Protocol of the Session on September 20, 2007

Dann müsste ich Ihnen jetzt vorhalten, dass Sie aufgrund Ihrer langjährigen Tätigkeit in einer Bezirksregierung befangen sind und zur Sache gar nicht vorurteilsfrei sprechen können. Das tue ich nicht. Also, Zwischenrufe müssen schon gut gemacht sein, sonst erreichen sie genau das Gegenteil.

Wo bleibt die Frage, Herr Kollege?

Ich wollte gerade zur Frage kommen. Herzlichen Dank für die Erinnerung, Herr Präsident.

Herr Kollege Ellerbrock, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass sowohl die Argumentation des Kollegen Römer als auch meine darauf abgestellte, auch zu erwarten, dass das Unternehmen gegebenenfalls bereit ist, sich auf ein solches Aussetzen zu verständigen, übrigens auch in Kenntnis von Risiken, die es möglicherweise für das Unternehmen geben könnte?

(Beifall von Sören Link [SPD])

Herr Kollege Kuschke, ich nehme gern zur Kenntnis, dass Sie das so meinen, nur muss man dann mit dem Begriff „Baustopp“ vorsichtig sein. Sie haben das wesentlich differenzierter dargestellt. Das sind Symbole, und Symbole sind auch Botschaften. Das muss man deutlich sagen.

Meine Damen und Herren, Sie haben fünf Punkte angeführt, Herr Kuschke.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Ja!)

Erstens. Öffentlichkeitsarbeit: Die Öffentlichkeitsarbeit von Bayer war im Vorfeld aus meiner Sicht grottenschlecht. Die Ängste, die es gibt, zu beseitigen, das ist ungleich schwieriger, als von vornherein eine vernünftige Arbeit zu machen. Das teile ich völlig.

Zweitens. Gefahrenabwehrplan: Natürlich muss es einen Gefahrenabwehrplan geben. Aber was für ein Verwaltungshandeln ist es, wenn eine untere staatliche Verwaltungsbehörde die Feuer

wehren des Kreises anweist, sich nicht an der Erarbeitung des Gefahrenabwehrplans zu beteiligen? Das halte ich für unmöglich.

Drittens. Aktive Beteiligung an der Anhörung: Da habe ich grundsätzlich meine Bedenken, weil man hier nur Spielregeln darstellen kann. Darüber wird man aber reden können. Über eine Informationsveranstaltung denke ich gerne mit Ihnen gemeinsam nach.

(Svenja Schulze [SPD]: Das haben wir doch versucht!)

Zum sogenannten Baustopp: Herr Kuschke, ich spreche Sie jetzt als ehemaligen Regierungspräsidenten an. Die Zeit, dass ich bei einer Bezirksregierung war, ist relativ lange her. Aber das bedeutet nach meinem Verwaltungsverständnis – ich glaube, daran hat sich nicht viel geändert –: Wenn das Unternehmen jetzt selbst zu einem Baustopp kommen würde, wäre der sofortige Vollzug gekippt. Denn der sofortige Vollzug bezieht sich auf die dringende Notwendigkeit. Das konnte das Unternehmen nachweisen. Das Verwaltungsgericht hat diese dringende Notwendigkeit eindeutig bestätigt. – So einfach geht das also gar nicht.

Ich teile sogar Ihre Ansicht, dass es um einen grundsätzlichen Problemkreis geht, bin allerdings der Überzeugung: Inwieweit eine Bevölkerung industriefreundlich ist – so umschreibe ich das einmal –, bedeutet einen wesentlichen Standortfaktor für zusätzliche Investitionen in einer globalisierten Welt.

Ich teile auch Ihre Ansicht, stark sein heißt, Schwäche zu zeigen. Wenn ich heute bezogen auf den Beschluss des Landtags betreffend das Enteignungsgesetz zu einer anderen Überzeugung käme – wir kennen uns lange genug –, hätte ich keine Probleme, das deutlich auszusprechen und in meiner Fraktion dafür zu werben.

Aber: Was hat sich geändert? Es fehlt die Propylenleitung; richtig! Nicht geändert hat sich unser gemeinsamer Wille, den Chemiestandort Nordrhein-Westfalen zu stärken, und zwar durch eine Vernetzung verschiedenster Chemiestandorte. Nach dem Windhundprinzip ist dabei immer der Erste begünstigt, also der, der damit beginnt. Das Ziel ist nach wie vor richtig. CO, Kohlenmonoxid, war uns hier in seinen Auswirkungen vorher wie nachher bekannt.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich nehme für mich und meine Fraktion in Anspruch zu wissen, worüber wir entschieden haben. Wir wägen ab und fühlen uns durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt. Die von Ihnen angesprochenen Informationsprobleme greife ich gerne auf. Sie zu lösen wird nicht einfach werden.

