14 Konsequenzen aus dem Bericht des Bundesrechnungshofes zum Instandhaltungsstau bei der Bahninfrastruktur ziehen: Das Schienennetz gehört auf Dauer in die Verantwortung des Bundes
Ich weise darauf hin, dass es hierzu auch einen Entschließungsantrag der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion Drucksache 14/4076 gibt. Ich eröffne die Beratung und erteile dem Kollegen Becker das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Können Sie sich vorstellen, dass wir das Autobahnnetz in Deutschland an den börsennotierten DaimlerChrysler-Konzern oder an die Volkswagen AG in Hannover übertragen?
Sicher nicht! Zumindest habe ich bis jetzt niemanden gehört, der auf diese Idee gekommen wäre und das öffentlich verlangt hätte. Aber wir haben es mit einer ähnlichen Situation zu tun, wenn wir uns den Gesetzentwurf von Verkehrsminister Tie
fensee anschauen, nach dem zumindest mittelfristig das Schienennetz einem börsennotierten Bahnkonzern übertragen werden kann.
Meine Damen und Herren, wir müssen bei der Frage der Trennung von Netz und Betrieb dringend die Notbremse ziehen.
Wir alle wissen, dass es strafbar wäre, wenn ein Bahnbenutzer oder eine Bahnbenutzerin die Notbremse ziehen würde. Ein erhebliches Bußgeld wäre zu erwarten. Aber wenn der Bundesverkehrsminister einen Gesetzentwurf vorlegt, dessen Ghostwriter Bahnchef Hartmut Mehdorn ist, zwingt uns die Verantwortung zum Handeln und die Notbremse zu ziehen.
Die Fakten sprechen eine klare Sprache: In der letzen Wahlperiode des Landtags waren noch alle vier Fraktionen von der Trennung von Netz und Betrieb überzeugt. Jetzt zeigt sich jetzt, dass es offensichtlich wichtig war, dass unsere Fraktion diesen Antrag etwas aktualisiert noch einmal in dieser Wahlperiode eingebracht hat. Standfestigkeit und Kontinuität in diesem Punkt sind aus unserer Sicht gefragt. Beides sollte der Landtag zeigen.
Meine Damen und Herren, wer dem börsennotierten Konzern Bahn das Schienennetz übereignen will, darf sich am Ende nicht beklagen, wenn er politisch keinen Einfluss auf dessen Entscheidungen ausüben kann.
Wir müssten doch eigentlich heute schon unsere Machtlosigkeit gegenüber dem Bahn-Konzern sehen. Die Bahn AG zeigt dem Land NRW Monat für Monat die kalte Schulter. Die 4.700 Schienenkilometer in NRW entsprechen einem Bundesanteil von 14 %. Wie die DB vorgeht, belegt folgendes Beispiel aus dem Verkehrsausschuss: Die DB setzt 2005 und 2006 die Länge des Streckennetzes in NRW und Bayern ins Verhältnis. Bei uns sind es rund 4.800 km, in Bayern sind es 6.000 km. Sie rechnet dann vor, dass sie in NRW weniger investieren müsse als in Bayern; eigentlich hätte sie schon genug investiert.
Die Wahrheit ist, dass die Bahn die Belastung des Streckennetzes in NRW außen vor lässt. Das betrifft auch den Güterverkehr.
Sie will auch vernebeln, dass sie für NordrheinWestfalen in den nächsten Jahren mit 1,9 Milliarden € deutlich weniger ausgibt als für Bayern mit 3,4 Milliarden € und für andere Flächenländer. Das sind nur 56 % von dem, was sie in Bayern investiert.
Meine Damen und Herren, damit nicht genug. Das Land NRW mit seinen 100 Millionen gefahrenen Zugkilometern ist der größte Besteller; das wäre übrigens die richtige Bezugsgröße für die Investitionen. Es bringt der Bahn jährlich 770 Millionen € über die DB Regio NRW in die Kassen. Für die Bahn gilt: In NRW kassieren, in anderen Bundesländern investieren!
Aus unserer Sicht müssen wir einige Forderungen an die Bahn stellen und aktualisieren, aber auch artikulieren, was das Land und der Verkehrsminister tun müssen.
Zweitens. Wir wollen, dass die Deutsche Bahn AG die Bestandsinvestitionen transparent mit einem Verwendungsnachweis offengelegt. Wir wollen einen Verteilungsschlüssel, der dieses Bundesland nicht mehr benachteiligt, sondern gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Erträge in NRW angemessen beteiligt.
Drittens. Wir unterscheiden uns in der Tat von Ihrem Entschließungsantrag, weil wir wollen, dass die Bahn in einem Sonderbericht, den das Land bei der Bahn einfordern muss, Punkt für Punkt und Komma für Komma die Schwachstellen im Netz, an den Bahnhöfen, an den Weichen und an der gesamten Infrastruktur in NRW offenlegt und sagt, wo die Langsamfahrstellen in NRW sind und seit wie vielen Jahren es sie gibt.
