Protocol of the Session on March 29, 2007

Das geht ja nicht. Das ist die Einbringung!

(Minister Dr. Helmut Linssen geht ans Rede- pult. – Zurufe: Aha! Hey! – Beifall)

Ich hatte gerade das Essen auf dem Teller, aber …

(Heiterkeit)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat Ihnen den Gesetzentwurf zur Einrichtung eines Personaleinsatzmanagements in Nordrhein-Westfalen vorgelegt.

Das Personaleinsatzmanagement ist notwendig, um die Verwaltungsstrukturreform zu unterstützen und das strukturelle Defizit des Landeshaushalts in den Griff zu bekommen. Kw-Vermerke müssen zügig und vor allem schneller als bisher abgebaut werden. Beschäftigte des Landes sollen nur dort eingesetzt werden, wo sie wirklich benötigt werden. Es ist nicht zu schaffen, den Haushalt nachhaltig zu entlasten, ohne die Personalkosten zu reduzieren. Das gilt nach wie vor – trotz der derzeit erfreulichen Einnahmesituation.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich Ihnen das Instrument Personaleinsatzmanagement mit einem Blick auf die jetzige Situation unseres landesinternen Arbeitsmarkts vorzustellen. Ich denke, dann wird noch deutlicher, warum wir das Personaleinsatzmanagement, kurz PEM genannt, benötigen.

Bislang haben wir keinen landesweiten, sondern lediglich ressortbezogene Arbeitsmärkte. Einen Wechsel der Beschäftigten zwischen den Ressorts gibt es kaum, eine ressortübergreifende Transparenz fehlt, Arbeits- und Leistungspotenziale der Beschäftigten werden nicht ausgenutzt, und vor allem: Stellennachbesetzungen erfolgen meist nicht mit Beschäftigten, die in anderen Ressorts auf Stellen sitzen, die an sich überflüssig sind. Die Ressorts greifen vielmehr häufig auf den freien Markt zu. Das wollen wir nun im Interesse effektiver Haushaltskonsolidierung ändern.

Ausgangspunkt unserer Betrachtung für ein effektives Personaleinsatzmanagement ist der kwVermerk, also die Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers, dass ein Überhang an Personal besteht. Nun macht sich der Haushaltsgesetzgeber aber keine ins Einzelne gehenden Gedanken darüber, welche konkreten Stellen in welchen genau bestimmten Dienststellen wegfallen. Diese sogenannten Kw-Vermerke werden ganz überwiegend pauschal ausgebracht.

Als ich hier in den Landtag kam, habe ich auch ein bisschen länger gebraucht, bis ich dieses System verstanden habe. Deshalb versuche ich es noch einmal ein bisschen zu erklären.

Wollen wir nun einen Vorzieheffekt ausnutzen und nicht mehr abwarten, bis sich der kw-Vermerk durch natürliche Fluktuation erledigt hat, müssen wir genau bestimmen, wo in der Landesverwaltung zu viel Personal vorhanden ist. Die Ressorts müssen diese schwierige Aufgabe eigenverantwortlich erfüllen. Sie müssen entscheiden, ob Prozesse optimiert, einzelne Aufgaben nicht mehr wahrgenommen werden oder ähnliche organisatorische Entscheidungen zu treffen sind.

Ist aufgrund solcher Maßnahmen in den Dienststellen feststellbar, welche Stellen in Wegfall geraten, muss in einem zweiten Schritt ausgewählt werden, welcher Beschäftigte in der Dienststelle von einer Versetzung betroffen ist. Dabei ist zu klären, welcher Bedienstete unter Berücksichtigung von mobilitätshemmenden Faktoren durch die Versetzungsentscheidung am wenigsten stark belastet wird. Dazu, meine Damen und Herren, ist auf eine Verordnung zurückzugreifen, in der die mobilitätshemmenden Kriterien anhand eines Punkteschemas bewertet werden. Dabei berücksichtigen wir nach bisherigen Überlegungen die Beschäftigungszeit und das Lebensalter, die Unterhaltssituation, die Pflege naher Angehöriger, eine Schwerbehinderung sowie andere Faktoren.

