Meine Damen und Herren, im Rahmen des Anhörungsverfahrens zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung ist von den Kommunalen Spitzenverbänden, dem Einzelhandelsverband und den Kammern das Anliegen vorgetragen worden, im Fall einer interkommunalen Zusammenarbeit Abweichungen von den strikten Vorgaben des Gesetzes zu ermöglichen. Insofern, Frau Kollegin Hammelrath, haben wir sehr wohl die Ergebnisse der Anhörung mit berücksichtigt.
Für die FDP-Fraktion kann ich sagen, dass uns dieser Vorschlag von Anfang an sehr sympathisch war. Wenn sich die betroffenen Kommunen einer Region einig sind, zum Beispiel einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb ausnahmsweise außerhalb des Zentrums anzusiedeln: Warum soll das
Land dies dann unterbinden? Schließlich sind uns die Investitionen, die mit einem solchen Großprojekt verbunden sind, herzlich willkommen.
Mit dem von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Änderungsantrag ist es uns gelungen, eine äußerst ausgewogene und praxisnahe Öffnungsklausel zu formulieren. Von den Anforderungen, die das Gesetz im Regelfall an großflächige Einzelhandelsprojekte stellt, kann künftig unter folgenden materiellen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen abgewichen werden:
Erstens. Es muss ein regionales Einzelhandelskonzept vorliegen, das ein Gebiet von mindestens drei benachbarten kreisfreien Städten oder Kreisen umfasst und das Angaben über städtebauliche Leitlinien und räumlich abgegrenzte Standorte für eine zentrenverträgliche Entwicklung des Einzelhandels enthält.
Zweitens. Für die Wirksamkeit der Abweichung ist als weitere Voraussetzung die Zustimmung des zuständigen Regionalrates erforderlich. Durch diese Regelung ist zum einen sichergestellt, dass das Kernziel des Gesetzes, nämlich der Schutz der Innenstädte, nicht unterlaufen werden kann. Zum anderen liegt die Hürde für Abweichungen nicht so hoch, dass sie in der Praxis unüberwindbar wäre.
Zugleich stärken wir mit der neuen Kooperationsklausel die Verantwortung der Kommunen für eine zentrenverträgliche Einzelhandelsentwicklung. Dies wird auch von den Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ausdrücklich begrüßt. Der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen jedenfalls hat die jetzt zum Beschluss vorliegende Fassung des Gesetzes fast überschwänglich gelobt.
Herr Kollege Priggen, insofern zeigt der Änderungsantrag, den Sie heute vorgelegt haben, auch, dass Sie kein Zutrauen zu der kommunalen Familie haben, ja, dass Sie als Grüne kommunalfeindlich sind.
Ich komme zum Schluss. – Vor diesem Hintergrund würde ich eigentlich erwarten, dass auch die SPD dem Gesetzentwurf zustimmt. Schließlich sind die in Ihrem Entschließungsantrag genannten Bedenken, die in der Sachverständigenanhörung am 18. April vorgetragen worden sind, spätestens letzte Woche in der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Mittelstand und Energie vollständig ausgeräumt worden. Doch statt dem Gesetzentwurf zuzustimmen, geben Sie wieder nur Lippen
Danke schön, Herr Brockes. – Für die Landesregierung spricht nun die Wirtschaftsministerin, Frau Thoben.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Änderung des Gesetzes zur Landesentwicklung soll die Innenstädte als Einzelhandelsstandorte stärken. Dieses Ziel unterstützen alle Fraktionen, wie die Beratungen im Landtag gezeigt haben. Heute liegt Ihnen ein Gesetzentwurf vor, der Anregungen aus der Expertenanhörung vom 18. April aufgreift. Gestatten Sie mir bitte, vor der Beschlussfassung noch einmal kurz auf fünf wichtige Fragen einzugehen:
Zweitens. Hätte eine strategische Umweltprüfung einschließlich Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden müssen?
Drittens. Darf die Regelung auf einen Begriff aus dem Baurecht, nämlich auf den Begriff „zentraler Versorgungsbereich“, abstellen?
Viertens. Beruht die Vorgabe für Herstellerdirektverkaufszentren auf den Empfehlungen der Ministerkonferenz für Raumordnung?
Fünftens. Ist in Anbetracht laufender Planungs- und Genehmigungsverfahren eine Überleitungs- oder Stichtagsregelung erforderlich?
Erstens. § 3 Nr. 2 Raumordnungsgesetz definiert den Begriff „Ziele der Raumordnung“ als verbindliche Festlegungen in Raumordnungsplänen. Dies ist als bundesrechtliche Minimalforderung zu verstehen, um eine Vereinheitlichung der Darstellung von Zielen zu erreichen. Die Ziele der Raumordnung müssen zumindest in Raumordnungsplänen festgelegt sein, um eine Verbindlichkeit zu erreichen. Davon bleiben die Kompetenzen des jeweiligen Bundeslandes unberührt, Ziele der Raumordnung in einer höherrangigen Norm, also in einem Gesetz, festzulegen.
§ 12 Landesplanungsgesetz bestimmt daher auch, dass Ziele der Raumordnung im Landesentwicklungsprogramm sowie in Raumordnungsplänen dargestellt werden. Der Landesgesetzgeber hat daher ein ergänzendes Verfahren für die
Aufstellung bestimmter Ziele gewählt, das den im Bundesrecht aufgestellten Mindestanforderungen an ein verbindliches Ziel gerecht wird.
Zweitens. Die Landesregierung hat geprüft, ob eine strategische Umweltprüfung für die Gesetzesänderung erforderlich ist. Die Einzelfallprüfung kam zu einem negativen Ergebnis. Nach einvernehmlicher Beurteilung des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und der Landesplanungsbehörde besteht kein Erfordernis für die Durchführung einer strategischen Umweltprüfung, da die Rechtsänderung gegenüber der bisherigen Vorschrift nicht zu erheblichen Umweltauswirkungen führt.
