Protocol of the Session on March 8, 2007

(Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Ich verbinde das mit dem Wunsch, dass er bei einer der nächsten kulturpolitischen Debatten im Landtag anwesend sein möge,

(Beifall von der SPD – Ralf Jäger [SPD]: Ir- gendwann mal!)

denn es fällt mir auf, dass wir diese Debatten immer ohne den zuständigen Ressortchef führen. Als Vorsitzender des Kulturausschusses erlaube ich mir den Hinweis, dass es angebracht wäre, gelegentlich dem Parlament in einer Frage, in der er zuständig ist, die Ehre zu geben.

Wir werden den Antrag der Koalitionsfraktion sicher im Kulturausschuss noch weiter und ausführlich diskutieren. Deshalb will ich mich auf einige Anmerkungen beschränken.

Ich spreche heute als jemand zu Ihnen, der persönlich in zahlreichen Vereinen und Gremien, vor allem im Kulturbereich, ehrenamtlich engagiert ist, beispielsweise in einer der von Ihnen, Herr Sternberg, erwähnten Organisationen, der Volksbühne

Düsseldorf. Ich spreche als Mitglied des Kulturausschusses wie auch als Mitglied des Sportausschusses, was Sie sicher gleich feststellen werden.

Es ist so, meine Damen und Herren von der Koalition, dass man auf den ersten Blick sehr schnell geneigt sein könnte, Herr Sternberg, Frau Freimuth, meine Damen und Herren, Ihrem Antrag ohne weitere Prüfung zuzustimmen und ihn zunächst für eine gute Idee zu halten. Ich meine jedoch, bei näherem Hinsehen – also auf den zweiten Blick – stellen sich einige Fragen, die Zweifel aufkommen lassen, ob mit Ihrem Vorschlag der Auslobung eines Geldpreises das an sich sehr lobenswerte Ziel der Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements in unserer Gesellschaft wirklich erreicht werden kann. Ich glaube, dass Ihr Ansatz zu kurz gesprungen ist, dass er – das ist das Mindeste, worüber wir diskutieren müssen – der Ergänzung um einen breiteren Ansatz bedarf.

Dazu zunächst einige wenige grundsätzliche Anmerkungen: Wer mich, meine Damen und Herren, ein wenig näher kennt, der weiß, dass ich ein Anhänger – ja, hin und wieder sogar ein Propagandist – der Idee des sogenannten aktivierenden Staates bin. Ich habe mich in dieser Frage auch schon als Schriftsteller betätigt. Das heißt, ich bin dafür – um es zu erklären –, dass in den gegenwärtigen und künftigen gesellschaftlichen Reformdiskussionen in unserem Land die Forderungen nach einem starken handlungsfähigen Staat ergänzt werden um eine bewusste Stärkung und Förderung der gesellschaftlichen Kräfte, und zwar in allen relevanten Politik- und Gesellschaftsfeldern in allen gesellschaftlichen Bereichen.

Wir müssen also weg vom sogenannten schlanken Staat der 90er-Jahre hin zu einem modernen und zeitgemäßen Staats- und Gesellschaftsbild, das den künftigen Herausforderungen besser gerecht wird. Ergänzt wird dieses Leitbild des von mir so genannten aktivierenden Staates um die Idee der „Bürgerkommune“, dem bewussten und gewollten arbeitsteiligen Zusammenwirken von öffentlicher Hand, öffentlicher Verantwortung und Bürgerschaft vor allem auf kommunaler Ebene. Das ist nicht nur, aber vor allem auch im Bereich der Kultur von Bedeutung. Gerade unsere Kommunen sind mehr denn je so etwas wie – ich nenne es einmal so – eine „Schule der Bürgergesellschaft“.

Vor allem auf dieser Ebene gibt es nicht nur viele ehrenamtlich Tätige in allen nur denkbaren Bereichen – Herr Sternberg, Sie haben sie aufgezählt; ich wiederhole das jetzt nicht –, denen wir alle zu

Dank verpflichtet sind, den wir auch einmal von dieser Stelle aus aussprechen sollten.

(Beifall von der SPD)

Es gibt – daran liegt mir auch – auch in unseren Räten in den Kommunen und Kreistagen engagierte Kommunalpolitiker, die sich im Bereich der Kulturpolitik Tag für Tag einbringen und deren Einsatz allzu oft vergessen und übersehen wird. Das sind auch Ehrenamtliche, denen wir von hier aus als Kollegen einmal Dank sagen sollten.

(Beifall von SPD und FDP)

Keine der großen Herausforderungen, vor denen wir heute in Politik und Gesellschaft stehen, meine Damen und Herren, wird sich ohne das freiwillige Engagement von aktiven Bürgerinnen und Bürgern bewältigen lassen. Zu Recht hat sich deshalb eine Enquete-Kommission in der letzten Legislaturperiode des Bundestages ausführlich mit diesem Thema befasst. Schnell ist man sich dann einig – im Grundsätzlichen jedenfalls –, dass solche Entwicklungen zu fördern sind.

