Protocol of the Session on November 15, 2007

Nordrhein-Westfalen hat diesen Gesetzentwurf von Anfang an nicht unterstützt. Ich möchte mich ganz herzlich bei den Fraktionen von CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen in diesem Haus dafür bedanken, dass sie wiederum die Landesregierung von Anfang an darin unterstützt haben, im Gesetzgebungsprozess die berechtigten Interessen der Länder und insbesondere auch die Interessen des ländlichen Raums wahrzunehmen.

Ich finde es genauso bedauerlich, dass sich die Sozialdemokraten in diesem Haus bis zum heutigen Tag nicht darauf einigen konnten, welche Positionen sie denn tatsächlich in dieser wichtigen Frage der Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn vertreten.

(Hannelore Kraft [SPD]: Wir sind die SPD! Ist Ihnen das noch nicht aufgefallen?)

Frau Kraft, wir haben auch gestern bei Ihnen erlebt, dass Sie zwar immer schnell mit Kritik bei der Hand sind; aber eigene Konzepte zu entwickeln, einzubringen und zur Abstimmung zu stellen,

(Hannelore Kraft [SPD]: Das sind die Kon- zepte der SPD! Wird sind die SPD!)

haben Sie in zweieinhalb Jahren Oppositionspolitik noch nicht erlernt. Das werden Sie wahrscheinlich auch in den nächsten zweieinhalb Jahren nicht erlernen. Damit zeigen Sie, dass Sie weit weg von der Regierungsfähigkeit in diesem Land sind.

(Beifall von CDU und FDP – Achim Tütten- berg [SPD]: Das beurteilen nicht Sie, Herr Minister!)

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist klar, dass wir privates Kapital brauchen, um die Bahn zukunftsfähig zu machen und um sie in einem Europa ohne Grenzen so aufzustellen, dass sie im Wettbewerb standhalten kann.

Ich will ausdrücklich zu Protokoll geben, dass ich zwei Unternehmensstrategien der Deutschen Bahn für richtig halte:

Sie denkt nicht mehr nur in deutschen Grenzen. In einem Europa ohne Grenzen wird ein Logistikkonzern, wird ein Transportunternehmen scheitern, das sich allein auf die engen Grenzen eines Nationalstaats beschränkt. Darum ist es gut und richtig, dass die Deutsche Bahn international aufgestellt ist.

Es ist genauso richtig, dass sich die Deutsche Bahn nicht nur auf die Schiene konzentriert, sondern genauso auf die Straße, auf die Wasserwege und auf den Luftverkehr setzt. Denn nur ein integriertes Verkehrsunternehmen, ein integriertes Logistikunternehmen kann den Herausforderungen des internationalen Marktes gerecht werden.

Für mich ist aber ebenso klar, dass der Zugriff der öffentlichen Hand auf die Infrastruktur, sprich: auf die Schienen, auf die Bahnhöfe und auf die Energie, auch künftig zu 100 % erhalten bleiben muss.

(Beifall von der CDU)

Im Übrigen ist es nicht so, dass der ADAC oder irgendwelche Speditions- oder Logistikunternehmen darüber bestimmen, an welcher Stelle in Deutschland Straßen gebaut, unterhalten oder ausgebaut werden. Auch das ist eine öffentliche Aufgabe. Darum sage ich noch einmal: Es darf keinen Zugriff von Privaten auf die Infrastruktur der Deutschen Bahn geben.

(Hannelore Kraft [SPD]: Das ist ja genau die Position der FDP!)

Liebe Frau Kraft, das Erstaunliche ist, dass das Volksaktienmodell, das Sie vorgestellt und auf Ihrem Bundesparteitag beschlossen haben, schon wenige Tage nach dem Bundesparteitag nur noch Makulatur ist.

(Bodo Wißen [SPD]: Aber Sie haben das doch begrüßt! Erklären Sie uns das doch mal!)

Es ist nicht der einzige Antrag, über den wir heute in diesem Hohen Haus indirekt debattiert haben und der zu Makulatur geworden ist. Ähnlich ist es auch dem eindrucksvollen Antrag auf Einführung der generellen Geschwindigkeitsbegrenzung auf 130 km/h auf deutschen Autobahnen ergangen, den Sie heute in die Plenardebatte eingebracht haben.

(Hannelore Kraft [SPD]: Den haben wir heute nicht eingebracht!)

Viel wichtiger und überlegenswerter ist deshalb der Vorschlag des Bundesfinanzministers, ein neues Modell der Bahn zu bedenken.

(Zuruf von der SPD: Kämpfen! Kämpfen! Kämpfen!)

Ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen, dass durchaus beachtenswert ist, was Herr Steinbrück vorgeschlagen hat. Es ist durchaus diskussionswürdig.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Nordrhein-Westfalen möchte in die Debatte einsteigen, denn wir brauchen privates Kapital und dürfen die Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn nicht auf die lange Bank schieben. Dabei müssen zwei Bedingungen diskutiert und dringend erfüllt werden.

Erstens. Wer glaubt, er könne jetzt das Steinbrück-Modell, das offensichtlich das Tiefensee-Modell ersetzt hat, auf kaltem Wege ohne die Befassung von Bundestag und Bundesrat auf den Weg bringen, unterliegt einem Irrtum.

(Hannelore Kraft [SPD]: Das will auch nie- mand!)

