Protocol of the Session on December 5, 2007

Der Bildungscheck ist eine hervorragende Sache. Der hat sich mit 60.000 Teilnehmern im vergangenen Jahr bewährt. Dahinter steckt ebenfalls ein Ansatz.

Natürlich enthält der Haushalt auch weiterhin die Förderung innovativer Einzelprojekte, aber nur in geringem Maße, damit Innovation nicht verlorengeht und Dinge auch schon einmal ausprobiert werden können.

Schwerpunkte setzen wir bei Langzeitarbeitslosen, bei Menschen mit Migrationshintergrund und bei Menschen mit Behinderungen. Dazu werden wir auch noch entsprechende Anträge nachliefern. Hier ist der Bereich zu fördern, der weder vom SGB II noch vom SGB IX gepackt wird, sondern bei dem wir nacharbeiten müssen, weil die Leute sonst durchs Rost fallen. Dafür werden wir auch noch Hilfe anbieten. Wir werden dafür einige Millionen Euro vorsehen müssen, damit diese Menschen wertbetont ihren eigenen Lebenssinn und ihre eigene Lebensorganisation in die Hand nehmen können. Wann, das werden Sie früh genug erleben.

Aber eines sei dazu noch gesagt.

(Zuruf von der SPD)

Wenn Sie dazwischenrufen, dann tun Sie das doch deutlich, damit man das hier auch verstehen kann. Sonst bringt das nichts.

Eine verantwortungsbewusste Haushaltspolitik dient dem Arbeitnehmer von heute, aber auch dem Arbeitnehmer von morgen. Wir dürfen nicht heute etwas verpulvern, was kommende Generationen bezahlen müssen. Das wäre falsch. Das können wir nicht mitmachen. Das werden wir Ihnen auch nicht durchgehen lassen. Förderung geht nicht mehr mit der Gießkanne, sondern erfolgt nur noch gezielt. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Post. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Dr. Romberg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gab etwas Neues bei der SPD-Fraktion. Das Thema Mindestlohn kam nicht wie sonst immer am Anfang der Rede von Herrn Schmeltzer, sondern diesmal am Ende. Vielleicht ist das schon ein Zeichen dafür, dass es mit dieser Forderung langsam ein Ende hat, wo es erste konkrete Anzeichen gibt, was der Mindestlohn für den Arbeitsmarkt bedeutet. Der gesetzliche Mindestlohn von 7,50 €, den die SPD will, würde in NRW 200.000 Arbeitsplätze kosten.

(Lachen von Rainer Schmeltzer [SPD])

Da lachen Sie. Wer Arbeitnehmerinteressen ernst nimmt, kämpft gegen den Mindestlohn. Wir werden das weiter tun.

Herr Kollege Schmeltzer, die Neuverschuldung steigt nicht. Die Verschuldung steigt. Das ist weiter traurig. Dass sich das ändert, bleibt unser ehrgeiziges Ziel. Aber mit 1,77 Milliarden € haben wir den niedrigsten Stand seit 30 Jahren erreicht. Daran können Sie deuteln, was Sie wollen.

Die Arbeitslosigkeit ist auf Talfahrt. „Sechsjahrestief“ – so überschrieb die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit letzte Woche ihre Pressemitteilung zu den neuesten Arbeitsmarktzahlen. Die Zahl der arbeitslosen Menschen ist im November auf 782.140 gesunken und war damit um genau 135.560 niedriger als im Vorjahr. Das sind 14,8 % weniger im Vergleich zum Vorjahr.

Jetzt haben wir von der SPD wieder gehört, das sei alles nur das Verdienst von Herrn Schröder und der Agenda 2010.

(Ralf Witzel [FDP]: Lächerlich!)

Deshalb wunderte mich die Diskussion der letzten Wochen, wo ja die SPD Abstand von der Agenda 2010 genommen hat. Wenn sie wirklich so gut ist, dann sollten Sie uns das noch einmal erklären.

Hauptfaktor ist für mich immer noch das Wachstum der Weltwirtschaft. Das ist ein Faktor, der größten Einfluss hat.

Die Mittelstandsfreundlichkeit hat sich unter der schwarz-gelben Landesregierung gegenüber den rot-grünen Zeiten deutlich erhöht.

(Beifall von der FDP)

Das merkt mittlerweile auch der Mittelstand, der die Arbeitsplätze schafft. Im Bundesranking liegen wir beim Wachstum nicht mehr an letzter Stelle oder auf dem vorletzten Platz wie unter Rot-Grün. Wir liegen jetzt über dem Bundesdurchschnitt. An diesen Beispielen zeigt sich: NRW hat sich verbessert. Das wirkt sich natürlich auch auf dem Arbeitsmarkt aus.

