Protocol of the Session on August 24, 2007

Sie dokumentieren in dieser ganzen Tragikkomödie um den Samstagsunterricht, dass Sie die notwendige neue Rhythmisierung des Lernens leider noch nicht verinnerlicht haben. Sie sind immer noch bei den alten Melodien: „Immer wieder“ samstags …

(Heiterkeit und Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Frau Beer. – Allerdings darf ich den Zuschauern gegenüber bemerken, dass die Ausdrücke, auch wenn es sich um ein Zitat handelte, unparlamen

Landtag

24.08.2007 Nordrhein-Westfalen

Plenarprotokoll 14/68

tarisch waren. Nicht dass die Zuschauer meinen, man könne hier jedes Zitat durchgehen lassen.

Nun ist Herr Trampe-Brinkmann, SPD-Fraktion, an der Reihe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass dieser Landtag auch musikalisch auf der Höhe der Zeit ist, dann hat Frau Beer diesen Beweis erbracht. Sollten wir einmal eine gemeinsame parlamentarische Initiative starten, Sie für DSDS zu melden: Ich glaube, wir hätten auch bei einer solchen Casting-Show gute Chancen. Das war schon beeindruckend.

„Am Samstag gehört der Papi mir“ – so lautete in den 50er-Jahren die eindringliche gewerkschaftliche Parole, mit der die Abschaffung der 48Stunden-Woche und die Einführung der Fünftagewoche von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erstritten wurden. Ging es damals darum, die Arbeits- und Lebenswelt der Menschen in unserem Lande humaner zu gestalten, so gilt in unserer heutigen Diskussion das Gleiche für unsere Kinder. In Adaption an unser Thema müsste die Parole heute lauten: Am Samstag gehören die Kinder uns!

(Beifall von der SPD)

Das ist genau die Forderung, die nach den Ergebnissen von Umfragen der „Aktuellen Stunde“ oder von „FOCUS online“ erhoben wird. Das bestärkt uns in der Ablehnung Ihres Erlassentwurfs. Der größte Teil der Menschen lehnt Ihren Vorstoß zur Einführung der Sechstagewoche ab und erkennt zunehmend, in welcher konzeptionslosen Art und Weise Sie handeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Einführung Ihres sogenannten „9+3-Modells“ an den Gymnasien haben Sie dafür gesorgt, dass es zu einer erheblichen Stundenverdichtung in der Sekundarstufe I kam. Aufgrund des Wegfalls der 10. Klasse an den Gymnasien müssen die Wochenstunden nun auf weniger Schuljahre verteilt werden. Dies bedeutet selbst nach Aussage des Ministeriums eine durchschnittliche Wochenstundenbelastung von 32,6 Stunden, wobei aufgrund der Bandbreite der Stundentafeln bis zu 35 Unterrichtsstunden in den Klassen 5 und 6 möglich sind.

Nimmt man die Zahl der Unterrichtsstunden und addiert täglich zwei Stunden Hausarbeitsaufwand, stellt man fest, dass sich für unsere Kinder schnell Arbeitszeiten bis zu 45 Stunden ergeben können.

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wir reden hier nicht über vollerwerbstätige Erwachsene, sondern über Kinder im Alter von zehn und elf Jahren. Dabei habe ich noch nicht einmal die Fahrzeiten in überfüllten Schulbussen hinzugerechnet.

Mit diesem Erlassentwurf setzt die Koalition der Täuschung und Enttäuschung ihre verfehlte Schulpolitik konsequent fort. Dies kann man nur als „organisierte Unverantwortlichkeit“ beschreiben.

(Beifall von der SPD)

Das ist eine Politik, die unverantwortlich ist gegenüber den Kommunen, die die vollen Kosten der Samstagsbeschulung zu tragen hätten. So lassen Sie mich an dieser Stelle nur das Problem der zusätzlichen Fahrtkosten erwähnen, die die Städte zu schultern hätten. Frau Beer hat in ihrem Katalog in ihrer Rede dazu deutlichere Ausführungen gemacht.

Das ist eine Politik der Unverantwortlichkeit gegenüber den Lehrerinnen und Lehrern in unserem Land, die auch jetzt schon Elternsprechtage, Konferenzen und Fortbildungen am Samstag durchführen sollen.

Das ist eine Politik der Unverantwortlichkeit gegenüber den Familien, denen damit gemeinsame Zeit, gemeinsame Freizeit genommen wird.

Meine Damen und Herren, mit dieser Billiglösung stiehlt sich die Landesregierung aus ihrer Verantwortung, ein durchdachtes Konzept zum Ausbau des Ganztagsunterrichts an all unseren Schulen vorzulegen.

Die 914 Millionen € Bundesmittel aus dem Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ wurden von Rot-Grün für den Aufbau von Ganztagsgrundschulen verantwortungsvoll genutzt. Während Sie noch vom Untergang des westlichen Abendlandes sprachen, haben wir den Ganztag gemeinsam mit den Kommunen ausgebaut und zu einem Erfolgsmodell entwickelt.

Meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, auch wenn Sie heute Ihre fundamentale Ablehnung gegen den Ganztag aufgegeben haben, konzentrieren Sie sich aber beim Ausbau des Ganztags in der Sekundarstufe I auf ein Drittel der Hauptschulen. Die restlichen Hauptschulen sowie die Realschulen und insbesondere die Gymnasien lassen Sie im Regen stehen.

(Bernhard Recker [CDU]: Was haben Sie denn gemacht?)

Es kommt noch schlimmer. Obwohl Sie wissen, dass die 914 Millionen € IZBB-Mittel aufgebraucht sind, stellen Sie trotz sprudelnder Steuereinnahmen kein frisches Geld für die dringend notwendigen Umbaumaßnahmen in den Ganztagsschulen zur Verfügung.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie wollen mehr Schul- den? Das war vorgestern noch anders!)

Sie verändern sogar die zugesagten Förderrichtlinien im laufenden Verfahren, Herr Witzel, und lassen die Kommunen auf den Mehrkosten sitzen, die diese oftmals nicht schultern können. Sie verunsichern die Eltern in unserem Land,

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

die auf den weiteren Aufbau der Ganztagsgrundschule gesetzt hatten.

Wir fordern Sie auf: Nehmen Sie diesen Erlassentwurf zur Sechs-Tage-Schulwoche zurück! Installieren Sie keine Billiglösung auf Kosten der Kommunen und der Eltern! Legen Sie ein Ganztagskonzept vor, das diesen Namen auch verdient!

Wir werden diesen Antrag weiterhin mit allen unseren Möglichkeiten bekämpfen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Trampe-Brinkmann. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Recker.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Beer, das war weder stimmlich noch inhaltlich überzeugend, muss ich leider heute Morgen feststellen.

(Beifall von CDU und FDP)

Herr Trampe-Brinkmann, ich habe das Gefühl, dass manche gar nicht wissen, worüber wir heute diskutieren. In Ihrem alten Schulgesetz war vermerkt, dass wir zweimal im Monat samstags Unterricht machen konnten,

(Beifall von CDU und FDP)

und jetzt gestalten wir das flexibler. Ich weiß also gar nicht, was dieser Schwachsinn hier jetzt soll.

(Zurufe von der SPD)

Dieser Antrag ist schon wirklich ein wenig gespenstisch. Das ist einfach eine populistische Forderung, die in unbilliger Weise einen Zusammenhang herstellen will zwischen den aktuellen Ganztagsangeboten in unserem Land und einer

flexiblen Unterrichtsverteilung, über die ganz alleine vor Ort entschieden wird.

Nun wird dieser Vorstoß mit der Schulzeitverkürzung am Gymnasium begründet. Das belastet nach Ansicht der SPD-Fraktion mit zusätzlichem Unterricht insbesondere junge Schülerinnen und Schüler in unverantwortlicher Weise. Das ist wirklich Klamauk.

Ich nenne dazu einige Fakten:

Erstens. Die Schulzeitverkürzung am Gymnasium ist in der vergangenen Legislaturperiode – übrigens in breitem politischen Konsens – beschlossen worden. Nordrhein-Westfalen folgt damit der Entwicklung in nahezu allen Bundesländern.

(Beifall von CDU und FDP)

Zweitens. Von den bisher 272 Wochenstunden bis zum Abitur im unverkürzten gymnasialen Bildungsgang verbleiben nach dem Beschluss der jetzigen Landesregierung in der Regel 265 Wochenstunden im verkürzten Bildungsgang. Damit erreicht Nordrhein-Westfalen exakt den von der Kultusministerkonferenz hierfür beschlossenen Wert. Die neue Landesregierung hat die zusätzlich von ihr beschlossenen fünf Stunden für die Erteilung von Förderunterricht und an individuelle Förderung gebunden, meine Damen und Herren.

Drittens. Um die Qualität der Anforderungen an das Abitur zu sichern und die länderübergreifende Anerkennung unseres Abiturs nicht zu gefährden, besteht absolut nicht die Absicht, diese Stundenzahl zu reduzieren.

Viertens. Welche Konsequenzen hat das? – Für die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I ergibt sich ein durchschnittlicher Wochenstundenrahmen von ca. 30 Wochenstunden in Klasse 5, 32 in Klasse 6, 33 in Klasse 7 und 34 in den Klassen 8 und 9.

Es ist richtig, meine Damen und Herren, dass dies dazu führt, dass mehr Kinder und Jugendliche an einem oder an mehreren Tagen in der Woche auch nachmittags Unterricht haben. In der Grundschule kommt hinzu, dass gerade unter dem Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nachmittags immer mehr Angebote gewünscht werden.

Meine Damen und Herren, es war die CDU/FDPLandesregierung, die den Ausbau des Ganztagsangebots zu einem der zentralen bildungspolitischen Ziele erklärt hat.

(Beifall von CDU und FDP)