Protocol of the Session on May 23, 2007

schaftsteuer ist ein zweiter Bereich, wo wir in diesem Sinne gesetzgeberisch tätig werden könnten.

Ich mache eine zweite Bemerkung zum Länderfinanzausgleich, dem eigentlichen Problem der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen. Der Länderfinanzausgleich, den wir heute haben, ist dezidiert leistungsfeindlich.

Modellrechnungen für das Jahr 2001 – da hat sich etwas verändert, wie ich sofort einräumen muss – haben für das Saarland ermittelt, dass es bei 1 Million € Mehreinnahmen an Einkommensteuer unter dem Strich 140.000 € weniger im Haushalt gehabt hätte. Das würde man im Steuerrecht als eine Grenzbelastung von über 100 % bezeichnen. Das ist jetzt zurückgegangen. Es sind Veränderungen im Zuge des Finanzausgleichsgesetzes 2005 vorgenommen worden. Das sogenannte Prämienmodell wurde eingeführt. D’accord. Gleichwohl haben wir im System immer noch eine Grenzbelastung von 86 %, 87 %. Jeder eingenommene Euro fließt überwiegend – egal, ob es ein Nehmerland oder ein Geberland ist – in den großen Topf. Es bleiben vielleicht 14, 15 Cent übrig. Das ist kein echter Anreiz, die eigene Wirtschaftskraft zu stärken, Steuerquellen zu pflegen.

Sie haben auf die Anwendung des Steuerrechts hingewiesen, Frau Löhrmann. Auch wenn es ein problematisches Argument ist, das niemand so richtig bestätigen und mit Fakten stützen kann – einer gewissen Plausibilität entbehrt es nicht.

Deshalb ist es erforderlich, den Länderfinanzausgleich umzubauen. Wir schlagen als Freie Demokraten vor, uns am Halbteilungsgrundsatz zu orientieren. Ich weiß, der Halbteilungsgrundsatz ist vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 11. November 1999 für die Anwendung im Bereich der bundesstaatlichen Finanzen verworfen worden – aber nur auf der Grundlage des bestehenden Grundgesetzes. Als verfassungspolitisches Ziel kann man nach unserer Auffassung den Halbteilungsgrundsatz nach wie vor vertreten.

Daraus leiten wir zwei konkrete Forderungen ab. Erstens. Die maximale Abschöpfungsquote eines zum Ausgleich verpflichteten Landes sollte auf 50 % reduziert werden. Gegenwärtig sind wir bei 72,5 %. Zweitens sind wir der Auffassung, dass das Prämienmodell im Länderfinanzausgleich, das überdurchschnittliche Steuereinnahmen eines Landes gegenüber dem Vorjahr zu 12 % vom Länderfinanzausgleich freistellt, auf 50 % erhöht werden sollte. Das würde zu erheblichen Veränderungen in der Verteilung der Finanzmasse führen. Darauf kann man aber reagieren, indem etwa die kommunale Finanzkraft vollständig einbezo

gen wird, der Umsatzsteuervorwegausgleich suspendiert wird. Das würde in anderer Weise zu einer Kompensation für finanzschwache Länder führen.

Ich mache noch eine kurze stichwortartige Bemerkung zum Thema Schuldenbremse, weil mir die Zeit wegläuft, Frau Präsidentin. Ein absolutes Verschuldungsverbot – meine persönliche Auffassung unterscheidet sich da von Grundsatzbeschlüssen meiner Partei, sie unterscheidet sich auch von Formulierungen aus dem Grundsatzprogramm der CDU – ist nicht sinnvoll.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Richtig!)

Notwendig ist, dass auch zukünftige Generationen an der Finanzierung etwa von großen Infrastrukturmaßnahmen beteiligt werden, von denen auch mehrere Generationen profitieren. Wir müssen aber den Investitionsbegriff verändern, und zwar nicht im Sinne einer Ausweitung, lieber Herr Kuschke, wie Sie das vorgeschlagen haben, sondern im Gegenteil: Wir müssen ihn restriktiver fassen. Wir müssen Finanzinvestitionen herausnehmen. Wir müssen Desinvestitionen, Abschreibungen berücksichtigen, damit wir zu einem trennscharfen Investitionsbegriff kommen. Letztlich sind dann nach unserer Auffassung fast nur noch Bauinvestitionen als Investitionen im Sinne des Grundgesetzes zu fassen.

