Protocol of the Session on August 22, 2007

sind Ihre Initiativen und Konzepte in diesem Bereich? Es reicht nicht, im Haushalts- und Finanzausschuss pflichtgemäß über die Lage im Bund zu unterrichten. Es reicht nicht.

Sie sollten endlich inhaltliche Vorstöße zum Beispiel für ein Hebesatzrecht auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer starten. Sie könnten sich für eigene Gesetzgebungsrechte bei den Ländersteuern oder für mehr Freiräume im Länderfinanzausgleich als Anreiz für eine nachhaltige Haushaltspolitik der Länder einsetzen. Das alles tun Sie nicht.

Stattdessen wird, von der FDP angetrieben, in Regierungskreisen nur über ein Schuldenverbot diskutiert, das in dieser Form sowohl landes- als auch bundespolitisch chancenlos ist. In der Sache ist es sogar peinlich und auch lächerlich, da NRW trotz guter konjunktureller Lage weit von einer Null-Neuverschuldung entfernt ist. Da lachen ja die Hühner.

Wir haben Ihnen zumindest Vorschläge für eine Schuldenbremse gemacht. Ich fände es sehr anständig, wenn wir eine konsensfähige Lösung, die auch Nordrhein-Westfalen in Zukunft umsetzt und die die Haushaltspolitik hier nachhaltig beeinflusst, gemeinsam beschließen könnten. Unsere Vorschläge dazu liegen jedenfalls vor; Ihre, Herr Finanzminister, vermissen wir bislang.

Wenn wir in den Ländern mehr Verantwortung wollen – ich setze in diesem Haus voraus, dass wir für das Land mehr Verantwortung wollen –, dann müssen wir dieser auch gerecht werden. Wir wollen uns dieser Auseinandersetzung stellen und setzen darauf, dass die Föderalismuskommission II den Ländern klare und eindeutige Einnahmekompetenzen zuweist.

Wir befürchten allerdings, dass sich die Regierungsfraktionen und der Finanzminister einer ganz konkreten Gerechtigkeitsdebatte in NRW über eine mögliche verfassungskonforme Ausgestaltung der Erbschaft- und der Vermögensteuer entziehen möchten. Sie möchten diese Diskussion nicht so gerne führen. Aber das wäre der Weg. Wir machen Ihnen Vorschläge dazu.

Meine Damen und Herren, diese Landesregierung hat vor der Wahl 2005 blühende Landschaften versprochen und ist jetzt in den Niederungen der Realpolitik gescheitert. Sie haben die Situation des Landes durch eigenes Zutun jedenfalls nicht verbessert, sondern Sie haben sie verschlechtert. Sie haben Wahlkampfversprechen gebrochen und sich auf dem Rücken der Kommunen und des Personals von Kosten entlastet. Einer stümperhaften Verwaltungsstrukturreform, die sogar vom

Landesrechnungshof zumindest im Bereich der Versorgungsverwaltung gerügt wird, folgen immer neue Pleiten, zuletzt bei den Versuchen, die WestLB zu verkaufen. Auch hier kein Konzept, das in die Zukunft weist!

Statt endlich das Thema Schulessen für alle Kinder mit den Beteiligten anzugehen und dafür die notwendigen Mittel im Haushalt bereitzustellen, werden die alten Schlachten des Schulklassenkampfes fortgeführt. Das wird uns in NordrheinWestfalen nicht voranbringen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Haushaltspolitik ist weder modern noch besonders erfolgreich. Sie führt NRW zunehmend ins bundesweite Abseits. Das hat NRW nicht länger verdient. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Groth. – Als Nächster spricht der Abgeordnete Sagel.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Gäste! Es ist für mich schon eine etwas ungewohnte Situation, hier als fraktionsloser Abgeordneter zu reden. Aber ich werde mich bemühen, einiges zur Debatte beizutragen. Das kann dem Parlament nur guttun. Zu dieser späten Stunde – fünfeinhalb Stunden dauert die Debatte schon – habe ich jetzt die Möglichkeit, das eine oder andere zu sagen.