Bestimmte Personen werden dabei von vornherein nicht in den Kreis der vergleichbaren Beschäftigten eingestellt, zum Beispiel Mitglieder der Personalvertretung oder die Gleichstellungsbeauftragte.

Spätestens dann, wenn die Beschäftigten zum PEM versetzt werden, ist zu entscheiden, wie sie weiter einzusetzen sind. Vorrang hat, die Beschäftigten auf von den Ressorts gemeldete freie Stellen zu vermitteln.

Dies hört sich einfach an, ist aber im Einzelnen nicht unproblematisch. Werden Beschäftigte des PEM vorrangig auf freie Stellen gesetzt, tritt natürlich eine Konkurrenzsituation zu den übrigen Beschäftigten der Behörde auf, die sich möglicherweise Hoffnung auf eine andere Verwendung oder gar eine Beförderung gemacht haben.

Ist mit der Stellenbesetzung eine Beförderung verbunden, finden natürlich die Grundsätze der Bestenauslese Anwendung. Bei gleicher Eignung ist aber Beschäftigten des PEM der Vorzug zu geben. Nur dann, wenn das PEM keine geeigneten Kräfte anbieten kann, darf die Stelle über den Arbeitsmarkt extern besetzt werden. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, so viel zur Besetzung von freien Stellen.

Es ist aber auch damit zu rechnen, dass gerade keine passende freie Stelle für einen Beschäftigten vorhanden ist. Festhalten möchte ich: Beschäftigungslos wird niemand. Deshalb wird es für diese Beschäftigten zeitlich befristete sogenannte Übergangseinsätze geben. Das sind Projekte der Landesregierung, die entweder kostensenkend, einnahmesteigernd oder qualitätsverbessernd sind.

Beispiele hierfür sind etwa der Einsatz als Schulassistent, um Lehrer von Verwaltungsaufgaben zu entlasten, oder der Einsatz als Betreuer, um die

erheblichen Ausgaben des Landes für Betreuungen in den Griff zu bekommen. Hierzu werden mit den Ressorts intensive Gespräche geführt, damit sinnvolle Übergangseinsätze definiert werden.

Ein übergangsweiser Einsatz der Beschäftigten auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz soll dagegen vermieden werden und kommt nur im absoluten Ausnahmefall in Betracht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! All das, was ich Ihnen bislang vorgestellt habe, orientiert sich weitgehend an dem, was auch in Berlin gemacht wird. In einem ganz zentralen Punkt unterscheiden wir uns jedoch: In Nordrhein-Westfalen eröffnet das Gesetz dem Finanzministerium die Möglichkeit, Vereinbarungen mit den einzelnen Ressorts zu treffen. Über eine solche Vereinbarung kann sich ein Ressort von der Pflicht, zu personalisieren und die Stellen über das PEM zu besetzen, befreien lassen. Dies gibt es natürlich nicht umsonst. Im Gegenzug muss sich das Ressort verpflichten, die kw-Vermerke schneller zu realisieren, und – ganz wichtig – es muss verbindlich zusagen, eine bestimmte Anzahl von Beschäftigten aus dem PEM aufzunehmen.

Eine stringente Vereinbarung kann mindestens genau so viel erreichen wie das dargestellte PEMVerfahren, das ich vorhin skizziert habe. Um eines von vornherein klarzustellen: Kommt ein Ressort seinen Pflichten nicht nach, wird es im Folgejahr keine neuen Vereinbarungen mehr geben.

Unabhängig davon, ob normales PEM-Verfahren oder Vereinbarung: Voraussetzung für einen Erfolg des Personaleinsatzmanagements ist, dass vor allem älteren Beschäftigten ein Anreiz gegeben wird, vorzeitig auszuscheiden. Nur so können die notwendigen freien Stellen geschaffen werden, die mit Beschäftigten des PEM besetzt werden können. Deshalb ist es nötig, sogenannte fluktuationsbeschleunigende Anreize zu schaffen.

