Protocol of the Session on September 1, 2005

Sehr geehrte Damen und Herren, aus guten Gründen ist in den vergangenen Jahren das Verfahren der sogenannten schulscharfen Stellenausschreibung forciert und ausgeweitet worden. Was sagen Sie zur Kritik der Schulen, dass jetzt auch die Bewerber und Bewerberinnen in den Schuldienst gekommen sind, die von Schulen vorher aus guten Gründen, häufig unter Qualitätsaspekten abgelehnt worden sind?

(Beifall von Sören Link [SPD])

Was sagen Sie Eltern, Schülern und Schülerinnen, die es eventuell in verstärktem Maße mit Lehrerinnen und Lehrern zu tun bekommen, die diesen Beruf besser nicht ergriffen hätten?

Was sagen Sie den Schulen, die Lehrer und Lehrerinnen mit der dringend benötigten Fächerkombination nicht bekommen haben? Kommt es vielleicht vor diesem Hintergrund zu einer vollkommen neuen Einschätzung der Bedeutung und des Wertes von fachfremdem Unterricht, der höchsten schulpolitischen Sünde, die Sie in diesem Haus immer gegeißelt haben? Hat das Konsequenzen für die Lehrerausbildung? Gehen wir wieder zurück zu dem Lehrer für alle Schulformen, der multifunktional einsetzbar ist? Das wäre eine Perspektive. Klären Sie uns bitte darüber auf!

Sie haben in Sat 1 darüber gesprochen: Ein Lehrer ist ein Lehrer. Darüber sollte man sich freuen. - Ja natürlich, das muss Konsequenzen haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eine andere Facette aus dem Zahlenwerk: Die Ministerin hat sich eine Stärkung der Hauptschulen vorgenommen.

(Bernhard Recker [CDU]: Ja!)

Ich frage Sie hier: Ist der Anteil von landesweit fünf Stellen aus den vorgenannten 936 Einstellungen zum 19. August der erste Meilenstein der satten Lehrerversorgung an Hauptschulen?

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es ist zudem erstaunlich, dass die Schulform, die nach Ihnen vorliegenden Zahlen in der Sek. I und der Sek. II den höchsten Schülerzuwachs hat, nämlich die Gesamtschule, unterproportional versorgt wird.

Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen, ich will nur noch eine Frage anschließen: Die Ministerin hat auf eine Journalistenfrage zu den Zahlen der Lehrereinstellungen gesagt, Zahlen könne sie sich schlecht merken, sie sei für die Visionen da. - Gehört zu diesem visionären Zahlenwerk der Minis

terin eigentlich auch die freiwillige und unbezahlte Mehrarbeit von Kolleginnen und Kollegen, wie das über die Aufforderung an die Hauptschullehrer und -lehrerinnen geschehen ist, doch bitte freiwillig Nachmittagsunterricht anzubieten? Ist das die satte Lehrerversorgung, die den Hauptschulen in Aussicht gestellt worden ist?

Unter Berücksichtigung und zur Klärung all dieser Fragen würde ich Ihnen gerne empfehlen, die Jubelarie für heute abzusagen und die Musik vorerst nach Hause zu schicken. - Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Beer. - Jetzt hat Frau Ministerin Sommer das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte gerne weiter Musik machen,

(Beifall von CDU und FDP)

weil ich glaube, dass wir hier Grund zum Jubeln haben. Und die Musik bezahlen können wir auch.

Zusätzliche Lehrerstellen und 20 Millionen € zusätzlich für den Vertretungsunterricht - das sind die beiden ersten Maßnahmen im Schulbereich, mit denen die neue Landesregierung Maßstäbe setzt.

(Beifall von CDU und FDP)

Von den 1.000 zusätzlichen Lehrerinnen und Lehrern haben wir bereits nach gut fünf Wochen 977 eingestellt.

(Beifall von CDU und FDP)

Durch die zusätzlich eingestellten Lehrkräfte wird Unterrichtsausfall effektiv und ganz konkret an einzelnen ausgewählten Schulen bekämpft.

In diesem Zusammenhang die Antwort auf eine Ihrer Fragen, Frau Beer: Selbstverständlich bleiben wir bei dem Beschluss, unsere längst vergessene Schulform Hauptschule wieder in den Blick zu nehmen.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Das ist wohl wahr! Wer hat die eigentlich vergessen?)