Die Regionaldirektion meldet weiter, dass vor allem ältere Arbeitslose sehr viel leichter einen Arbeitsplatz finden konnten. Bei den über 50Jährigen sei die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr um 18,5 % zurückgegangen, bei den 55Jährigen sogar um 24 %. Das klingt erfreulich und deutet darauf hin, dass die Betriebe, offenbar aufgeschreckt durch den drohenden Fachkräftemangel, ihre Vorurteile gegenüber älteren Arbeitskräften erfolgreich hinterfragt haben. Es gibt jedoch keinen Grund, zu glauben, dass wir über den Berg sind.

Finanzpolitisch haben wir es allerdings zugleich mit einigen grundlegenden Änderungen zu tun. Bekanntlich muss sich die Arbeitsmarktpolitik in NRW auf eine erhebliche Mittelkürzung bei der Strukturfondsförderung der EU einstellen. Auch deshalb wurde eine konzeptionelle Umsteuerung unumgänglich, die weg von der Vielzahl von unüberschaubaren Einzelprojekten hin zu echten Schwerpunkten führt. Das sind die Bereiche, in denen der größte Handlungsbedarf besteht und eine Förderung durch das Land in Ermangelung anderer Finanzmöglichkeiten sinnvoll ist.

Alle Maßnahmen sind Bestandteile eines Gesamtkonzepts, das nicht auf kurzfristige Effekte zielt, sondern perspektivisch angelegt ist. Bei den besagten Schwerpunkten der Arbeitsmarktpolitik handelt es sich um Jugend- und Berufsausbildung, Förderung der Beschäftigungsfähigkeit und besondere Zielgruppen. Das wichtigste Ziel besteht darin, die Arbeitslosigkeit schon im Vorfeld zu verhindern.

An dieser Stelle will ich ausdrücklich erwähnen, dass wir uns in NRW über eine positive Trendwende bei den Ausbildungsplätzen freuen dürfen. Ende September wurden – und zwar bei allen Kammern – über 10.000 zusätzliche Ausbildungsverträge abgeschlossen. Für die gemeinsamen Anstrengungen möchte ich mich bei allen Beteiligten bedanken.

(Beifall von der FDP)

Trotzdem reicht das, auch wenn die Entwicklung ermutigend ist, immer noch nicht aus. Besondere Sorgen bereitet uns die Gruppe der Jugendlichen, die in den sogenannten Warteschleifen stecken und keinen regulären Arbeitsplatz finden. Ihr Risiko, später zur Gruppe der Langzeitarbeitslosen zu gehören, ist leider besonders hoch. Daher wurde im Jahr 2006 für genau diese Zielgruppe das Sonderprogramm Ausbildung ins Leben gerufen, das bis in das Jahr 2008 fortgeführt wird.

Für das Werkstattjahr werden im kommenden Jahr 28,4 Millionen € verfügbar sein. Dieses Instrument hat sich bewährt und zielt auf die Gruppe der Jugendlichen, die sonst keine Chance auf einen Zugang zum Ausbildungs- beziehungsweise zum Arbeitsmarkt allgemein erhalten.

Auch für BUS werden weiter Mittel in Höhe von 5 Millionen € bereitgestellt.

Zu nennen ist darüber hinaus das Programm „Jugend in Arbeit plus“, das mit 18 Millionen € angemessen ausgestattet wurde. Daran können Sie ablesen, dass es der Landesregierung mit der Integration dieser jungen Menschen in das Berufsleben sehr ernst ist.

Eine gleichfalls zielorientierte Maßnahme – Herr Kollege Post hat schon darauf hingewiesen – ist die Potenzialberatung, die seitens der Landesregierung vor allem für die kleinen und mittleren Betriebe angeboten wird. Dieses Instrument trägt dazu bei, dass Arbeitsplätze durch angemessene Modernisierungsschritte erhalten oder dass im Idealfall sogar zusätzliche geschaffen werden können. Der Haushaltsansatz für 2008 wird 7 Millionen € betragen – eine Summe, die sicher gut angelegt ist.

Das gilt auch für ein weiteres Projekt zur Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit, nämlich für den Bildungsscheck 2008. Uns stehen für diese Maßnahme 15 Millionen € zur Verfügung. Der Bildungsscheck ist wirklich ein Highlight der nordrhein-westfälischen Arbeitsmarktpolitik geworden. Seit 2006 wurden etwa 100.000 Schecks eingelöst. Es ist wichtig, gerade kleinere Betriebe dafür zu sensibilisieren, dass das Know-how ihrer Mit

arbeiter ein wesentliches Qualitätsmerkmal ihrer Arbeit und somit ihrer Wettbewerbsfähigkeit ist.

(Beifall von der FDP)

Die Fortbildung ist vor allem aufgrund der fortschreitenden technischen Entwicklung unverzichtbar. Auch die wachsende Bedeutung älterer Belegschaften macht das lebenslange Lernen zu einer zentralen Aufgabe. Der Bildungsscheck ist ein probates Mittel, um diesem Bedarf gerecht zu werden.

Hinzuweisen ist auch auf das Engagement der Landesregierung bei dem Thema „Ausbildung für behinderte Menschen“. So wird die Aktion „100 zusätzliche Ausbildungsplätze für behinderte Jugendliche und junge Erwachsene“, die das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit ins Leben gerufen hat, auch in diesem Jahr fortgesetzt. Aus Landesmitteln und Mitteln des Europäischen Sozialfonds werden rund 1,7 Millionen € zur Verfügung gestellt.