Ansonsten, muss ich sagen: Stark sein heißt, Schwäche zeigen zu können, heißt aber auch, Kurs halten zu können und nicht populistisch mit der Angst der Menschen Politik zu machen. Dem setzen wir eine sachliche Aufklärung entgegen.

Ich bedaure das Verfahren und schaue dabei besonders Sie an, Herr Römer, weil ich vor der IG BCE ein hohes Maß an Respekt habe. Dass Sie als IG BCE-Funktionär mit der Forderung nach einem Baustopp populistisch nach draußen gehen, finde ich eigentlich beschämend. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Thoben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor etwa eineinhalb Jahren, am 21. März 2006, hat der Landtag einstimmig, das heißt mit den Stimmen aller im Landtag vertretenen Fraktionen, und ohne Änderungen gegenüber dem Gesetzentwurf der Landesregierung das Gesetz über die Errichtung und den Betrieb einer Rohrleitungsanlage zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen beschlossen.

An den Zielen und Gründen für das Rohrleitungsgesetz hat sich aus Sicht der Landesregierung nichts geändert.

Die Gemeinwohlintention im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG wird im Gesetz ausführlich begründet. Das Gesetz weist darauf hin, dass die Rohrleitungsanlage – erstens – dazu dient, die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Kohlenmonoxidversorgung zu erhöhen, um dadurch die wirtschaftliche Struktur der Chemieindustrie und der mittelständischen kunststoffverarbeitenden Unternehmen in Nordrhein-Westfalen zu stärken und damit Arbeitsplätze zu sichern.

Fast ein Drittel aller kunststoffverarbeitenden Unternehmen in Deutschland haben ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Kunststoffindustrie hat daher für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen eine Schlüs

selstellung. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass viele Produktionsbereiche auf die Grundstoffe Polykarbonat und Polyurethan angewiesen sind, die aus dem Rohstoff Kohlenmonoxid gewonnen werden.

Wenn wir hier über Arbeitsplätze reden, ist die Größenordnung beachtlich. Im Chemiepark Krefeld-Uerdingen sind rund 300 Arbeitsplätze direkt betroffen. Mittelbar sind im Rahmen der Produktion petrochemischer Rohstoffe im Chemiepark Krefeld-Uerdingen rund 800 Mitarbeiter beschäftigt, und es sind weitere rund 2.500 Arbeitsplätze in der CO-weiterverarbeitenden Industrie zu berücksichtigen.

Es geht also schon um eine Maßnahme, die nicht ganz unwichtig für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen ist.

Den Grünen muss ich sagen: Ich höre von Ihnen bei jedem Großvorhaben – ob Steinkohlekraftwerk, Braunkohle oder hier – allenfalls noch die Bereitschaft, sich auf ein Moratorium einzulassen, aber nicht dabei zu helfen, dass dieser Industriestandort zukunftsfähig wird.

(Beifall von CDU und FDP sowie Sören Link [SPD])

Wahrscheinlich hätten Sie mir gestern auch empfohlen, gar nicht zu Hydro nach Neuss zu fahren, weil dort für die Aluminiumerzeugung Strom verbraucht wird. Ich bin aber bewusst dort hingefahren und freue mich, dass ein internationaler Konzern an unserem Standort in eine solche Industrie investiert.

Meine Damen und Herren, wir wollen – zweitens – den Verbund von Standorten und Unternehmen durch diese Maßnahme stärken und ausbauen.

Drittens geht es um einen diskriminierungsfreien Zugang bei hoher Verfügbarkeit und – viertens – um die Umweltbilanz der Kohlenmonoxidproduktion insgesamt.

Im Rahmen des Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahrens sind ab Oktober 2004 der Trassenkorridor bestimmt und die technischen beziehungsweise sicherheitstechnischen Details der Rohrleitung festgelegt worden. Zu jedem Zeitpunkt waren die Kommunen und die Kreise beteiligt. Ab dem 15. Oktober 2004 konnten die Kommunen innerhalb des Raumordnungsverfahrens Stellung nehmen. Dieses wurde am 5. April 2005 abgeschlossen und in den Amtsblättern veröffentlicht.