Eines möchte ich dabei ganz deutlich sagen: Derartige Anreize sind kein Element der persönlichen Lebensplanung. Sie dienen ausschließlich dem beschleunigten Abbau der kw-Vermerke. Alle Anreize sind zwingend mit dem PEM-Verfahren verknüpft.

Meine Damen und Herren, gesetzlich geregelt wird in § 12 des PEM-Gesetzes der vorgezogene Ruhestand. Inhalt dieser Regelung ist, dass ein Beamter jederzeit mit seinem erdienten Ruhegehaltssatz in Ruhestand treten kann. Er muss dann allerdings einen weiteren Abschlag von bis zu 10,8 % in Kauf nehmen. Praktisch werden diese

Regelungen aufgrund der Abschläge in aller Regel nur lebensältere Beamte in Anspruch nehmen.

Neben dieser gesetzlichen Regelung ist wichtigstes Element der Anreize die Wiedereröffnung der Altersteilzeit. Seit Ende 2002 ist diese zumindest für Beamte faktisch ausgesetzt. Wir werden im Rahmen des Personaleinsatzmanagements die Altersteilzeit befristet bis Ende 2009 wieder eröffnen. Unser Land nimmt dabei innerhalb der Bundesrepublik keineswegs eine Sonderrolle ein. Altersteilzeit gibt es in den meisten anderen Bundesländern. Wir erreichen damit im Übrigen auch einen weitgehenden Gleichklang in der Behandlung von Beamten und Tarifangestellten.

Die zweite Säule des Anreizsystems ist die Nutzung des einstweiligen Ruhestandes nach § 39 des Landesbeamtengesetzes. Gerade Niedersachsen hat hiermit bei der Auflösung von Bezirksregierungen sehr positive Erfahrungen gemacht. Dies sollten wir in Nordrhein-Westfalen auch nutzen, wobei wir die vergleichsweise hohen Kosten dieses Instruments im Auge behalten werden.

Für in das PEM versetzte Tarifbeschäftigte sind dagegen die Abfindungen von Interesse. Unabhängig von den Dienstzeiten und der Entgelte kann eine Abfindung von bis zu 50.000 € erreicht werden.

Ganz wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist schließlich die sogenannte Flexibilitätsprämie. Anders als bei den anderen genannten Anreizen soll hier nicht das Ausscheiden aus dem Dienst gefördert werden, sondern die Mobilität und die Bereitschaft zu Versetzungen erhöht werden. Bei einem Flächenland wie Nordrhein-Westfalen kann es bei Versetzungen innerhalb des Personaleinsatzmanagements zu besonderen persönlichen Erschwernissen kommen, die abgemildert werden sollen. Wie hoch diese Prämie im Einzelnen werden wird, muss noch entschieden werden. Das Finanzministerium wird zusammen mit dem Landesamt für Personalmanagement ein Konzept erarbeiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so viel zu den Grundzügen des Personaleinsatzmanagements.

Zu einem Punkt, der in den letzten Wochen besonders in der Diskussion gestanden hat, habe ich bislang noch nichts gesagt. Es sind dies die Rechte der Personalvertretungen für den Fall einer Versetzung aus dem PEM heraus zu einer anderen Behörde: In den meisten Fällen finden die normalen Bestimmungen des Landespersonalvertretungsgesetzes Anwendung. Abweichun

gen gibt es nur in dem Fall der Abordnung aus dem PEM heraus für mehr als drei und bis zu zwölf Monaten. Hier haben wir uns dafür entschieden, die Bestimmungen des Landes Berlin zu übernehmen.

Ganz konkret bedeutet dies, dass in diesem Fall der Personalrat mitwirken, aber nicht mitbestimmen kann. Wir halten dies für wichtig, um die Verfahren zu beschleunigen. Die Rechte der Beschäftigten werden dadurch nicht über Gebühr eingeschränkt. Wollte man anderes behaupten, müsste man diesen Vorwurf natürlich auch der rot-roten Landesregierung in Berlin machen.

