Sie wissen ganz genau, Frau Löhrmann: Die Mehrzahl unserer Schüler besucht noch Halbtagsschulen. Ganztagsschulen werden zahlreicher – das ist auch richtig so, das fördern wir ausdrücklich –, aber sie sind heute längst noch nicht der Regelfall. Da wir einen Zwangsganztag ablehnen und stattdessen lieber Nachfragedeckung anstreben, betrifft Ganztag stets auch nur einen Teil der Schülerschaft.
Auch die wirtschafts- und sozialpolitischen Gegenargumente zu Ihrem Antrag wiegen schwer. Die vollständige und anrechnungsfreie Essenskostenübernahme für jeden Jugendlichen aus einem sozial schwachen Haushalt – das zeigt die Rechnung, die Sie mit der Landtagsdrucksache vorgelegt haben – führt zu Mehrkosten von mindestens 150 Millionen €. Aber es gibt von Ihnen keinerlei seriösen Deckungsvorschlag zur Finanzierung dieser Kosten.
Es ist auch längst nicht für jeden gerecht, was Sie vorschlagen. Es gibt viele Arbeitnehmerhaushalte mit kleinen Einkommen, die durch die Aufbringung der Mittel in nicht akzeptabler Weise belastet werden, für die Sie hier aber keine finanzielle Lösung vorschlagen. Wir halten für sinnvoller, was wir auf den Weg gebracht haben, nämlich ein zielpunktgenaues Unterstützungssystem für wirklich bedürftige Kinder.
Die kommunalen Spitzenverbände weisen zu Recht darauf hin, dass sich die soziale Situation von Familien in Grundsicherung in etlichen Fällen sichtbar auch von der der Hartz-IV-Empfänger unterscheidet. Das sind die Ergebnisse unserer Befragung zu Beginn der Legislaturperiode gewesen, ob hier eine Gleichstellung erfolgen soll. Die Hälfte der ALG II-Haushalte verfügt über ergänzende Einkünfte, die das Sozialeinkommen zumindest aufstocken, und haben auch deutlich höhere Freigrenzen für die Nichtanrechnung eigener Vermögenswerte. Es widerspricht deshalb dem Subsidiaritätsprinzip einer verantwortungsvollen Sozialpolitik, die Allgemeinheit in Anspruch zu nehmen, bevor realistische Möglichkeiten der Selbsthilfe ausgeschöpft sind.
Schlichtweg schwer nachzuvollziehen ist aber der von Ihnen als Grüne geforderte Punkt der Anrechnungsfreiheit der Regelsätze bei der Einbringung von Eigenbeiträgen. Wenn eine Sachleistung öffentlich erbracht wird, für die man bereits einen Finanztransfer der öffentlichen Hand bekommen hat, muss man diesen in die Finanzierung des Realtransfers einbringen, weil ansonsten doppelt vergütet wird. Wir können trefflich darüber streiten, ob es nicht Fälle sozial schwacher Kinder gibt, denen wir helfen wollen, für die die aktuellen Zahlungen nicht ausreichen. Aber wenn die Leistung durch das Mittagessen erbracht wird, fällt die entsprechende Finanzierungskomponente weg. Insofern ist Ihr Antrag auch an dieser Stelle unausgewogen.
Sie haben einen sehr großen Kreis benannt – Hilfeempfänger von Grundsicherung, von Sozialgeld, von Hartz IV – und beziehen weitere rund 200.000 Bezieher von Wohngeldleistungen mit ein. Das
führt dann zu der hier dargestellten Kostenexplosion. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie eine seriöse Finanzierungsrechnung vorlegen, wie die Gelder aufgebracht werden sollen.
Mit Ihrem erneuten Vorstoß für eine Revision von Hartz IV verabschieden sich die Grünen mit einem „schlanken Fuß“ von ihrem eigenen Regierungshandeln und auch jeder Realpolitik, so, wie sie das am letzten Wochenende getan haben. Rüdiger Sagel lässt da grüßen.