Eine letzte Bemerkung, Frau Präsidentin – darauf hat Herr Kuschke hingewiesen –: Im Zuge der Föderalismusreform I ist manches vereinbart worden, bei dem wir heute prüfen müssen, ob es sinnvoll ist. Ich räume hier für die Freien Demokraten ein: Wir müssen Mischfinanzierungstatbestände reduzieren. Aber dass wir ausgerechnet den einzigen Mischfinanzierungstatbestand, der sinnvoll ist, abgeschafft haben, nämlich den Hochschulbau, das leuchtet mir nicht ein. Das ist der einzige Bereich, in dem es sogenannte SpillOver-Effekte gibt, Nutzen, die über ein Land hinausschwappen. Der einzige Bereich, wo wir die Mischfinanzierung abgeschafft haben, ist ausgerechnet der. Beim Küstenschutz, wo es keiner Mischfinanzierung bedarf, weil es sich auf ein Land und seinen Nutzen bezieht, haben wir es dringelassen. Das ist für mich nicht nachvollziehbar.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das Wasser macht vor Grenzen nicht halt!)

Wir müssen stärker reduzieren, trennen. Wir müssen auf Art. 106 des Grundgesetzes achten. Wir brauchen keine Mischfinanzierungstatbestände für die Kinderbetreuung. Notwendige Ausgaben und laufende Einnahmen sind nach Art. 106 Abs.

3 zu decken. Das ist das Kostendeckungsprinzip: Wenn die Aufgaben der Länder sich erweitern, weil sie Kinderbetreuung zu einer wichtigeren Aufgabe machen, dann muss im Finanzplanungsrat darüber gesprochen werden. Die Umsatzsteuer ist die einzige Steuerquelle, die einfach gesetzlich zu verändern ist. Genau deshalb muss dieser Mechanismus in Gang gesetzt werden. Auch das kann ein Ziel für die Föderalismusreform II sein. – Frau Präsidentin, Sie waren großzügig mit der Redezeit. Dafür bedanke ich mich. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Danke schön. – Herr Minister Linssen hat jetzt das Wort für die Landesregierung.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehen Sie mir es nach: Ich bin hoch erfreut über die sehr positive Einstellung, die eigentlich alle Redner gegenüber dem Thema Föderalismusreform II und auch gegenüber der generellen Notwendigkeit von Reformen geäußert haben.

Der Antrag Ihrer Fraktion, Frau Löhrmann, von Bündnis 90/Die Grünen, greift das Thema auf, das wir im Haushalts- und Finanzausschuss natürlich erörtert haben. Ihren kleinen Hinweis, dass Sie uns aus dem Dämmerschlaf befreien wollten, buche ich unter üblichem Oppositionsverhalten ab. Das haben wir früher auch so gemacht.

Wir haben am 19. April im Haushalts- und Finanzausschuss – vielleicht haben Ihre Leute Ihnen das nicht erzählt – einen Bericht der Landesregierung zum Sachstand abgegeben. Wir hatten am 10. Mai eine Anhörung zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP mit dem Thema „Wider den Staatsbankrott „. Ich hatte Ihnen unser Konzept, das ich auch öffentlich gemacht habe, zugeleitet.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie haben es nicht in die Mitte des Parlaments gestellt!)

Insofern freue ich mich darüber, dass Sie auf dieses Thema jetzt mit einem Antrag eingegangen sind.

Bevor ich näher auf diesen Antrag eingehe, meine Damen und Herren, möchte ich ankündigen, dass die Landesregierung den Landtag selbstverständlich auch zukünftig über die Beratungen in der Kommission auf dem Laufenden halten wird.

Zum Antrag folgende Bemerkungen: Bundestag und Bundesrat haben sich nach durchaus kontroversen Diskussionen auf einen gleichlautenden Einsetzungsbeschluss für die gemeinsame Kommission zur Modernisierung der Bund-LänderFinanzbeziehungen verständigt. Hiermit wurde sicherlich ein erster und auch sehr wichtiger Schritt zu den notwendigen Reformen gemacht.