Viertens. Im Gegensatz zu Ihnen von CDU und FDP wollen wir ein Bonus-Malus-System für die Trassen und die Stationspreise. Es kann nicht angehen, meine Damen und Herren, dass die Bahn AG die vollen Trassenpreise für einen maroden Gleisabschnitt kassieren kann. Das ist aber heute noch Fakt.
unserem Antrag zuzustimmen. Beziehen Sie Position gegenüber der Bahn, gegenüber dem Bund. Das Land muss aber auch einen Sonderbericht von der Bahn einfordern. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute befassen wir uns zum wiederholten Mal mit dem Börsengang der Bahn. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in ihrem Antrag Konsequenzen, die aus dem Bericht des Bundesrechnungshofes zum Instandhaltungsstau bei der Bahn zu ziehen sind. Damit sind wir sehr einverstanden.
Für die Vernachlässigung des Schienennetzes der Bahn in den letzten Jahren gibt es allerdings zwei Hauptverantwortliche. Das ist zum einen der Bundesverkehrsminister, der seit Jahren zu wenig Investitionsmittel für die Bahninfrastruktur zur Verfügung stellt, und zum anderen die Bahn AG, die die ihr zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichend in das Netz investiert. Dieses unselige Zusammenspiel zwischen Verkehrsministerium und der DB führte alleine in den Jahren 2001 bis 2005 zu einem Instandhaltungsstau von etwa 1,5 Milliarden €. Zu Ihrer Erinnerung: In diesem Zeitraum regierte in Berlin Rot-Grün.
Das Netz muss in der Verantwortung des Bundes bleiben. Mit anderen Worten: Es muss eine klare Trennung von Netz und Betrieb erfolgen. Diese Forderung ist nicht neu; die CDU- und auch die FDP-Fraktion fordern diese Trennung seit dem Jahr 2000 kontinuierlich. Deshalb haben wir diese Forderung noch einmal in einem Entschließungsantrag zusammengefasst.
Wir bitten die Landesregierung und den Minister erstens, sich weiterhin bundespolitisch für die Realisierung des Eigentumsmodells in der Gestaltungsvariante einzusetzen.
Drittens sollten sie sich gegenüber der Bundesregierung für klare und transparente Kontroll- und Sanktionsmechanismen bei der Unterhaltung und Instandsetzung der Bahninfrastruktur einsetzen.
Viertens sollten sie mit dem Bund Vereinbarungen bei den Investitionsplanungen zum Erhalt des Schienennetzes treffen, um bundesweit und ins
Fünftens sollten sie sich gegenüber der Bundesregierung für transparente Trassenpreise nach dem Effizienz-Kosten-Ansatz einsetzen.
Sechstens sollten sie dafür Sorge tragen, dass bei der Privatisierung eine Option für die Schaffung von Regionalnetzen bleibt.
Meine Damen und Herren, diese Forderungen stehen vor dem Hintergrund der neuesten Entwicklungen in Berlin und sind zwingend notwendig. Denn die Große Koalition in Berlin hat am 21. November einen Entschließungsantrag beschlossen, der das Eigentumsmodell zum Gegenstand hatte und nicht die – ich sage es noch einmal – Mogelpackung des Tiefensee-Modells.
Ein veröffentlichter Referentenentwurf vom 8. März sieht allerdings ein Modell vor, bei dem die Mitbestimmungsrechte und die Kontrollrechte des Bundes gegenüber der Bahn erheblich eingeschränkt sind. Wenn man diesen Entwurf mit dem Tiefensee-Modell vom Dezember vergleicht, muss man feststellen, dass alle Forderungen der Bahn nach dem geharnischten Brief des Bahnchefs Mehdorn an Herrn Tiefensee offensichtlich eingearbeitet worden sind, sodass das ein reines Papier der Bahn ist. Das Echo in der Presse ist entsprechend. So titelte das „Handelsblatt“ am 14. März noch „Gesetzentwurf zum Börsengang trägt Mehdorns Handschrift“ oder „Wer trägt die Verantwortung für diesen Kniefall vor den Börsenplänen Mehdorns?“.
Das sind keinesfalls die Fraktionen von CDU und FDP hier im Landtag. Wir haben von vorneherein die Trennung von Netz und Betrieb gefordert.
Die Verantwortung liegt bei der SPD sowohl im Bund als auch hier im Land. Ich kann nur noch einmal an die SPD appellieren, sich zu einer Meinung durchzuringen.
Im Oktober, Herr Wißen, haben Sie noch gesagt, das seien noch ungelegte Eier. Im Landtag haben Sie sich der Stimme verweigert. Im Ausschuss haben Sie sich enthalten.
Wir wähnten Sie schon auf dem Weg der Besserung, dass Sie sich klar erklären für die Trennung von Netz und Betrieb. Ich fordere Sie auf, diesen Eiertanz hier zu beenden, zu Ihrem Antrag, den Sie im Juni 2004 formuliert haben, zurückzukehren und sich wieder für die Trennung von Netz