Protocol of the Session on May 24, 2007

(Beifall von CDU und FDP – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Am Thema vorbeigere- det, leider!)

Danke schön, Herr Kaiser. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Beer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss gestehen, dass mich dieser Antrag etwas gewundert hat. Ich habe mich gefragt: Ist er an dieser Stelle wirklich hilfreich in der Sache? Wir haben einen anderen Weg gewählt. Dazu wird Frau Löhrmann gleich noch ausführlich Stellung nehmen.

Wenn man Kommunen und Schulen politisch den Rücken freihalten will, dann muss man dafür sorgen, dass die Ewiggestrigen und Schulstrukturverknöcherten in der CDU nicht sofort wieder in die Schützengräben springen, um die Schulformverteidigungsgeschütze in Position zu bringen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Kaiser, es war ein bisschen schwach, was Sie hier gebracht haben.

(Ralf Jäger [SPD]: Streichen Sie bitte „ein bisschen“!)

Wer zwangsweise Grundschulbezirke auflöst und dann über Schulkannibalismus redet – das ist eine gefährliche Strecke, auf die Sie sich begeben haben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Dass es schon eine ganze Zeit schräg von der Heide piept, davon rede ich an dieser Stelle überhaupt nicht.

Frau Kollegin, es gibt eine Zwischenfrage von Frau Schäfer. Würden Sie die zulassen?

Ja, herzlich gerne.

Bitte schön, Frau Schäfer.

Ich frage meine Kollegin, ob sie zur Kenntnis genommen hat, dass ein Mitglied einer Regierungsfraktion bereits im Vorfeld, bevor der Antrag gestellt wird, obwohl wir alle positiven Optionen aus der Fläche haben, gesagt hat, dass dieser Antrag nicht genehmigt werden wird.

Das ist in der Tat so. Ich habe das auch zur Kenntnis genommen. Das ist in der Tat nicht hilfreich. Ich habe auch die Stimmen von Frau Pieper-von Heiden und anderen zur Kenntnis genommen, die sich offensichtlich schon selbst die Schere im Kopf verordnet haben. Deswegen müssen wir an dieser Stelle auch weiter diskutieren.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Wenn es dazu führt, wieder alle in die Schützengräben zu treiben, dann wäre das für die Kinder, für die Eltern und für die Kommune nur negativ.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nun hat es bei Ihnen in der CDU, liebe Kolleginnen und Kollegen, in dieser Woche in der Tat „gerummst“, wie es der Zeitung zu entnehmen war. Es kann nicht nur Herr Tenhumberg gewesen sein, der nach einer Information in Schöppingen über das pädagogische Konzept nicht nur für die Beweggründe der Kommunen großes Verständnis zeigte, sondern auch seine Unterstützung für dieses Konzept in Düsseldorf zugesagt hat. Man muss nur mal auf die CDU-Seite in Schöppingen gucken, dann sieht man das alles ganz genau.

Themen, die mit solcher Macht an die Oberfläche dringen, wie es mit der Frage der Schulstruktur spätestens seit der PISA-Studie geschieht, kann niemand, auch keine Volkspartei, auf Dauer zum Tabu erklären. Ihre Scheuklappen, Ihre Tabus holen Sie jetzt leider Schritt für Schritt tagtäglich wieder ein.

Ihre eigenen Kommunalfraktionen überholen Sie, weil viele, wie die Bürgermeister von Schöppingen und Horstmar, die Zeichen der Zeit erkannt haben. Sie wissen, das gegliederte Schulsystem ist teuer, ineffizient und leistungsfeindlich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der harte Standortfaktor Bildung kann in der Kommune nicht erhalten bleiben, und die demografische Frage eröffnet endlich die pragmatische und unideologische Wahrnehmung.

(Ralf Witzel [FDP]: Leistungsfeindlich!)

Es ist ein Armutszeugnis, dass Sie als CDU nicht in der Lage sind, den Anforderungen, die die Wissensgesellschaft an ein Bildungssystem stellt, gerecht zu werden. Sie sind es, die leider weiter auf Selektion setzen. Sie sind es, die Elternrechte beschneiden und Kinder durch Zwangszuweisung in Schulformen beschämen und zu Bildungsverlierern machen.

(Ralf Witzel [FDP]: Hilfe!)

Müssen Sie eigentlich in zentralen Fragen immer erst von Verfassungsgerichtsurteilen auf Kurs gebracht werden? Gestern gab es dazu ein aktuelles Urteil in Sachen Unterhaltsrecht.