Ich denke allerdings, meine Damen und Herren, wir sind gut beraten, wenn wir uns für die weitere Arbeit auf das „Programm“ konzentrieren, das Bundestag und Bundesrat vereinbart haben. Danach ist das Ziel der Reform, die Finanzbeziehungen insbesondere mit Blick auf die Wachstums- und Beschäftigungspolitik – so heißt es – zu modernisieren.

Mit dem Antrag wird eine Erweiterung auf – wie es in Ihrem Antrag heißt, Frau Löhrmann – „die Abwendung der Klimakatastrophe und den Ausbau der Wissensgesellschaft“ begehrt.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das steht auf der Tagesordnung!)

In Ihrem Antrag fordern Sie weiter, sämtliche Finanzierungssysteme auf den Prüfstand zu stellen.

Aus meiner Sicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, macht es wenig Sinn, das umfassende Programm der Reform auf alle denkbaren Aspekte auszuweiten. Würden wir diesen Weg tatsächlich beschreiten, würden wir kaum zu Ergebnissen kommen. Sie kennen die Mechanismen, Frau Löhrmann, wie so etwas abläuft.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Bundestag und Bundesrat haben sich in Ergänzung zu dem Beschluss auf eine sogenannte „offene Themensammlung“ verständigt. Sie enthält acht Schwerpunkte und den üblichen Punkt „Sonstiges“, der notwendige Ergänzungen möglich macht. Die Schwerpunktsetzungen reichen von den Themen „Haushaltswirtschaft; Vorbeugung von Haushaltskrisen“ über „Aufgabenkritik und Standardsetzung“ bis hin zur „Stärkung der Eigenverantwortung der Gebietskörperschaften“. Der Katalog ist wirklich weit gesteckt. Wir sollten sehen, dass wir in diesem Rahmen Ergebnisse erzielen, sosehr es auch wünschenswert sein mag, noch weitere Themen aufzugreifen.

Nach den bisherigen Beratungen zeichnet sich ab, dass die Schaffung neuer Verschuldensregelungen und die Etablierung eines Frühwarnsystems von besonderer Bedeutung sein werden. Es wird Sie nicht verwundern, dass diese Punkte aus meiner Sicht im Fokus stehen; darüber haben wir hier im Landtag ja schon öfter gesprochen.

Nach dem Antrag muss „das grundlegende Ziel der Haushalts- und Finanzpolitik … darin bestehen, über einen Konjunkturzyklus hinweg die Haushalte von Bund und Ländern ausgeglichen zu gestalten“. Der Kollege Lindner war sich mit Frau Löhrmann einig, dass wir kein absolutes Schuldenaufnahmeverbot etablieren wollten.

Der Vorschlag knüpft eng an die Vorstellungen des Sachverständigenrates an. In der Diskussion ist auch, Bund und Ländern aufzugeben, grundsätzlich ausgeglichene Haushalte vorzulegen, das heißt Haushalte ohne Nettoneuverschuldung. Regelungen, die sich am Konjunkturzyklus orientieren, sind aus meiner Sicht vor allem deshalb problematisch, weil niemand sagen kann, an welchem Punkt des Zyklus wir uns jeweils befinden.

(Beifall von der FDP)

Wir haben mit dem Begriff „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ nun so viel Schiffbruch erlitten, dass ich nicht neuen Interpretationsmöglichkeiten Tür und Tor öffnen möchte.

Da wir, schon um Generationengerechtigkeit herzustellen, aus meiner Sicht sehr viel strengere Verschuldungsregelungen brauchen, als wir sie jetzt haben, könnte es besser sein, klarere Grenzen zu formulieren.

An dieser Stelle ein paar Worte zur Höchstgrenze der Investitionen für die Neuverschuldung: Keinesfalls darf es bei der jetzigen großzügigen Regelung bleiben. Die Verschuldungsmöglichkeiten müssen deutlich eingeschränkt werden.