Insofern fordere ich Sie auf: Erkennen Sie die Leistungen an, die wir heute erbringen, die Sie zu Zeiten Ihres Regierungshandelns nicht auf den Weg gebracht haben, und legen Sie diesem Parlament für 150 Millionen € Mehrkosten einen seriösen Finanzierungsvorschlag vor, wie das aufgebracht werden soll. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Jetzt hat für die Landesregierung Frau Ministerin Sommer das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Gesetzesinitiative fordert die Landesregierung unter anderem auf, jeder Schülerin, jedem Schüler einen Rechtsanspruch auf eine warme Mittagsmahlzeit einzuräumen.
Über das Für und Wider und die Umsetzbarkeit, sehr verehrte Frau Löhrmann, haben wir im Plenum und auch in den Ausschüssen schon gesprochen. Über die grundsätzliche Bedeutung schulischer Mittagsverpflegung, zum Beispiel im Rahmen von Ganztagsschulen, sind wir uns völlig einig. Nicht folgen kann ich Ihnen allerdings, wenn es um die Festschreibung von Rechtsansprüchen im Schulgesetz gehen soll.
Kerngedanke unseres Schulgesetzes ist mehr Selbstständigkeit, mehr Verantwortung, weniger Gängelung, mehr individuelle Förderung. Ich sehe in der Umsetzung Ihrer Vorschläge genau das
Ich will keineswegs – das ist heute an vielen Stellen schon aufgeleuchtet – die schwierige finanzielle Situation leugnen, die bei vielen Familien und insbesondere bei alleinerziehenden Eltern, gegeben ist. Aber unterstellen Sie Eltern mit diesem Antrag nicht grundsätzlich, dass sie ihre Kinder generell schlecht und ungesund ernähren? Tatsache ist doch: Viele Eltern schaffen es auch mit geringen finanziellen Mitteln, ihre Kinder gesund und gut zu ernähren.
Natürlich müssen wir dann eingreifen, wenn Eltern überfordert sind. Durch die Einführung eines Rechtsanspruchs lösen Sie das Problem aber nicht.
Die Landesregierung begrüßt Initiativen und Modelle, die vor Ort ein Mittagessen in der Schule ermöglichen. Darum haben wir den Landesfonds „Kein Kind ohne Mahlzeit“ eingerichtet. Darum kommen noch einmal 400.000 € dazu. Damit sollen ehrenamtliche Initiativen zur Förderung der Mittagsverpflegung unterstützt werden.
Meine Damen und Herren, meine Damen von Bündnis 90/Die Grünen, Sie fordern mal eben das Fünfzehnfache dieser Summe.
Dafür legen Sie allerdings keinen Deckungsvorschlag vor. Ist das seriös? Die finanziellen Spielräume unseres Landes – Sie wissen es selbst – sind eng, und wir tragen an Altlasten. Auch das – Schuldenabbau – hat etwas, Frau Löhrmann, mit der Zukunft unserer Kinder zu tun.
Wir nehmen die Verantwortung für unsere Kinder ernst, besonders da, wo Eltern dies nicht im vollen Umfang leisten können. Wir wissen auch: Dies ist nur eine Übergangslösung zur Unterstützung bedürftiger Kinder und Jugendlicher.
Wir haben eben gehört – das ist eine sehr erfreuliche Tatsache; Herr Wilp und Herr Dr. Romberg haben darauf hingewiesen –: Die Sache läuft. Aber mittelfristig setzen wir auf eine bundeseinheitliche Regelung.
Es bedarf meiner Ansicht nach, um ein Fazit zu ziehen, nicht eines Rechtsanspruches in einem Schulgesetz. Es bedarf aber demgegenüber einer verlässlichen Landesregierung, die die erforderlichen Rahmenbedingungen gestaltet und Unter
stützung dort gewährt, wo sie erforderlich ist, ohne Eltern pauschal aus ihrer Verantwortung zu entlassen.
