Protocol of the Session on September 20, 2007

(Beifall von der SPD)

Jetzt bitte ich wirklich herzlich und inständig, nicht mit dem Hinweis zu kommen, dass man das bei einem laufenden Verfahren nicht tun dürfe. Diese herzliche Bitte geht auch an Herrn Kollegen Ellerbrock. Sie waren, wenn ich mich richtig erinnere, doch dabei, entweder hier im Saal oder an anderer Stelle, als wir tagelang, wochenlang über den Tagebau in Garzweiler diskutiert und gesprochen haben – bei laufenden Verfahren. Wir haben die politischen Auseinandersetzungen doch geführt, die Positionierungen doch vorgenommen. Das ist möglich, das ist machbar, ohne dass Verfahren in der Substanz gefährdet werden. Ich habe das bisher vermisst. Wenn das in einer Art und Weise passiert sein sollte, die uns verborgen geblieben ist, dann bitte ich um Aufklärung.

Punkt 2 – das ist auch schon angesprochen worden –: Genau bei den Bereichen, über die hier, wie ich glaube, Herr Kollege Lienenkämper, übereinstimmend in der letzten Sitzung vor der Sommerpause diskutiert worden ist – Katastrophenschutz, Rettungspläne und vieles andere mehr –, sind wir kein Stück weitergekommen. Wenn ich in einer Information des Unternehmens lese, dass man im Augenblick dabei sei, solche Pläne zu erarbeiten, kann ich nur sagen: Nach dreieinhalb Monaten ist das verdammt wenig, was dort verlautbart wird. Auch da erwarte ich, dass die Landesregierung ganz anders agiert und auftritt, als das bisher der Fall gewesen ist.

(Beifall von der SPD)

Punkt 3 – ich greife das auf, was der Kollege Remmel gesagt hat –: Ja, ich erwarte in der Tat eine aktive Beteiligung an der Anhörung. Wir vergessen alles, was es im Vorfeld gegeben hat, um zu einer solchen Anhörung zu kommen. Es macht ja auch keinen Sinn, sozusagen über den Schnee von gestern zu diskutieren. Aber wir erwarten,

dass die Ressorts, die dort von der Sache her zu beteiligen sind, sich auch beteiligen. Jetzt lasse ich einmal die Polemik außen vor, die ich noch in dieser Frage anfügen könnte: dass sich die Ressorts verständigen und einigen müssten, wer denn nun federführend ist. Das betrifft Frau Thoben und Herrn Pinkwart, die in der Vergangenheit ein kleines Scharmützel hatten. Aber auch das ist jetzt Schnee von gestern. Lassen Sie an dieser Stelle schlichtweg nach vorne sehen.

Punkt 4. Ich glaube, dass die Landesregierung so etwas wie ein informelles unabhängiges Moderationsverfahren durchführen könnte, Herr Kollege Ellerbrock. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir hier in einen mitreißenden intellektuellen Meinungsaustausch über die Frage treten würden, ob so etwas nicht machbar ist. Sie wissen, dass es solche Fälle in der Vergangenheit gegeben hat, wo man sich auf gleicher Augehöhe begegnen konnte, die die Substanz des Verfahrens nicht gefährdet haben, wo wir unserer Verantwortung gerecht geworden sind und auch gerecht werden mussten. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir ein Stück des Weges gemeinsam gehen könnten, damit das, was an Ängsten, an Sorgen, an Argumenten seitens der Bürgerinnen und Bürger vorgetragen wird, wirklich ein Sprachrohr bekommt und dem Geltung verschafft wird, damit man sich mit den Dingen auseinandersetzen kann.

Letzte Anmerkung: Ich hänge nicht an Worten, ob man „aussetzende Arbeiten“, „Baustopp“ oder was auch immer sagt. Es ist natürlich eine schwierige Situation, wenn noch Gerichtsverfahren anhängig sind und wenn wir eine solche Diskussion um dieses Vorhaben haben und die Betroffenen tagtäglich erleben, dass zugebaut wird.

(Beifall von der SPD)

Das ist angesichts der Subjektivität, die ich vorhin angesprochen habe, angesichts dieses Korridors, den man füllen muss, eine ausgesprochen schwierige Situation. Ich erwarte und bitte eindringlich darum, dass wir uns gemeinsam Gedanken darüber machen, wie wir an der Stelle weiterkommen.

