestfalen einen Lehrermangel. Ich will auch gar nicht behaupten, dass wir in der Vergangenheit alles richtig gemacht hätten. Umgekehrt wäre es aber doch auch nur mehr als fair, wenn Sie nicht so täten, als hätten wir alles falsch gemacht; denn so schlimm kann es nicht sein, wenn Leute aus anderen Ländern versuchen, in NordrheinWestfalen ein Lehramtsreferendariat zu beginnen und hier Karriere zu machen. Dann kann es so schlimm wirklich nicht sein. Ich glaube, es gehört zur politischen Fairness dazu, dass man das auch vernünftig darstellt.

Herr Kaiser, Sie haben gerade gesagt, Populismus vor der Wahl sei Ihre Sache nicht. - Darüber kann ich nur herzhaft lachen. Diese Aktuelle Stunde zeigt das genaue Gegenteil. Auch ist die von Ihnen vollzogene Einstellung von 1.000 Lehrern das genaue Beispiel für Populismus. Das habe ich schon in den letzten Runden erklärt. Hätten Sie auf Qualität Wert gelegt, dann hätten Sie die bewährten Grundsätze der schulscharfen Ausschreibung beachtet und nicht auf dieses Listenverfahren zurückgegriffen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Aber sei es, wie es ist. Von Ihnen haben wir heute noch nicht viel gehört. Auch von Ihnen, Frau Pie

per-von Heiden, haben wir nicht viel Konkretes vernommen. Sie haben zwar viel geredet, aber leider kaum Inhalt hinterlassen.

(Beifall von der SPD)

Von dieser Kritik möchte ich ausdrücklich Frau Sommer ausnehmen, die am Ende ihrer Ausführungen zumindest ihre sechs Punkte etwas erläutert hat. Es mag für Sie vielleicht neu sein - Sie regieren noch nicht so lange -, aber Sie müssen sich daran gewöhnen, dass Sie hier nicht nur Allgemeinplätze fabrizieren können, sondern irgendwann auch einmal konkret mitteilen müssen, was Sie tun wollen.

An dieser Stelle gebe ich Ihnen - ob Sie es möchten oder nicht - ein paar Hinweise, was man möglicherweise konkret machen könnte. Sie haben als Landesregierung ein paar Stellschrauben, an denen Sie durchaus drehen können.

Zum Beispiel können Sie finanzielle Anreize für Lehrer schaffen. Sie können auch Anreize schaffen, die nicht finanzieller Art sind.

Nehmen wir doch exemplarisch etwas heraus:

Herr Kaiser hat gefordert, das Programm „Geld statt Stellen“ dringend auszubauen; Lehrer müssten durch die Ferien hindurch beschäftigt werden. - Ja, wunderbar! Sie regieren doch. Dann machen Sie es doch! Herr Laumann, der Arbeitsminister, hat es doch auch gesagt. Machen Sie es! Sie werden den Beifall der Personalabteilungen der Bezirksregierungen bekommen. Ich habe selber dort gearbeitet. Ich weiß, dass es verdammt viel Aufwand ist, die Lehrer in den Ferien auszugliedern und anschließend wieder einzugliedern. Machen Sie es! Auch die Lehrer werden sich freuen. Schauen wir einmal, was Ihr Finanzminister dazu sagen wird.

Sie können natürlich auch die von uns eingeführten Imagekampagnen fortsetzen. Wunderbar! Machen Sie es! Sie regieren doch.

Sie können eine höhere Besoldung festsetzen, beispielsweise für Lehrer an Haupt- und Realschulen. Ich kann Sie darüber aufklären, warum keine Lehrer dorthin gehen wollen. Sie werden da schlechter besoldet als am Gymnasium - ganz einfach. Sie als Regierungspartei oder als Regierungsfraktionen können jetzt doch wunderbar die Besoldung für Lehrer an Haupt- und Realschulen erhöhen, Frau Pieper. Sie nicken. Machen Sie es. Wunderbar!

Sie können auch Zuschläge einführen.

Sie können die Stundenzahl für Lehrer in Mangelfächern runtersetzen. Auch das können Sie machen. Sie sind Erlassgeber. Tun Sie es.

Sie können auch Zuschläge für Lehrer in Mangelfächern zahlen.

Sie können die Unterrichtsstunden für Lehrer mit Korrekturfächern runtersetzen. Das können Sie landesweit regeln. Das liegt alles in Ihrer Möglichkeit.

Sie können ein einheitliches Dienstrecht einführen, wie wir es mit der Bull-Kommission vor einigen Jahren angedacht haben und angegangen sind. Das können Sie jetzt machen. Die Vorarbeit ist geleistet.

Sie können leistungsbezogene Zuschläge einführen. Sie können Anreize einführen. Alles wunderbar!

Sie können die Lehrer von Verwaltungsaufgaben entlasten. Auch das liegt alles in Ihrer Möglichkeit.

Bis auf Ankündigungen ist von Ihnen aber bis jetzt noch nichts gekommen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

- Ja, das ist wahr. Da können Sie noch so oft den Kopf schütteln, Herr Recker. Das ist einfach so.

Sie können die Lehrer auch - so wie Sie es angekündigt haben und wie es beispielsweise Hessen gemacht hat - aus anderen Bundesländern abwerben. Hessen ist damit „brutalstmöglich“ gescheitert. Mittlerweile rudert unser „brutalstmöglicher“ Aufklärer da wunderbar zurück.

(Beifall von der SPD)

Aber auch das können Sie hier durchaus machen. Wobei ich persönlich das ziemlich unsolidarisch finde.

Sie können mehr Sozialpädagogen an die Schulen bringen.