Es war schon verwunderlich, was Herr Rüttgers heute zur Geschichte, insbesondere von SPD und Linken, vorgetragen hat. Ich war schon sehr verwundert darüber. Er hat hier ein äußerst verzerrtes Geschichtsbild gezeichnet. Die Angst vor der Linken, die noch gar nicht im Parlament ist und die sich auch noch gar nicht als Partei gegründet hat, scheint sehr groß zu sein. Es ist schon sehr interessant, wie man sich dazu aufseiten der Landesregierung äußert.

Ich bin es schon gewohnt. In der Vergangenheit haben wir Ähnliches erlebt. Bei den Grünen war es damals in der Gründungsphase nicht viel anders. Da hat man sich sehr despektierlich über sie geäußert.

Bei den Grünen möchte ich mich an dieser Stelle übrigens für das stachelige Signal an meinem Platz bedanken.

(Auf dem Platz von Rüdiger Sagel [fraktions- los] steht ein Kaktus. – Ewald Groth [GRÜ- NE]: Das ist kein Geschenk!)

Ich verspreche, weiter stachelig zu bleiben. Ich hoffe, dass ich das auch bald an einem neuen Platz im Landtag tun kann. Im Moment ist das nur eine Übergangsphase.

Wenn ich schon einmal bei den Grünen bin: Es ist gut, dass sich die Fraktion nun auch meinem Antrag auf Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu dem Subventionsskandal in Gelsenkirchen angeschlossen hat. Vielleicht gibt es im Landtag morgen eine Mehrheit für Transparenz und Aufklärung. Vielleicht gibt es sogar, wenn es zu einer Mehrheit kommen sollte, für mich die Möglichkeit, dort mitzuarbeiten. Das wäre sicherlich ein positives Signal.

Ansonsten möchte ich einiges zu dem sagen, was vonseiten der Koalitionsfraktionen vorgetragen worden ist.

Zur Forderung von Herrn Papke nach einem Mindestlohn – so darf man das wohl verstehen –: Ich fand es sehr ungewöhnlich, dass so etwas in diese Richtung von einem Neoliberalen geäußert wird. Ich frage mich allerdings nach der Brandrede, die Herr Papke vorhin gehalten hat, ob ich auch im Visier des Verfassungsschutzes stehe, denn nicht viel anders konnte man das verstehen, was er vorhin zum Besten gegeben hat.

Ich frage mich im Übrigen auch, was das für ein Demokratieverständnis in den Reihen der Koalition ist, wenn man hier die Kommunalwahl und die Bundestagswahl trennen und diese Wahlen manipulieren will. Denn es ist nichts anderes als Wahlmanipulation, was Sie hier mit dieser Trennung der Wahlen beabsichtigen. Außerdem hat sich neben anderen auch der Bund der Steuerzahler eindeutig geäußert, welche Mehrkosten das bedeuten würde, nämlich Mehrkosten in einer Größenordnung von 40 Millionen €.

Die Angst auf der rechten Seite hier scheint sehr groß zu sein, dass es tatsächlich zu einer Mehrheit jenseits von CDU und FDP kommt. Es ist schon sehr interessant, wie man sich angesichts der politischen Lage versucht aufzustellen, indem man, wie gesagt, offensichtlich bis zum letzten Mittel der Wahlmanipulation greifen will.

(Zuruf von Rudolf Henke [CDU])

Genauso ist das. Wenn Sie versuchen, einen Wahltermin, an dem tatsächlich eine hohe Wahlbeteiligung erreicht werden könnte, was immer eingefordert wird, zu verhindern, indem Wahlen auseinandergelegt werden, dann ist das eine kla

re Wahlmanipulation. Das ist das, was Sie hier vorhaben. Das ist Ihr Demokratieverständnis in diesem Landtag.