Aber die Schaffung von Rahmenbedingungen, die bürgerschaftliches Engagement stärken sollen, darf sich nicht allein darauf beschränken, die persönliche Einsatzbereitschaft zu erhöhen. Noch wichtiger scheint es mir zu sein, insgesamt das gesellschaftspolitische Ziel einer Stärkung der Bürgergesellschaft umfassend zu verfolgen, zum Beispiel durch bessere Beteiligungschancen bei der Gestaltung und Entwicklung unseres Gemeinwesens. Da sind dann viele politische Fragen, die auch hier im Landtag zu diskutieren sind, betroffen.

Dabei muss man alle vier Formen des Engagements im Blick behalten: Mitgliedschaft, Beteiligung, Spenden und aktive Mitarbeit. So hat es auch der Bericht der Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ des Deutschen Bundestages vorgeschlagen.

Entgegen manchen negativen Entwicklungen in unserer Gesellschaft kann das bürgerschaftliche Engagement in Deutschland in den letzten Jahren auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken. Auch wenn wir zum Beispiel die USA, die hier weit führend sind, noch lange nicht erreicht haben, liegen wir nach neueren Untersuchungen international doch mittlerweile im guten oberen Mittelfeld.

Noch nie waren so viele Menschen bürgerschaftlich tätig wie heute – in allen nur denkbaren Bereichen, Formen und Organisationen. Bürgerschaftliches Engagement ist vielfältig und facettenreich. Es reicht in alle Bereiche unserer Lebenswelt hinein. Sowohl Vereine wie auch Stif

tungen, boomen wie nie zuvor, auch hier in Nordrhein-Westfalen. Mehr als ein Drittel der Bundesbürger engagieren sich regelmäßig bürgerschaftlich. Auf 100.000 Einwohner – so hat einmal jemand ausgerechnet – kommen in unserem Land 725 Vereine.

Kurzum: Bürgerschaftliches Engagement – das ist das Spenden von Zeit und/oder Geld im Dienste der Allgemeinheit und des Allgemeinwohls, dem sich viele, viele in unserem Land verschrieben haben.

Ist es, meine Damen und Herren, da nicht zu kurz gesprungen, nur einen kleinen Teil bürgerschaftlichen Engagements, nämlich den Kulturbereich, für den ich ja sonst alles zu tun bereit bin, herauszugreifen und besonderen Einsatz nur hier mit einer Urkunde und einem Preisgeld von 5.000 € zu belohnen?

(Beifall von der SPD)

Was ist zum Beispiel in dem gesellschaftspolitisch sicherlich mindestens ebenso bedeutsamen Bereich des Sportes? Da gibt es zwar die Sportplakette, die seit 1959 insgesamt – so las ich kürzlich – 730 Mal vom Ministerpräsidenten verliehen worden ist. Aber ein Geldpreis beispielsweise ist damit nicht verbunden.

Oder ist Mitarbeit im Kultursektor wichtiger, lobenswerter, förderungswürdiger als soziales Engagement oder etwa die Hilfe für andere, die ja oft nicht nur allein, sondern auch in Gruppen stattfindet? Tut man sich denn wirklich einen Gefallen, einen Bereich herauszugreifen und andere dadurch automatisch geringer zu erachten?

Und, meine Damen und Herren von der Koalition, wie passt Ihr Antrag eigentlich dazu, dass der Topf für Ehrenamtsförderung, den es ja im Einzelplan 02, beim Ministerpräsidenten, gab und gibt, von Ihnen in den letzten Haushaltsberatungen gekürzt worden ist?

(Beifall von der SPD)

Mir gefällt da die hessische Lösung auf den ersten Blick besser. Das Land Hessen zeichnet mit einer sogenannten Ehrenamtscard Menschen aus, die mindestens fünf Stunden pro Woche ehrenamtlich, und zwar in allen denkbaren Bereichen, tätig sind. Die Inhaber einer solchen Card genießen in Hessen eine Reihe von Vergünstigungen, zum Beispiel Ermäßigungen bei Eintritten.

Zu Recht werden jedes Jahr viele Bürgerinnen und Bürger auch aus Nordrhein-Westfalen vom Bundespräsidenten mit dem Bundesverdienstkreuz auch und besonders für ehrenamtliches

Engagement ausgezeichnet. Der Ministerpräsident dieses Landes würdigt die Verdienste von Ehrenamtlern in allen Bereichen durch die Verleihung des Landesordens.

Auch zahlreiche private und gesellschaftliche Organisationen loben Preise für ehrenamtliches Engagement aus. Nicht zuletzt viele Kommunen haben entsprechende Preise ausgesetzt. Sie bewegen sich übrigens mit ihrem Preisgeld oft auch in der von Ihnen für das Land vorgesehenen Höhe. Mal ehrlich, meine Damen und Herren von der Koalition: Wenn schon ein Landespreis, sind dann nicht 5.000 €, wenn auch dreimal im Jahr, wirklich zu kurz gesprungen?