Ich bin froh darüber, dass der gerade schon erwähnte Prof. Ehlers in dem von NordrheinWestfalen initiierten Gutachten, das von allen anderen Ländern mitgetragen und im Übrigen auch mitfinanziert worden ist, ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die Art und Weise der Kapitalprivatisierung einer Parlamentsbefassung, sprich: eines Gesetzes, bedarf. Es handelt sich nicht um reines Verwaltungshandeln oder um eine Angelegenheit, die einfach so im Vollzug oder durch die Aufsichtsgremien der Deutschen Bahn vorgenommen werden kann, sondern der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben ein gehöriges Wort mitzureden.

(Beifall von der CDU – Bodo Wißen [SPD]: Genau das will Steinbrück!)

Zweitens. Die Beteiligung der Länder ist auch deshalb wichtig und erforderlich, weil wir schon genau wissen wollen, wie die Details aussehen und was bei einer teilprivatisierten Deutschen Bahn beispielsweise mit den Erträgen aus dem Netz passiert.

Wir möchten nicht, dass diese Erträge allein dazu genutzt werden, die Bahn im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu machen und Hafenanteile in Hongkong oder Regionalbahnstrecken in Polen zu erwerben.

(Britta Altenkamp [SPD]: Phrasendreschma- schine!)

Wir möchten, dass Teile der Mittel, die bei der Privatisierung erlöst werden, auch in die Sanierung und in den Ausbau des Streckennetzes hier bei uns in Deutschland investiert werden.

(Beifall von der CDU – Hannelore Kraft [SPD]: Sie wollten doch eben noch, dass die Bahn international wird!)

Das kann nicht ausschließlich die Aufgabe des Bundes sein, sondern es muss auch die Aufgabe

eines Unternehmens Zukunft sein, wie sich die Deutsche Bahn bezeichnet. Wenn es uns gemeinsam mit dem Bund und der Deutschen Bahn gelingt, einen solchen Weg zu gehen, hat der Kampf, den zumindest drei Fraktionen dieses Hauses in den vergangenen Monaten, wie ich finde, sehr erfolgreich bestritten haben, einen Sinn gehabt.

(Bodo Wißen [SPD]: Lächerlich!)

Wir haben es nämlich hinbekommen, von einem Modell Abstand zu nehmen, das die öffentliche Hand in den Hintergrund gedrängt und privatwirtschaftliche Interessen in den Vordergrund gestellt hätte. Es wäre nicht geeignet gewesen, die Interessen der Länder bei der Eisenbahn in Deutschland zu berücksichtigen.

Darum hoffe ich, dass wir nun die Zeit haben, ein Modell zu entwickeln, das sowohl das Erfordernis der Akquirierung privaten Kapitals als auch des Zugriffs der öffentlichen Hand auf die Verkehrsinfrastruktur dauerhaft sicherstellt.

Herr Minister, gestatten Sie …

Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Herr Kollege Wißen, Ihre Zwischenfrage hat sich damit erledigt. – Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPDFraktion hat der Abgeordnete Bischoff das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Wittke, ich habe mir gerade wegen der Rügen vorhin überlegt, wie das mit dem parlamentarischen Ton ist. „Lächerliches Possenspiel“ fällt mir bei Ihrem Vortrag und bei dem Antrag, den Sie hier gestellt haben, ein und Erinnerungsarbeit, die ich, glaube ich, leisten muss. Ich habe nicht mehr allzu viel Zeit, aber ich werde mich bemühen – vor allen Dingen mit Zitaten.

Als Erstes zitiere ich, was Sie, Herr Wittke, uns noch am 11. Oktober in der Ausschusssitzung erzählt haben, als Sie das Gutachten von Ehlers eingebracht haben:

„Er sei froh darüber, dass alle 16 Landesregierungen nicht nur das Gutachten in Auftrag gegeben hätten, sondern dieses auch finanzierten. Wer sich nun von diesem Gutachten dis

tanziere, der müsse sich von seinem eigenen Gutachten distanzieren.“

Was steht nun in dem Ehlers-Gutachten drin? – Da steht wörtlich drin:

„So macht es einen beträchtlichen Unterschied, ob normale Aktien, vinkulierte Namensaktien oder Vorzugsaktien ohne Stimmrecht ausgegeben werden. Die Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, Volksaktien auf Deutsch, ließe die Machtverteilung in der DB AG so völlig anders aussehen, dass sogar möglicherweise eine Verletzung des Schienenwegevorbehaltes ausscheidet.“

Ehlers sagt also – und Sie haben uns das mit Ihrer Unterschrift auch gesagt; das ist Ihre Interpretation des Gutachtens von Ehlers –: Wenn ihr die Vorzugsaktie nehmt, könnt ihr meine verfassungsrechtlichen Bedenken ausschalten. Das haben Sie uns am 11. Oktober im Ausschuss mit Begeisterung vorgetragen, Herr Wittke.

(Beifall von der SPD – Hannelore Kraft [SPD]: Ja!)

So, nachdem jetzt der Bundesparteitag der SPD war – Herr Wißen hat es ausgeführt –, sagt Herr Lorth nun, das sei der letzte Sargnagel für den Börsengang. Was haben Sie denn gemacht, Herr Lorth, als Herr Wittke das im Ausschuss vorgetragen hat? – Hätten Sie es da gesagt, wären Sie glaubwürdig gewesen. Das haben Sie aber nicht gemacht – Schweigen im Walde –, Herr Rasche auch nicht. Davon habe ich nichts gehört.