Ich versichere Ihnen hier - und das mache ich nachdrücklich -, dass die Lehrerversorgung über diese 1.000 Stellen sehr deutlich schulbezogen war - nicht schulformbezogen. Wenn Sie nun beklagen, dass die ein oder andere Hauptschule keine Lehrerstelle bekommen hat, dann sage ich:

Sie brauchte dann auch keine. Wir haben den Bedarf vorher ganz genau abgeklopft.

(Widerspruch von der SPD)

Das war Aufgabe der Bezirksregierungen. Ich denke, ich kann mich auf meine Bezirksregierungen auch verlassen.

(Beifall von CDU und FDP - Carina Gödecke [SPD]: Herr Solf hat sich eben kritisch geäu- ßert!)

Ich möchte Sie gerne daran erinnern: 5 Millionen Unterrichtsstunden sind nicht nur im Jahr 2003, sondern erneut auch im zurückliegenden Schuljahr 2004/2005 ausgefallen. Auf die einzelnen Schulformen bezogen betrug der Unterrichtsausfall zwischen 3,7 und 6,8 % der Stunden.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Wahnsinn!)

Zur Klarstellung: Unter Unterrichtsausfall werden nicht diejenigen Stunden erfasst, in denen, weil etwa ein Lehrer krank ist, Vertretungsunterricht stattfindet. Alle im Frühjahr zu hörenden Behauptungen, die Unterrichtssituation an unseren Schulen habe sich entscheidend gebessert, waren reine Nebelkerzen.

(Beifall von CDU und FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie die Zahl von 5 Millionen Stunden Unterrichtsausfall nun auch öffentlich einräumen.

(Zuruf von der SPD: Die haben wir immer eingeräumt! Die haben wir nie bestritten!)

Die neue Landesregierung hat mit der Bereitstellung der ersten 1.000 zusätzlichen Lehrerstellen Wort gehalten. Wir lassen unsere Schulen nicht allein. Wir halten Wort und werden auch die angekündigten zusätzlichen 3.000 Lehrerstellen bis zum Ende der Legislaturperiode bereitstellen. Wir werden handeln. Wir sehen nicht tatenlos zu.

(Beifall von CDU und FDP)

Eben ist es schon angeklungen. Wir hören immer wieder, dass man erstaunt sagt: Das, was Sie versprochen haben, machen Sie wirklich. - Dabei soll es bleiben, um gegen den Unterrichtsausfall an nordrhein-westfälischen Schulen anzutreten. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Ich möchte Ihnen etwas aus einem Brief des nordrhein-westfälischen Lehrerverbandes aus der vergangenen Woche vortragen. Darin heißt es:

Mit Respekt und Dank registrieren Philologenverband und Realschullehrerverband, dass die

zusätzliche Einstellung von 1.000 Lehrerinnen und Lehrern angekündigt und organisatorisch kraftvoll und zügig umgesetzt wurde.

(Beifall von CDU und FDP)

Es ist nun nicht schwer, von der Oppositionsseite aus zu sagen: Das hätten wir auch getan. - Ich möchte gern auf meine Zeit als Schulaufsichtsbeamtin zu sprechen kommen. Das ist nur Wochen her. Im Schulamt Gütersloh hatten wir offene Stellen. Wir haben Appelle an die Bezirksregierung gerichtet. Diese Appelle sind an das damalige Ministerium weitergegangen. Als Antwort haben wir gehört: Es wird keine Stellen geben.

(Zurufe von der CDU)

Ich war vor einigen Tagen in Gütersloh. Die Stellen an den Grundschulen und an den Sonderschulen wurden besetzt - nicht an den Hauptschulen, denn dort gab es keinen Bedarf, weil es in Gütersloh einen Überhang an Hauptschullehrern gab.

(Zuruf von der SPD: Ach nein! In einer ver- gessenen Schulform!)

Das, was Herr Recker eben deutlich gesagt hat, möchte ich an dieser Stelle wiederholen: Kinder fallen nicht einfach vom Himmel. Sie sind da, und - ich greife Ihr Rechenexempel auf, ich bin eine einfache Grundschulfrau - sie sind zählbar. Sie sind nämlich mit fünf oder sechs Jahren einfach da.

(Beifall von CDU und FDP)

Tatsache ist doch: Die Vorgängerregierung hatte die besorgniserregende Situation im Frühjahr 2005 nicht zur Kenntnis nehmen wollen und deshalb auch keinerlei Vorsorge gegen einen absehbaren massiven Unterrichtsausfall getroffen. Sie hätte die Schulen mit diesem Problem allein gelassen.