Wir machen uns nichts vor. Wir haben in der Vergangenheit solche Auseinandersetzungen gehabt, als es um den Industriestandort, um industrielle Großprojekte ging, als es darum ging, wie die Verfahren zu füllen sind, als es darum ging, sich mit den Argumenten der Bürgerinnen und Bürger auseinanderzusetzen. Das ist ein schwieriger Weg. Man muss sich auf diesen Weg einlassen, man muss ihn auch vernünftig zu Ende bringen. Uns bleibt auch bei diesem Vorhaben keine ande

re Möglichkeit, als das zu tun. Ich bin gespannt auf die Ausführungen der Landesregierung, die gleich kommen werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kuschke. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Ellerbrock das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihr Beitrag, Herr Kuschke, macht nachdenklich. Ihr Beitrag zeigt aber auch, welches Spannungsfeld in Ihrer Partei herrscht: zwischen Aussagen, die Sie tätigen, und Pressemitteilungen, die der IG BCE-Funktionär Römer verfasst. Ich komme gleich noch darauf zurück.

(Widerspruch von der SPD)

Die Fraktion der Grünen sagt heute – der Kollege Lienenkämper hat schon darauf hingewiesen –: Wir müssen ein Gesetz aufheben. Das ist nicht verfassungsgemäß. – Das ist aus Ihrer Sicht nicht verfassungsgemäß. Es gibt juristische Meinungen, dass das nicht verfassungsgemäß ist. Tatsache ist aber, dass bei der einem Eilverfahren zugrunde liegenden kursorischen Prüfung das Verwaltungsgericht bestätigt hat, dass dieses Gesetz formal und auch materiell verfassungsgemäß ist.

Mich bewegt in diesem Hause eines – lassen Sie mich das mit genau der gleichen Nachdenklichkeit sagen wie Herr Kuschke; ich glaube, da sind wir ziemlich nah beieinander –: Ich finde es schlimm, mit welch unverantwortlicher Leichtfertigkeit wir in diesem Hause in den verschiedensten Positionen die Landesregierung der Rechtsbeugung oder der Vorlage eines nicht verfassungsgemäßen Gesetzes bezichtigen. Das wird als feststehend hingeschrieben. Man muss sich das einmal vor Augen halten. Für eine Regierung, für die Beamten, die dahinterstehen, ist die Aussage, das sei nicht verfassungsgemäß oder es sei Rechtsbeugung, ist das eine ganz schlimme Sache.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Ich glaube, das führt dazu, dass wir nach draußen eine ganz schlechte Botschaft senden. Das darf nicht sein.

Ich möchte nicht wissen, wie die heutige Opposition reagiert hätte, wenn bei einer solch dünnen Grundlage mit einem Gutachten, dem andere Gutachten entgegenstehen, CDU und FDP Gesetze von Frau Höhn oder von Herrn Clement locker als Rechtsbeugung bzw. als nicht verfassungsgemäß bezeichnet hätten.

(Beifall von CDU und Ralf Witzel [FDP])

Ich bitte zu überlegen, ob das der richtige Weg ist.

Tatsache ist, es gibt unterschiedliche Meinungen dazu. Es gibt ein Gutachten von Prof. Dr. Dietlein, das bestätigt: Jawohl, das ist verfassungsgemäß. Prof. Dr. Muckel sagt: Eigentumsgarantie, Boxberg-Urteil – das scheint nicht so zu sein. Tatsache ist aber, das Verwaltungsgericht hat das bestätigt.

Diese Frage wird wohl endgültig zu klären sein. Haben wir aber die Zeit, das abzuwarten? Auch das müssen wir fragen.

Kollege Lienenkämper hat auf den Werdegang hingewiesen. Das ganze Verfahren ist nicht RotGrün, aber auch nicht allein Schwarz-Gelb anzuhängen. Das ist ja über einen längeren Zeitraum abgelaufen.