(Beifall von Wolfram Kuschke [SPD])

Und überhaupt: Bedarf es neben den genannten Ehrungen und Auszeichnungen, die ich sicherlich nicht vollständig aufgezählt habe, wirklich noch eines eigenen Landespreises für den kulturellen Sektor? Wer bürgerschaftliches Engagement wirklich nachhaltig fördern will, der muss, so meine ich, mehr tun, als Preise ausloben.

Notwendig ist zum Beispiel der Abbau von staatlicher Gängelung und bürokratischer Überregulierung, die Schaffung eines ausreichenden Versicherungsschutzes gegen Risiken und Schadensfälle, wie wir das ja schon eingeleitet haben, und die Entwicklung eines neues Selbstverständnisses auch staatlicher Verwaltungen und der Politik auf allen Ebenen zur Zusammenarbeit mit bürgerschaftlichen Organisationen im Sinne von mehr Bürgerorientierung.

Zu einer Kultur der Anerkennung gehört auch, die Mitarbeit in Einrichtungen, Diensten und Organisationen zu erleichtern, ausreichende sachliche, personelle und finanzielle Ressourcen bereitzustellen, das Engagement in der Öffentlichkeit und in den Medien sichtbar zu machen und Fort- und Weiterbildung auch für Ehrenamtler zu ermöglichen.

Schließlich bedeutet Anerkennung auch, bei privaten wie bei öffentlichen Arbeitgebern – ich sage das auch selbstkritisch und meine ganz bewusst auch die Städte, Gemeinden und das Land – dafür zu werben, dass ehrenamtliches Engagement gefördert und nicht durch Verhalten von Arbeitgebern behindert wird.

(Beifall von der SPD)

Wichtig ist hier vor allem der Ehrenamtsnachweis, den wir ja in der letzten Legislaturperiode in Nordrhein-Westfalen eingeführt haben. Wir müssen wieder dahin kommen, meine Damen und Herren, dass beispielsweise bei der Stellensuche, im Le

benslauf, bei Bewerbungsgesprächen die Ausübung eines Ehrenamtes Vorteile verspricht,

(Beifall von der SPD)

unter anderem weil es einem Bewerber soziale Kompetenz bescheinigt.

Ganz besonders wichtig ist es, nun endlich das Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht zu reformieren. Ich bin ganz froh, dass Bundesfinanzminister Peer Steinbrück im Rahmen der Koalition dazu weitreichende Vorschläge vorgelegt hat, die tatsächlich ein großer Schritt nach vorne wären, wenn sie denn vom Bundestag und gegebenenfalls vom Bundesrat verabschiedet würden.

Seine Initiative „Hilfen für Helfer“, wie das Programm heißt, ist ein Plädoyer für Ehrenamt und Engagement und eine echte Unterstützung für die viel gelobten „Helden des Alltags“. Sie sieht eine bessere steuerliche Förderung, mehr Freiräume durch Bürokratieabbau und mehr öffentliche Anerkennung für die 23 Millionen engagierten Bürgerinnen und Bürger in Deutschland in mehr als 600.000 Vereinen und Organisationen vor.

Peer Steinbrück will weitere steuerliche Vergünstigungen einführen und die komplizierte Rechtsmaterie des Gemeinnützigkeits- und Stiftungsrecht einfacher und transparenter gestalten. Das kann man alles nachlesen. Ich trage es nicht im Einzelnen vor.

Meine Damen und Herren, dieses Programm hätte – wenn es umgesetzt würde – ein Volumen von insgesamt – man höre und staune – 400 Millionen €. Das ist wahrlich mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

(Beifall von der SPD)

Auch wenn wir also – ebenso wie Sie – dafür sind, die Anerkennungskultur für bürgerschaftliches Engagement weiterzuentwickeln, halten wir doch einen sehr viel breiteren Ansatz dafür für erforderlich, als Sie ihn in Ihrem Antrag formulieren.

So lobens- und fördernswert die Mitwirkung von Bürgern in der Kulturarbeit auch ist, so erscheint uns die Beschränkung eines Preises nur auf diesen Bereich eher kontraproduktiv, jedenfalls eine ungerechtfertigte Zurücksetzung und Geringschätzung nicht weniger wichtiger anderer gesellschaftlicher Bereiche.

Meine Damen und Herren, ein gesteigertes bürgerschaftliches Engagement, das den sozialen Zusammenhalt und die solidarische Gesellschaft fördert, nutzt dem Staat und gleichzeitig auch der Gesellschaft. Wir sollten deshalb alles tun, um es

umfassend zu fördern. Indem der Staat seine Bürgerinnen und Bürger stärkt, stärkt er letztlich sich selbst. – Vielen Dank.