Das Planfeststellungsverfahren ist unmittelbar nach dem Antrag der Firma Bayer am 29. August

2005 aufgenommen und mit Planfeststellungsbeschluss vom 14. Februar 2007 beendet worden.

Über 104 Interessengruppen aus Verwaltung, Wirtschaft und Naturschutz – darunter alle betroffenen Kommunen – waren an diesem Verfahren beteiligt. Das Verfahren wurde durch Presseinformationen heftigst begleitet.

Alle Beteiligten – ich betone: alle – konnten seit 2004 klar erkennen, worum es bei diesem Projekt geht. Die überwiegende Mehrzahl der über 100 am Planfeststellungsverfahren Beteiligten hat keine Bedenken geäußert oder ihre Bedenken konnten im Rahmen der Planfeststellung ausgeräumt werden.

Am Ende stand ein Planfeststellungsbeschluss, der zu dem Ergebnis kommt: Die Pipeline, die, wie andere Pipelines am Industriestandort Nordrhein-Westfalen auch, ein gefährliches Gut transportiert, ist sicher. Sie übererfüllt die Standards. Von ihr geht keine absehbare Gefahr für die Menschen aus.

Diesen Beschluss kann man gerichtlich überprüfen lassen. Das passiert zurzeit. Gegen den Planfeststellungsbeschluss liegen elf Klagen vor. Zwei sind im Eilverfahren gegen die sofortige Vollziehung der Planfeststellung eingereicht worden. Diese wurden vor zwei Tagen vom Verwaltungsgericht Düsseldorf entschieden. Die Anträge wurden abgelehnt.

Binnen der nächsten 14 Tage kann dagegen Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht NRW eingelegt werden. Die anderen neun Klagen in der Hauptsache werden Stück für Stück abgearbeitet.

Weitere acht Eilverfahren gegen die vorzeitige Besitzeinweisung liegen ebenfalls vor. Hier ist noch kein Beschluss ergangen.

Am 18. September 2007 hat die Dritte Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf die zwei Eilverfahren im Planfeststellungsverfahren entschieden und die Eilanträge abgelehnt. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf war mit Spannung erwartet worden, da von ihm eine Signalwirkung für die oben genannten weiteren Verfahren ausgehen wird.

Das Gericht hat sich sehr intensiv mit der Materie auseinandergesetzt und eine sehr umfassende Begründung zu seinem Beschluss verfasst. Das Planfeststellungsverfahren ist nach Ansicht des Gerichts ordnungsgemäß durchgeführt worden und ausreichend begründet. Die wichtigsten Fragen sind nach Auffassung des Gerichts in die abwägenden Entscheidungen einbezogen worden. Das Gericht stellt fest, dass das Enteignungsge

setz materiell verfassungsgemäß ist. Formell ist es verfassungsgemäß zustande gekommen.

Die vom Gesetzgeber genannten Enteignungszwecke werden vom Gericht nicht beanstandet. Das gilt insbesondere für Ziffer 4, wonach die Verbesserung der Umweltbilanz der Kohlenmonoxidproduktion angesichts der aktuellen Diskussionen und des nationalen Staatsschutzziels Umweltschutz besondere Bedeutung erlangt.

Das Gericht stellt fest: Durch die planfestgestellte Rohrfernleitungsanlage sind schädliche Einwirkungen auf den Menschen und auf die Umwelt im Sinne des Rohrfernleitungsgesetzes nicht zu erwarten. Die Gutachten des TÜV waren nach Ansicht des Gerichts allesamt verwertbar.

Im Endergebnis kommt die Kammer zu der Feststellung, dass die planfestgestellte Rohrleitung dem maßgeblichen Stand der Technik entspricht und vor diesem Hintergrund als sicher zu bezeichnen ist.

Viele Bürgerinnen und Bürger, die in der Umgebung der Trasse wohnen oder sich dort gelegentlich aufhalten, fürchten sich dennoch vor gesundheitlichen Gefahren und angeblich großen Risiken. Egal, ob man diese Einschätzung teilt, Tatsache ist, dass diese Sorge vorhanden ist. Wir wollen nicht, dass Menschen unbegründet in Angst und Schrecken versetzt werden, und wir wollen Schaden vom Industriestandort NordrheinWestfalen abwenden.