Meine Damen und Herren, was ich schlimm finde – das wendet sich an den Kollegen Remmel als Frontmann der Grünen –, dass hier wieder versucht wird, Ängste der Bevölkerung zu instrumentalisieren.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Dem setze ich eindeutig entgegen: Wir müssen zu einer Sachaufklärung kommen. In dem Zusammenhang, Herr Kuschke, bin ich gern bereit mit zu überlegen, wie man diese Sachaufklärung – auf welchem Weg auch immer – befördern kann.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Kollege Kress, ein Mann von Bayer, der täglich mit solchen Stoffen umgeht, der weiß, wovon er redet, der auch die Gefahren einzuschätzen weiß, wie wahrscheinlich nur wenige in diesem Raum, hat in seinen Beiträgen zu dem Problemkreis diese sachliche Argumentation ausgeführt.

Ich fand es auch gut, Herr Kuschke, dass Sie in Ihrem Beitrag letztes Mal an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens überhaupt keinen Zweifel gelassen haben, dass Sie gesagt haben, das ist alles nach Recht und Gesetz von der Bezirksregierung durchgeführt worden, und dass Sie auch die Überlegung zum Allgemeinwohl durchaus positiv gesehen haben.

Das Verwaltungsgericht hat diese Rechtsentwicklung – Einbeziehung von Arbeitsplätzen, Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitsplatzentwicklung, Standortsicherung usw. – auch sehr positiv gewürdigt. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe selten einen Beschluss eines Verwaltungsgerichts gesehen, das ein Urteil einer Bezirksregierung so gründlich und so positiv bewertet hat.

Damals waren wir uns inklusive der SPD einig: Jawohl, wir wollen das machen. Dass die Grünen, wie gesagt, abgesprungen sind, hat mich nicht groß gewundert. Auch Äußerungen vom Kollegen Remmel sowie Überlegungen wie Hungerstreiks und Trassenbesetzungen, über die gesprochen wird, sind nicht dienlich.

Es wird mit dem Begriff Baustopp … Da gucke ich den IG BCE-Funktionär Römer an.

(Svenja Schulze [SPD]: Was soll das?)

In seiner Pressemitteilung vom 28. August 2007: „Bis die Antworten gegeben sind, sollte der weitere Ausbau vorerst gestoppt werden.“ Da ist er wieder – der Baustopp. Herr Kollege, vielleicht hätten Sie mal mit Ihrem Nachbarn reden sollen. Einen Baustopp kann man verfügen, wenn der sofortige Vollzug gekippt wird oder das Gericht von der Sache selbst weggeht oder aber der Antragsteller sagt, er wolle das nicht.

(Wolfram Kuschke [SPD] meldet sich zu ei- ner Zwischenfrage.)

Das sind die drei Möglichkeiten. Mehr gibt es nicht.

Sie als IG BCE-Funktionär, deren Gewerkschaft …

(Zuruf von Sören Link [SPD])

Herr Link, wenn Sie es nicht verstehen, halten Sie doch einfach mal den Mund. Versuchen Sie es doch mal mit etwas ganz Neuem, statt mit Lautstärke zu arbeiten, mit Argumenten. Das ist einfach dumm! Dafür ist die Sache hier wirklich zu wichtig.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Herr Kollege, die IG BCE vor Ort – nicht nur vor Ort, auch auf Landesebene, wie ich höre – ist erstaunt über diese Pressemitteilung, weil sie sagt: Wir tragen dieses Vorhaben insgesamt mit.

Wenn ich an den Kollegen Werner Bischoff in der letzten Legislaturperiode denke, meine ich, dass der mit Sicherheit da sehr abgewogen vorgehen würde.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kuschke?

Aber selbstverständlich.

Bitte schön, Herr Kuschke.

Herr Kollege, sind Sie ernsthaft bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass das unser Kollege, der Abgeordnete Norbert Römer ist? Wenn wir dazu übergehen, bei jeder Debatte je nach Gusto einzuteilen, wer aus welchem Bereich, wer von welchem Berufsstand kommt, dann fallen mir auch eine ganze Menge Dinge ein.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Dann müsste ich Ihnen jetzt vorhalten, dass Sie aufgrund Ihrer langjährigen Tätigkeit in einer Bezirksregierung befangen sind und zur Sache gar nicht vorurteilsfrei sprechen können. Das tue ich nicht. Also, Zwischenrufe müssen schon gut gemacht sein, sonst erreichen sie genau das Gegenteil.