(Zurufe von der CDU)

Kommen wir zum Landeshaushalt. Ich will zumindest noch einiges dazu sagen, obwohl heute eher eine Generaldebatte geführt wurde. Wie gesagt: Sie läuft schon fünfeinhalb Stunden. Ich möchte zumindest einiges zum Haushaltsentwurf 2008 sagen.

Die unsoziale Politik soll auch 2008 fortgesetzt werden. Schwarz-Gelb hat die Senkung der Nettoneuverschuldung mit Sicherheit nicht dem eigenen Handeln, sondern den immens steigenden Steuermehreinnahmen zu verdanken und natürlich auch dem Brechen von Wahlversprechen.

Trotzdem: Die Schulden steigen auf über 120 Milliarden € Ende nächsten Jahres. Das heißt: Man lastet sich weitere Schulden auf. Eine hohe Zinsschuld wird angehäuft. Sie wird ab dem nächsten Jahr über 5 Milliarden € jährlich betragen. Das ist die konkrete Konsolidierungspolitik, die man vonseiten der Regierungsfraktionen erlebt. Das ist die Politik, für die der Finanzminister in NordrheinWestfalen steht.

Dies geschieht, obwohl NRW nach wie vor zu den wirtschaftlich stärksten Regionen in Europa gehört. Doch man muss auch konstatieren, dass der wirtschaftliche Reichtum sehr ungleich verteilt ist. Er hat gerade in NRW auch Schattenseiten: Auf der einen Seite gibt es Großkonzerne mit Sitz in NRW wie RWE oder Bayer, die alljährlich Milliardengewinne erwirtschaften und Managergehälter in Millionenhöhe bezahlen. Auf der anderen Seite gibt es aber viele Leute, die hier unter ärmsten Bedingungen ihr Leben fristen.

Was macht die Koalition in Berlin jetzt? Sie senkt die Unternehmenssteuern weiter. Die Auswirkungen werden auch in Nordrhein-Westfalen zukünftig sichtbar werden. Das heißt, es gibt eine ganz klare Steuersenkungspolitik gerade für die, die sowieso schon die Milliardengewinne in Nordrhein-Westfalen erwirtschaften.

Der Armutsbericht hat auf der anderen Seite deutlich gemacht, dass die Kluft zwischen Arm und Reich dramatisch gestiegen ist. Zwei Drittel aller Vermögen in NRW liegen in der Hand von 20 % der Haushalte, von denen wiederum 5 % fast 30 % des Gesamtvermögens kontrollieren.

Wenn man sich zum Beispiel die Statistik der Bundesagentur für Arbeit anschaut, stellt man fest, dass mittlerweile 1,65 Millionen Menschen in Bedarfsgemeinschaften leben; das sind so viele

wie noch nie. Bezogen auf NRW bedeutet das: Seit der Einführung von Hartz IV im Januar 2005 kann eine Zunahme von fast genau 26 % festgestellt werden.

Besonders problematisch in diesem Zusammenhang und ein besonderer Skandal ist aus meiner Sicht, dass nicht nur Erwachsene ihr Leben unter diesen Bedingungen fristen müssen, sondern dass vor allem auch jedes fünfte Kind in Nordrhein-Westfalen arm ist. 207 € für Kinder und 2,42 € pro Tag für die Versorgung von Kindern mit Nahrungsmitteln machen sehr deutlich, wie die Situation ist.

Insgesamt leben gut 540.000 Kinder und Jugendliche in unserem Bundesland unterhalb der Armutsgrenze und werden unter sozial schlechtesten Bedingungen groß. Von einer Chancengleichheit für alle sind diese Menschen und das Land weit entfernt.

Im Übrigen gibt es nach wie vor mehr als 850.000 Arbeitslose; die Dunkelziffer ist deutlich höher. Aber auch viele, die in NRW Arbeit haben, erhalten für diese zum Teil härteste Arbeit keinen auskömmlichen Lohn, sondern müssen ergänzende Sozialhilfe beziehen.

