Protocol of the Session on March 28, 2007

„Wir appellieren an Sie im Kreis Soest, keine moderne Verfolgung junger Christen zu initiieren und die Geschenke als Gottesgaben bei den Empfängerinnen und Empfängern zu belassen.“

Die Wortwahl zeigt doch schon, dass es um eine Hetzkampagne, nicht aber eine sachgerechte Debatte geht.

(Wolfram Kuschke [SPD] meldet sich zu ei- ner Zwischenfrage.)

Der Überweisung des Antrags in den Ausschuss stimmen wir zu. Aber den Antrag selber hätten Sie sich sparen können, weil in NRW kein einziger Fall vorliegt und damit kein Regelungsbedarf besteht.

Herr Kollege Romberg, haben Sie noch Zeit für eine Zwischenfrage? – Nein, das haben Sie nicht. Danke schön. – Als nächster Redner hat Minister Laumann für die Landesregierung das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich zu der Rede von Frau Veld

hues sagen, dass dem SGB II natürlich eine andere Grundphilosophie innewohnt als der alten Sozialhilfe. Der Bundesgesetzgeber hat damals entschieden, dass alle Pauschalen, die wir aus der alten Sozialhilfe kannten – zum Beispiel Zuschüsse zur Kommunion, zur Konfirmation oder zur Winterbekleidung von Kindern – nicht mehr gewährt werden. Damals haben alle geschrien, Sozialhilfe sei entwürdigend und hänge mit einer riesigen Antragsflut zusammen. Deshalb hat man alles pauschal in die entsprechenden Sätze eingerechnet. So ist das damals gewesen.

Deshalb haben wir keine Einzelanträge mehr. Meine Meinung, die ich hier schon oft geäußert habe, kennen Sie: Nachdem man das SGB II kennengelernt hat, ist nicht zu verheimlichen, dass die alte Sozialhilfe, weil in diesen Punkten viel treffsicherer, gar nicht so schlecht war. Aber gut, das kann man so oder so sehen.

Den anderen Teil der Wahrheit sollte man aber nicht vergessen: Die Pauschalen sind heute in den Regelsätzen des SGB II eingerechnet. Ob das Geld immer dann da ist, wenn ein Fest ansteht, ist eine andere Frage. Das haben wir bei Schulbüchern ja auch.

Jetzt zu dem Anliegen, mit dem sich der Antrag der Grünen beschäftigt. Ich möchte zunächst feststellen, dass uns kein Fall in Nordrhein-Westfalen bekannt ist, in dem zu entscheiden wäre, ob Geldgeschenke für Kinder von den Stellen, die für das SGB II zuständig sind, auf Leistungen nach SGB II angerechnet werden können. Diese Debatte ist vor einigen Wochen in die Öffentlichkeit gekommen, weil die hannoversche Landesbischöfin der Evangelischen Kirche, Frau Käßmann, dies zu einem Thema gemacht hat.

Ich gebe es offen zu: Als ich das in der Zeitung gelesen habe, habe ich den Zeitungsausschnitt herausgerissen und mitgenommen. Mein Gott, dachte ich, das kann doch gar nicht sein. Wir in diesem Haus sind uns wohl alle einig: Wenn ein Kind aus einer Familie, die Leistungen nach dem SGB II empfängt, zur Kinderkommunion, zur Konfirmation oder zum Geburtstag von Verwandten oder den Nachbarn ein bisschen Geld bekommt – das ist so üblich –, handelt es sich dabei um Geld des Kindes. Es soll damit machen, was es für richtig hält. Es ist doch ganz logisch, dass kein vernünftiger Mensch will, dass die Kinder diskriminiert werden oder lügen müssen – wie es Frau Steffens behauptet hat –, um das Geld zu behalten. Auch wenn es so wäre, wäre das kein gutes Gesetz. Das sage ich Ihnen ganz deutlich. Das sagt auch der normale Menschenverstand.

Deswegen haben wir uns einmal die Rechtslage angeschaut: Kinder in SGB-II-Familien können auch größere Geldgeschenke bekommen, wenn sie einem Zweck dienen. Wenn der Onkel einem Kind 1.500 € für den Führerschein gibt, ist das kein Problem. So sieht es zumindest die Rechtsauffassung meiner Fachabteilung, weil das Geld einem Zweck dient. Im Übrigen dient es auch noch dem Erwachsenwerden.