(Beifall von Werner Jostmeier [CDU] und Christian Lindner [FDP])

Wir haben erlaubt, uns bis zur Höhe der landeseigenen Investitionen verschulden zu können. Ich kann auch nur davon abraten, den Investitionsbegriff jetzt aufzuweichen. Dann öffnen wir wieder allem Tür und Tor.

(Beifall von der FDP)

Sie werden erleben, wenn wir Bildungsinvestitionen, wie Sie es vorgetragen haben, Herr Kuschke – so berechtigt das ist –, mit in den Investitionsbegriff nehmen – das garantiere ich Ihnen –, dass, wenn wir über Umwelt diskutieren, gesagt wird, die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen sei mindestens ebenso wichtig. Und dann wird das auch noch als Investition bezeichnet werden. So kommen wir in Teufels Küche.

Ich hatte mir deshalb erlaubt, in unserem Konzept vorzuschlagen, einfach auf die Hälfte des jetzigen Investitionsvolumens zurückzugreifen. Der Sach

verständigenrat kommt in der Summe im Grunde auf das gleiche Ergebnis, nur über einen anderen Weg.

Bei dieser wichtigen Stellschraube der Reform, also den Verschuldungsmöglichkeiten, stehen wir sicherlich noch am Anfang der Diskussion. Die Kommission wird am 22. Juni 2007 eine Anhörung zu den Finanzthemen im engeren Sinn durchführen. Die Ergebnisse dieser Anhörung, aber auch die Auswertung der im Haushalts- und Finanzausschuss unseres Landtages am 10. Mai 2007 stattgefundenen Anhörung werden uns weitere Erkenntnisse liefern.

Wir werden in den Beratungen der Kommission – insbesondere auch in Abstimmung mit anderen Ländern – klären, welcher Weg den größten Erfolg verspricht, und zwar zunächst zur Begrenzung und schließlich zur Rückführung der Verschuldung.

Ich komme noch einmal zurück zum Antrag. Mit ihm werden Unterstützungs- und Sanktionsinstrumente bei der Verletzung von Verschuldungsregelungen gefordert. Das ist richtig, greift aus meiner Sicht aber zu kurz. Wir brauchen ein „Frühwarnsystem“, das allerdings auch – Herr Kuschke, das haben Sie völlig richtig bemerkt – gemeinsame Kriterien erfordert. Wir brauchen ein Haushaltsüberwachungssystem. Die Haushaltsdaten von Bund und Ländern sollten überwacht werden. Sobald sich zeigt, dass die Haushaltsdisziplin verlassen wird, sollte dies öffentlich gemacht werden.

Schon zu diesem Zeitpunkt muss die betroffene Gebietskörperschaft zum Gegensteuern aufgefordert werden. Denn sonst kommt es zu solchen Aussagen, wie wir sie beispielsweise vom Ministerpräsidenten Oettinger hören: Berlin ist so weit aus dem Ruder gelaufen, da müssen wir helfen. – Ich hätte noch ein paar andere gute Vorschläge, die ich dem hinzufügen könnte. Ich halte davon überhaupt nichts. Jeder, der sich in den Sumpf gesteuert hat, muss sich selber wieder herausziehen.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Aufforderung zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin darf nicht erst, wie im Antrag ausgeführt, bei Verletzung von Verschuldungsregelungen ergehen. Schon die Gefahr der Haushaltskrise macht Vorgaben zur Wiederherstellung der Haushaltsdisziplin erforderlich.

Der Antrag fordert weiter, die Anreize zur Einnahmeverbesserung für die Länder zu erhöhen. Diese Forderung unterstütze ich. Allerdings ist sie

nicht nur im Rahmen der Verbesserung des Länderfinanzausgleichs von Bedeutung. Den Ländern mehr Steuerautonomie einzuräumen, ist aus meiner Sicht zudem ein gewichtiges Gegenstück zur Einschränkung der Verschuldungsmöglichkeiten. Ich glaube, dass das wirklich zwei Seiten einer Medaille sind. Nach den bisherigen Beratungen liegt allerdings noch ein tüchtiges Stück Arbeit vor uns, um insbesondere die finanzschwachen Länder hiervon zu überzeugen.