Die Zielfestlegung durch das Landesentwicklungsprogramm besteht darin, die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsvorhaben durch textliche Vorgaben auf integrierte Standorte zu lenken, die in Regionalplänen auszuweisen sind. Je nach Situation können unterschiedliche Umweltmedien betroffen sein. Dies gilt aber gleichermaßen für die bestehende wie für die angestrebte Regelung.
Drittens. Eine Steuerung von Einzelhandelsansiedlungen lässt sich nur durch das Zusammenwirken von Landesplanung und Bauleitplanung erreichen. Die Einführung des ursprünglich aus der Bauleitplanung stammenden Begriffs „zentraler Versorgungsbereich“ in die Landesplanung dient dazu, die beiden Planungsebenen miteinander zu verknüpfen.
Da die baurechtlichen Vorschriften für eine Legaldefinition nichts hergeben, füllt die Landesplanung diesen Begriff mit der gebotenen Zurückhaltung aus. Die Kriterien, die der Gesetzentwurf für die Festlegung von zentralen Versorgungsbereichen benennt, wurden vom Bundesgesetzgeber im Zusammenhang mit dem Europarechtsanpassungsgesetz Bau und dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte entwickelt. Darauf stützt sich auch die aktuelle Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster.
Im Übrigen zeigt auch die Planungspraxis, dass es in den nordrhein-westfälischen Kommunen ein gemeinsames Grundverständnis in Bezug auf die Festlegung von zentralen Versorgungsbereichen gibt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts für Landes- und Stadtentwicklungsforschung und Bauwesen in Dortmund, die im Auftrag der Landesregierung erstellt und im April 2006 veröffentlicht wurde.
Viertens. Für die Ansiedlung von Herstellerdirektverkaufszentren setzt der Gesetzentwurf Empfehlungen der Ministerkonferenz für Raumordnung um. Bei diesen Vorhaben handelt es sich um großflächige Einzelhandelseinrichtungen mit einer besonderen Ausprägung und folglich besonderen Auswirkungen. Sie sind nach Auffassung der Ministerkonferenz für Raumordnung nur in Großstädten bzw. Oberzentren an integrierten Standorten und in einer stadtverträglichen Größenordnung zulässig.
Großstädte sind nach der Statistik als Gemeinden mit mindestens 100.000 Einwohnern definiert. In Nordrhein-Westfalen besitzen alle Oberzentren mehr als 100.000 Einwohner. Das trifft aber auch auf einige Mittelzentren im Verdichtungsraum Rhein-Ruhr zu. Aus raumordnerischer Sicht erscheint es vertretbar, auch große Mittelzentren als Standorte für Herstellerdirektverkaufszentren in Betracht zu ziehen. Das entspricht den Empfehlungen der Ministerkonferenz für Raumordnung.
Fünftens. Eine Überleitungs- oder Stichtagsregelung ist weder erforderlich noch mit Bundesrecht vereinbar. Gemäß § 1 Abs. 4 Baugesetzbuch müssen die Gemeinden ihre Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung anpassen. Diese Pflicht endet laut Rechtsprechung nicht mit dem Satzungsbeschluss über einen Bauleitplan, sondern besteht dauerhaft. Sie gilt sowohl für Pläne, die noch nicht in Kraft gesetzt sind, als auch für bestehende Pläne, die nach altem Recht zustande gekommen sind.
Lassen Sie mich abschließend eine kurze Anmerkung zur Öffnungsklausel machen. Mit dieser Öffnungsklausel wird eine Empfehlung der kommunalen Spitzenverbände und anderer Rechnung getragen, im Kooperationsfall im regionalen Konsens Abweichungen zuzulassen. Dadurch wird die Regelung, das Ziel der Stärkung der Innenstädte, nicht aufgegeben.
Die Abweichungen sind an klare Voraussetzungen geknüpft, die übrigens kumulativ erfüllt sein müssen. Ich muss sie hier nicht noch einmal vortragen. Herr Priggen, da die Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen, nennen wir unser
Durch die fortbestehende Bindung an das in Abs. 1 Satz 1 bestehende Integrationsgebot wird verhindert, dass Vorhaben an den falschen Standorten oder auf der grünen Wiese realisiert werden können. Wir meinen, wir hätten die Weichen richtig gestellt.
Eine allerletzte Anmerkung: Auch die Zusammenführung des Gesetzes zur Landesentwicklung mit dem Landesentwicklungsplan ist in Vorbereitung und wird in Kürze in die Beratungen eingebracht. – Danke schön.
Meine Damen und Herren, wir kommen zum Schluss der Beratungen. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen zuerst über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/4527 ab. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Grünen. Wer ist dagegen? – CDU, FDP und SPD. Wer enthält sich? – Dann ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.
Wir stimmen über die Beschlussempfehlung ab. Der Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie empfiehlt in Drucksache 14/4489 – Neudruck –, den Gesetzentwurf Drucksache 14/3451 – in der Fassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Wer ist damit einverstanden? – CDU und FDP. Wer ist dagegen? – Grüne und SPD. Wer enthält sich? – Dann ist diese Beschlussempfehlung angenommen.
Wir stimmen drittens über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/3587 – zweiter Neudruck – ab. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die SPD. Wer ist dagegen? – CDU, FDP und Grüne. Dann ist dieser Entschließungsantrag abgelehnt.
7 Bundesratsinitiative der Ministerpräsidenten unterstützen – Hartz IV-Regelsätze für Kinder erhöhen