Wenn der Onkel 500 € gibt, damit sich das Kind einen Computer kaufen kann, um besser am Schulunterricht teilnehmen zu können, ist das abgedeckt und kann nicht angerechnet werden. Natürlich gilt das auch bei einem zehnjährigen Jungen, der zur Kinderkommunion ein Fahrrad geschenkt bekommt; das ist doch logisch.

Nun stellt sich die spannende Frage: Was ist mit Geld, das den Kindern gegeben wird, aber keiner Zweckbestimmung unterliegt? – Jetzt müssen wir mal realistisch sein. Solange ich zurückdenken kann – ich komme ja aus dem katholischen Milieu –, ist die Kinderkommunion immer der Tag gewesen, an dem man ein Fahrrad bekam.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Oder eine Uhr!)

Bitte?

(Wolfram Kuschke [SPD]: Eine Uhr!)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Beer? Haben Sie dafür einen Moment?

Ja, gleich.

Danke.

Jetzt stellt sich die entscheidende Frage: Was ist mit geschenktem Geld, das das Kind zurücklegen will? – Ich habe Verständnis dafür, dass ein Kind 50 € geschenkt bekommt und entscheidet, sich davon nichts zu kaufen, sondern es erst einmal zurückzulegen.

Das ist im Übrigen eine Manier, die man bei Kindern durchaus fördern sollte. So werden schließlich Konsumverzicht und Sparen geübt. Ich behaupte nämlich: Wenn Hänschen nicht das Sparen lernt, lernt Hans es nimmermehr. – Da ist ja auch was Wahres dran. Ich bin also dafür, dass Kinder Sparen lernen.

Ich verstehe die Rechtsauffassung meines Hauses diesbezüglich so: Es gibt im SGB II einen Freibetrag von 3.100 € pro Kind. Diesen Betrag

darf ein Kind ohnehin besitzen. Was darüber hinausgeht – das stimmt –, wird angerechnet. Aber wenn das Kind diese 3.100 € noch nicht gespart hat, kann es den vorhandenen Betrag um die Höhe des Geldgeschenks aufstocken.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Das wäre schön!)

Zum Aktienpaket. Ich glaube nicht, dass sich diese Frage in diesen Kreisen häufig stellt. Rein theoretisch ist es so. Dann würde sich zu Recht die Frage stellen: Warum soll der Staat jemanden unterhalten, der ein solches Geschenk bekommt? – Von daher wird es sicherlich Grenzen geben.

Es ist zwar kein nordrhein-westfälisches Problem, aber ein Thema, das man im Parlament klären muss. Von daher schlage ich ganz einfach vor: Wir unterhalten uns im Ausschuss über meine Rechtsauffassung und klopfen das Ganze noch einmal genau ab.

Wir haben auch eine Umfrage in den Argen vorgenommen, und diese bestätigen uns: Es ist kein praktisches Problem. – Und wenn es ein praktisches Problem wäre – da sind wir uns doch einig, und dafür steht auch der Minister Karl-Josef Laumann –, dann müssen wir dafür sorgen, dass dieses Problem so gelöst wird, wie ich es in meiner Rede zum Ausdruck bringen wollte. Ich glaube, dass wir diesbezüglich eine große Übereinstimmung hier im Parlament finden.

Ich meine, dass wir gesetzlich nichts neu regeln müssen. Sollte es dennoch so sein, müssen wir schauen, wie wir damit umgehen.

Eines möchte ich betonen: Ich werde diese Debatte und auch die Beratungen im Ausschuss auf jeden Fall zum Anlass nehmen, dass wir als MAGS den in Nordrhein-Westfalen dafür zuständigen Stellen in einem Brief unsere Rechtsauffassung, die wir zu diesem Thema vertreten, mitteilen. In diesem Schreiben werden wir auch begründen, warum wir das Gesetz wie an bestimmten Punkten auslegen.

So werden wir das Problem, das die Frau Bischöfin von Hannover aufgegriffen hat und die Grünen hier zur Sprache gebracht haben, angehen. Allerdings ist es kein nordrhein-westfälisches Problem, da uns in Nordrhein-Westfalen bisher keine Fälle bekannt geworden sind.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Im Gegenteil!)