„Es gilt als ausgemachte Sache, dass es die Obrigkeit in allen Dingen besser, zumindest nicht viel schlechter macht, als jeder Bürger. Eltern stehen unter dem Generalverdacht, ihren Kindern nichts zu bieten.“
„Deswegen muss der Staat die Ausfallbürgschaft übernehmen, und das gelingt am besten, wenn Sie die Eltern an die kurze Leine nehmen.“
Ein sehr kritischer Hinweis, und für mich hat Ihr Antrag, Frau Löhrmann, auch etwas mit Menschenwürde zu tun. Ich glaube, das darf ich in diesem Zusammenhang – wir sind unter uns – als Mutter von fünf Kindern sagen: Es ist mir wichtig, von Anfang an meinen Kindern die Möglichkeit der Nahrung zu geben. Es ist eine elementare Verpflichtung, die ich als Mutter habe. Es hat für mich etwas mit Entmündigung zu tun, wenn man es pauschal für alle festlegt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind uns sicherlich alle einig: Es kann nicht sein, dass Kinder morgens kein ordentliches Frühstück bekommen und mittags kein warmes und gesundes Essen. Wir wissen aber auch alle, dass viele Kinder genau das täglich erleben. Diverse Vorredner haben es bereits erwähnt.
Dieser Zustand ist nicht nur unmoralisch und in diesem reichen Land ein ebenso echter wie trauriger Skandal, dieser Zustand ist auch und gerade aus Sicht des Bildungspolitikers unhaltbar. Jeder Schulpraktiker – Frau Schneppe hat gerade darauf hingewiesen – kann von Kindern berichten, die im Laufe des Tages unruhig werden und nicht mehr aufpassen und nicht mehr optimal lernen, weil sie hungrig sind, oder die beschämt Ausreden suchen müssen, weil sie mittags nicht am Es
Das Programm der schwarz-gelben Landesregierung „Kein Kind ohne Mahlzeit“ ist deshalb vom Grundsatz her zunächst ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings auch nicht mehr.
Ich möchte vor diesem Hintergrund vier Anmerkungen zu dem Programm machen und dann zu dem Gesetzentwurf der Grünen kommen.
Erstens zur Befristung! Wir reden hier nicht von einem Problem, das in ein paar Jahren vom Tisch sein wird, sondern wir reden von einer andauernden Aufgabe des Staates. Ich halte es deshalb für falsch, das Programm auf zwei Jahre zu befristen und den Betroffenen, den Kommunen und den ehrenamtlich Tätigen keine ausreichende Planungssicherheit zu geben. Verlässlichkeit sieht aus meiner Sicht anders aus.
Zweitens zur Beschränkung! Wir dürfen das Programm nicht nur auf die Kinder beschränken, die bereits jetzt an Ganztagsschulen angemeldet sind. Auch darauf wurde bereits hingewiesen. Es gibt viele Kinder, die außerhalb eines formellen Ganztagsangebots viele Stunden in der Schule verbringen und die mittags ein gesundes Essen brauchen. Ich möchte nur eine Gruppe beispielhaft erwähnen: die Kinder, die künftig neun oder zehn Stunden täglich am Gymnasium verbringen müssen. Für sie gilt dieses Programm nicht, obwohl sie praktisch den ganzen Tag lang Unterricht haben.
Ich möchte aus der „Kölnischen Rundschau“ vom 30. August zitieren, die sich mit dem DietrichBonhoeffer-Gymnasium aus Bergisch Gladbach befasst hat:
„So hat das DBG den Mittwoch zu einem sogenannten Langtag mit zehn Stunden Unterricht, also bis in den späten Nachmittag hinein, gemacht. Da muss natürlich eine Mittagspause her. Daran hat aber offensichtlich weder das Land als Entscheidungsträger noch die Stadt als Betreiber der Schulen gedacht. ‚Jeder Arbeitgeber würde sagen: So geht das nicht’, meint der Schulleiter.“
„Denn das Arbeitnehmergesetz regelt eine verpflichtende Mittagspause. Wo aber sollen die Kinder zu Mittag essen? Und was?“