654.000 Personen sind auf Sozialhilfe als laufende Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen. Der Anteil der armen Menschen in NRW ist von 12,5 % in den 90er-Jahren auf mittlerweile über 15 % gestiegen und liegt dabei noch über dem Bundesdurchschnitt. Auch das macht sehr deutlich, wie die soziale Situation in NordrheinWestfalen aussieht.

Eine große Anzahl von Menschen lebt tatsächlich unter der Armutsgrenze von 604 € im Monat. Chancengleichheit ist in Nordrhein-Westfalen also nach wie vor nicht gegeben, was man auch in vielen anderen Bereichen sieht: Sie haben Studiengebühren eingeführt. Auch das trifft besonders die jungen Erwachsenen, die keine reichen Elternhäuser haben. Das sind Ihre Sozialpolitik und Ihre Bildungspolitik, die Sie in Nordrhein-Westfalen machen.

(Zuruf von der CDU: Schwachsinn!)

Wir brauchen eine neue Haushalts- und Finanzpolitik für NRW. Wir brauchen eine Umverteilung der Lasten und ein solidarisches Steuersystem. Das Prinzip der Solidarität muss wieder in die Steuerpolitik des Landes NRW einziehen. Dazu bedarf es einer sozial gerechten ökologischen und nachhaltigen Finanzpolitik im Bund und in NRW.

Um den finanzpolitischen Rahmen zu vergrößern, muss vor allem die Einnahmeseite zur Sicherung

des Handlungsspielraums wieder ins Zentrum der politischen Debatte rücken. Das findet bei Ihrer Politik kaum Berücksichtigung.

Sie sparen – vor allem beim Sozial- und beim Umweltetat. Wenn man in Ihren Haushaltsentwurf 2008 schaut, sieht man, dass in diesen beiden Etats gekürzt worden ist. Alle anderen Haushaltsbereiche wurden aufgestockt. Sie machen weiter eine knallharte Klientelpolitik. Ich konnte zum Beispiel feststellen, dass der Ausbau des Flughafens Münster/Osnabrück mit 2,3 Millionen € weiter gefördert wird.

(Zuruf von der CDU: Sehr vernünftig!)

Das macht sehr deutlich, wie Sie Politik in NRW machen.

Wir brauchen eine Stabilisierung der Steuereinnahmen und eine Stärkung der öffentlichen Finanzen. Das ist nur durch die Einnahmeseite zu erreichen. In Berlin ist die CDU mit an der Regierung. Dort senken Sie die Unternehmenssteuern weiter. Das führt dazu, dass aufgrund der Steuerreform auf der einen Seite immer weniger Geld für die öffentliche Hand zur Verfügung steht und dass auf der anderen Seite die Einnahmen aus Lohnsteuer und aus Mehrwertsteuer, bei der Sie den Steuersatz um 3 % erhöht haben, zulasten der niedrigen Einkommen gehen. Das heißt: Hierdurch wird nach wie vor Geld bei den Leuten, die wenig Geld haben, abgezockt. Auf der anderen Seite entlasten Sie die Unternehmen, die sowieso schon Milliardengewinne machen.

Auch in anderen Bereichen ist die Schließung von Steuerschlupflöchern bei Ihnen kein Thema. Auch die Einstellung von Steuerprüfern – das halte ich Ihnen schon jahrelang vor – ist auch bei Ihnen kein Thema. Sie haben wieder kw-Stellen in Ihrem Haushalt, anstatt dafür zu sorgen, was Ihnen der Bund der Steuerzahler und die Deutsche Steuergewerkschaft empfehlen, nämlich mehr Steuerprüfungen durchzuführen, damit tatsächlich die Unternehmen, die Gewinne machen, auch die Steuern zahlen, zu denen sie verpflichtet sind. Aber diese Steuerprüfungen finden unter Ihrer Ägide nicht so statt, wie sie stattfinden müssten. Der Bund der Steuerzahler spricht zum Beispiel davon, dass dabei insgesamt ungefähr 20 Milliarden € verloren gehen.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)