Wenn wir so verfahren, gehen wir mit diesem Antrag gut um. – Nun hat Frau Beer als Vorsitzende des Petitionsausschusses das Wort.

Prima. Ich darf es so wiederholen, wie Sie es gesagt haben, Herr Minister: Frau Beer hat jetzt das Wort und kann ihre Zwischenfrage stellen.

Herzlichen Dank, Herr Laumann. – Ich darf in Anspruch nehmen, was Sie eben gesagt haben, und fragen, ob Sie Ihre Ankündigungen schnellstmöglich umsetzen wollen.

Am Montag haben wir eine Bürgersprechstunde im Kreis Lippe durchgeführt, und genau eine solche Petition ist mir vorgelegt worden. Es gibt also eine ganz aktuelle entsprechende Anfrage, und das heißt, dass ein nordrhein-westfälischer Sachverhalt vorliegt. Insofern bitte ich, diese Anfrage entsprechend zu behandeln.

Frau Kollegin Beer, ich weiß nicht, ob das rechtlich möglich ist. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie meinem Haus – dem Ministerbüro – diese Petition zur Verfügung stellen würden, damit wir diesem Fall nachgehen können.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Sowieso!)

Es gibt in der Sache – ich will es noch einmal sagen – überhaupt keinen Dissens. Es stellt sich lediglich die Frage: Muss da noch was geregelt bzw. ausgelegt werden? – Wenn ja, werden wir das in dem hier beschriebenen Sinne machen.

Gibt es noch eine Frage?

Herr Minister, es gibt noch eine Zwischenfrage des Kollegen Garbrecht.

(Günter Garbrecht [SPD]: Ich habe mich als Redner gemeldet!)

Das hat sich also erledigt, und Ihre Rede ist beendet.

(Beifall von der CDU)

Für die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat sich noch einmal Frau Abgeordnete Barbara Steffens gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Laumann, ich finde Ihr Angebot gut, weil ich im Gegensatz zu meinem Vorredner von der FDPFraktion nicht meine, dass es Rechtssicherheit in dem Bereich gibt. Auch Herr Post hat erwähnt,

dass es Rechtssicherheit gäbe. Ich glaube nicht, dass es sie gibt.

Uns geht es nicht um Effekthascherei. Ich habe den Fall gelesen. Dann habe ich unseren Referendar und andere Mitarbeiterinnen mit dem Fall betraut und gefragt, ob er rechtliche Probleme aufwirft. Alle juristischen Stellungnahmen kommen zu dem Ergebnis, dass es ein Problem ist. Denn die Formulierung lautet, dass Ausnahmen nur für Anschaffungen möglich sind, die nicht vom Regelsatz abgedeckt sind. Der Computer ist rein theoretisch im Regelsatz enthalten, obwohl er davon nie finanzierbar ist. Es sind aber – glaube ich – 50 Cent pro Monat für einen Computer drin, und deswegen ist er abgedeckt. Es gibt also diese Rechtsunsicherheit.

Ich habe auch mit Mitarbeitern in den entsprechenden Behörden geredet. Sie sagen: Wir drücken die Augen zu. Wir wissen es aber nicht. Für uns gibt es diese Rechtsklarheit nicht. – Auch Briefe, Pressemitteilungen oder Sonstiges seitens der BA stellen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Optionskommunen keine Rechtssicherheit her. Sie bekommen diese Rechtsunsicherheit vielmehr massiv zu spüren.

Deswegen finde ich es gut, dass Sie ihnen Ihre Darlegungen mitteilen wollen. Dann können wir sehen, ob das auf Widerspruch stößt, und wir können schauen, ob es weitere juristische Stellungnahmen dazu gibt. Und wenn sich herausstellt, dass es von Ihrer Interpretation nicht gedeckt wird, dann müssen wir den gemeinsamen Weg gehen. Dann muss man im Bundesgesetz Rechtsklarheit schaffen. Denn es wird bestimmt nicht bei dem einen Fall in Nordrhein-Westfalen bleiben.

Herr Romberg, das von Ihnen gebrachte Zitat war meiner Meinung lediglich ein Beleg dafür, wie groß die Verunsicherung mittlerweile ist und wie vielen Menschen es an Klarheit in diesem Zusammenhang fehlt.