Ich freue mich auf die Beratungen zu diesem Gesetzentwurf und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Linssen. – Frau Walsken von der SPD-Fraktion hat nun das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser heutiges Thema Personaleinsatzmanagement hat mich in meinem Wahlkreis schon häufig beschäftigt. Auf einer Reihe von Veranstaltungen kamen immer wieder die Frage von Bürgerinnen und Bürger: Was ist das denn eigentlich? Was soll denn da eigentlich geschehen? Und wofür soll PEM eigentlich gut sein? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es fällt mir schwer – auch nach der Einbringungsrede des Ministers gerade –, den Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes, die zu mir kommen, eingestehen zu müssen: So genau weiß ich das auch nicht.

Erschreckend ist für mich und vor allen Dingen für die vielen Betroffenen dort draußen in den Ämtern, dass wir wahrscheinlich nicht die Einzigen sind. Denn ich habe den Eindruck, dass auch im Finanzministerium noch nicht so recht klar ist, was das Ganze soll.

Ich habe mich gefragt, aus welchen Gründen ein solches Gesetz zum jetzigen Zeitpunkt Sinn machen könnte. Wir haben gerade von der Regierung zwei zentrale Gründe gehört: Personaleinsparung und die sogenannten Effizienzvorteile.

Zum Thema Personaleinsparung hat der Minister etwas gesagt, hat aber nicht erwähnt – das ist etwas, was jedem auffällt –, dass er zunächst einmal eine neue, eigene Behörde mit bis zu 180 Mitarbeitern schafft, die uns 10 Millionen € und mehr kosten wird, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Wenn das Personaleinsparung ist, dann frage ich mich: Wo bleibt die Logik?

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Personaleinsparungen sind vor allem durch Frühverrentungen und durch die Besetzung freier Stellen mit Beschäftigten des Landes vorgesehen. Wenn man das genauer untersucht, dann macht es Sinn, Günther Oettinger zu zitieren, der als Ministerpräsident von Baden-Württemberg hier oft zum leuchtenden Beispiel wird. Er hat nämlich klug ausgerechnet, dass ein Beamter – wie vorgesehen –, den man mit 71 % seines Gehaltes in Rente schickt, im Grunde für lediglich 29 % weiterarbeitet. So günstiges Personal, Herr Minister, finden Sie doch sonst nirgendwo.

Wenn Sie allerdings auf diese letzten Prozentpunkte schielen, dann muss man sich fragen, warum das Mittel der natürlichen Fluktuation nicht allen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes möglich sein soll, meine Damen und Herren. Und das ist unser zentraler Vorwurf an dieser Stelle.

Der zweite Grund, den die Regierung anführt, sind die sogenannten Effizienzvorteile. Effizienzvorteile sollen durch Versetzung von einer Dienststelle zur anderen erzielt werden, wobei sich die Vorteile daraus ergeben sollen, dass die Beschäftigten in der neuen Dienststelle eher gebraucht werden. Effizienzvorteile kann man aber nur dann erzielen, wenn die Beschäftigten auch motiviert sind und nicht mit einem kw-Vermerk zwangsversetzt werden. Ein Effizienzvorteil setzt Freiwilligkeit bei der Neubesetzung der Stellen voraus, wie sie seit Jahren schon im Rahmen der von Rot-Grün eingerichteten Personalagentur für Beamte und Beschäftigte des öffentlichen Dienstes praktiziert worden ist.

Die im PEM jetzt vorgesehenen Anreize wie die Flexibilitätsprämie und die bevorzugte Besetzung sind Maßnahmen und Mittel, mit denen auch die Personalagentur hätte ausgestattet und die durch Personaleinsparungen und Effizienzgewinne völlig ohne PEM hätten realisiert werden können.

Meine Damen und Herren, deshalb sind wir der Auffassung: PEM ist überflüssig.

(Beifall von der SPD)

Durch den Sozialkatalog, der jetzt an PEM angedockt wird, entscheidet sich, dass vor allem jüngere und mobilere Personen zu PEM gehen sollen. Die jungen und mobilen sind diejenigen, die innerhalb der Karriereleiter aufsteigen wollen und somit natürlich eher freiwillig neue Stellen in der