Von den Bildungstaliban der FDP erwarte ich nichts anderes mehr, nachdem Frau Pieper-von Heiden gestern meinte, man solle alle die, die konsequent davon reden, dass dieses Schulsystem endlich nach den Anforderungen des 21. Jahrhundert ausgerichtet werden muss – dazu gehört auch das Überwinden von hierarchischen Schulstrukturen –, am besten zwangseinweist.

Wir Grünen müssen uns in Sachen Gemeinschaftsschule an dieser Stelle nicht weiter aus dem Fenster lehnen.

(Ralf Witzel [FDP]: Da sind Sie auch schon herausgefallen!)

Denn wir haben die Allgemeine Sekundarschule, die der VBE schon kurz nach der Wahl vorgestellt hat, von Anfang an unterstützt. Auf diesem Konzept basiert ja auch die Initiative der beiden Kommunen.

Wie man hört, soll aber auch wieder der Schattenreiter Winands unterwegs sein, um Feuerchen auszutreten, die im Land an mehreren Stellen glimmen

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

und in Schöppingen und Horstmar offensichtlich am Lodern sind. Nicht nur in Delbrück im Kreis Paderborn hat der Staatssekretär bislang dezidiert schon Verbundlösungen von Haupt- und Realschulen eine Absage erteilt, und etliche Anträge werden vom Ministerium nicht genehmigt.

(Ralf Witzel [FDP]: Sehr gut!)

Eine Verbundschule gibt es unter Aufsicht und im Quartier von Herrn Recker jetzt das erste Mal; wahrscheinlich, damit er Aufsicht führen kann, damit die Bildungsgänge fein säuberlich getrennt bleiben und ja nichts anbrennt.

Es waren aber schon CDU-Bürgermeister, zum Beispiel in Rödinghausen und in Saerbeck, die damals Gesamtschulen für ihre Kommunen gegründet haben, weil sie wussten, wie wichtig es ist, die Kinder im Ort zu halten und ihnen möglichst hohe Bildungsabschlüsse zu ermöglichen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Diese stehen hinter ihren erfolgreichen Schulen und stärken sie. Das machen jetzt die Bürgermeister an dieser Stelle auch. Ich kann ihnen nur

gratulieren, dass sie die freie Schulwahl so umsetzen, wie sie das verstehen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Hier im Landtag und im Schulausschuss führen wir Gespensterdebatten über die Qualitätsoffensive Hauptschule. Die Hauptschulen hatten schon immer die bessere Lehrerausstattung, Sozialarbeiterausstattung und Programme, um die Attraktivität zu verbessern.

Auch der Ganztag rettet die Hauptschulen nicht, Frau Ministerin. Die Hauptschule ist weder für Kinder noch für Eltern oder Lehrkräfte die Wunschschule, auch nicht für die vielzitierten Abnehmer. Das hat mit unserem hierarchisch gegliederten Schulwesen, das leistungsfeindlich und nur vermeintlich begabungsgerecht ist, zu tun. Es hat damit zu tun, dass damit ein Oben und Unten erzeugt wird; und unten sein will niemand.

Aber Herr Witzel und die FDP meinen, dass man eine bestimmte Gruppe von Menschen unten lassen muss. Das hat er gestern mit seinen Zwischenfragen erneut bewiesen.

(Ralf Witzel [FDP]: Unverschämtheit!)

Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass knapp 100 Schulleitungen von Grund- und Hauptschulen die Faxen dicke haben, gerade auch in Baden-Württemberg. Ich wünsche mir, dass die Praktiker vor Ort und die Kommunen auch bei uns aufstehen und Tacheles reden, obwohl ich weiß, dass zurzeit Schulleitungen und Lehrkräfte in Verbandszeitschriften nicht mehr wagen, Beiträge mit ihrem Namen zu zeichnen, weil sie – wohl berechtigt – Befürchtungen hegen müssen, hinterher dienstlich heranzitiert zu werden und dann Nachteile zu haben.

Ich möchte daran erinnern, dass es so etwas wie eine Inquisition im Schulministerium mit der Suche nach einer undichten Stelle bereits gegeben hat. Ein System Kohl brauchen wir in der Bildungspolitik in Nordrhein-Westfalen nicht, sondern Gestaltungsfreiheit für die Kommunen, pädagogische Souveränität für die Schulen und vor allem längeres gemeinsames Lernen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Frau Beer. – Frau Pieper-von Heiden hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Uff, hier sprach die Ideologin.

(Beifall von FDP und CDU)