Mit sozialer Sensibilität haben wir die Arbeitsmarktpolitik in NRW neu strukturiert. Selbst die SPD erkennt das an, denn sie hat zur Arbeitsmarktpolitik keine Anträge gestellt. Das ist Anerkennung genug, und das ist ein Zeichen, dass auch sie jetzt unsere Arbeit schätzen lernt. – Danke schön.

(Beifall von der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Wovon träumen Sie eigentlich nachts?)

Vielen Dank, Herr Dr. Romberg. – Für Bündnis 90/Die Grünen erhält Frau Steffens das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Romberg, wenn Sie hier Ihre Rede mit dem Thema Mindestlohn beginnen, erweckt das bei mir aber keine Hoffnung, dass der Mindestlohn bei ihnen deswegen einen höheren Stellenwert hat.

Wenn ich mir allerdings die Zeitungen von heute anschaue und lese „Sozialhilfe für immer mehr Erwerbstätige – über 340.000 Vollbeschäftigte auf zusätzliches Arbeitslosengeld angewiesen“ und sehe, dass die Zahl derjenigen, die ergänzend SGB-II-Leistungen brauchen, jetzt auf 1,3 Millionen geschätzt wird – wobei es in NRW im Juni 2007 mindestens 235.000 waren –, ist es, wie ich finde, ein Muss, dass man sich nicht nur Gedanken darüber macht, sondern dass man auch Konsequenzen daraus zieht und einen Mindestlohn

einführt, damit Menschen, die in Vollzeit arbeiten, von diesem Gehalt auch leben können.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wenn Sie meinen, es sei menschenwürdig, einen Vollzeitjob zu machen und dabei nicht einmal mehr seine eigene Existenz sichern zu können, weiß ich nicht, mit welchem Menschenbild Sie Politik machen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Was den Haushalt betrifft, so muss ich sagen – im Haushalt spielt der Mindestlohn weder direkt noch indirekt eine Rolle –, dass ich nach wie vor darüber enttäuscht bin und es auch nicht verstehen kann, dass gerade die ESF-Mittel – das ist der einzige Bereich, in dem noch Landesmittel vorhanden sind, um Arbeitsmarktpolitik zu machen –, so umfunktioniert und umgewidmet worden sind, dass bestimmte Personengruppen herausfallen, die die Hilfe des Landes am dringendsten brauchen: Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte. Die Menschen, die zum Teil Hilfe zur Selbsthilfe brauchen und sie über die Arbeitslosenzentren bisher auch erhalten haben, bekommen in Nordrhein-Westfalen in Zukunft keinerlei Unterstützung mehr, die von Landesmitteln mit aufgebaut und initiiert wird. Vielmehr stellen Sie als Minister sich hierhin und sagen: Die Arbeitslosenzentren können und wollen wir nicht weiter finanzieren, denn es gibt andere Strukturen. Herr Minister, Sie machen sich nach wie vor etwas vor, wenn Sie meinen, dass diese Menschen die Hilfe, die sie brauchen, woanders bekommen würden.

Wir haben das in der Anhörung zu dem Thema „Psychiatrie und psychiatrische Versorgung in Nordrhein-Westfalen“ gehört. Menschen mit Psychosen – Psychiatrieerfahrene – haben gesagt: Wir brauchen ganz niedrigschwellige Angebote, damit sich unsere Probleme in der Arbeitslosigkeit nicht weiter verfestigen und potenzieren. Wir brauchen Arbeitslosenzentren, solche Strukturen sind für uns notwendig. – Da können Sie nicht hingehen und sagen: Die Leute bekommen die Hilfe in der Arge. Sie wissen, wie die Strukturen sind, und Sie wissen auch, wie die Strukturen im nächsten, im übernächsten und im überübernächsten Jahr sein werden. Die werden das nicht ersetzen, was Arbeitslosenzentren und Arbeitslosenberatungsstellen als Hilfe zur Selbsthilfe anbieten. Deswegen brauchen wir diese Strukturen weiterhin.

Ich sage an die Adresse der SPD: Ich weiß ja, dass Sie eigentlich die Arbeitslosenzentren genau wie wir erhalten wollen. Ich verstehe nur nicht, warum Sie dann nicht sagen, wie Sie das finan

zieren wollen. In unserem Antrag dazu sagen wir nicht: Da muss zusätzliches Landesgeld eingesetzt werden. Sondern wir sagen: Die vorhandenen ESF-Mittel können umverteilt und umgeschichtet werden.

(Beifall von Johannes Remmel [GRÜNE])

Man muss nur die Prioritäten anders setzen, als der Minister sie setzt. Dazu müssen Sie doch in der Lage sein. Denn es ist ein Witz zu sagen: Wir wollen sie erhalten, aber Geld dafür stellen wir nicht zur Verfügung.