Protocol of the Session on March 8, 2007

Aber auch angesichts der globalen Entwicklungen muss die entwicklungspolitische Zusammenarbeit ein wesentliches Merkmal von NRW sein. Darum sollte uns der Gedanke leiten, dass wir alle gemeinsam auf einer Erde leben und für die zukünftigen Generationen Ressourcen bewahren müssen. Wir dürfen der nachfolgenden Generation keine Welt hinterlassen, der wir die Lebensgrundlagen entzogen haben.

Davon ist in Ihrem Antrag leider nichts zu lesen. Auch sonst sind in dem Antrag keine konkreten Aussagen enthalten, nur wohlfeile Absichtserklärungen. In der Politik dieser Landesregierung spiegelt sich zudem nichts von dem wider, was Sie hier beantragen. Deshalb sind auch die Ausführungen zu den Millenniumszielen von folgenloser Richtigkeit. Es wird nicht deutlich, was NRW zur Umsetzung der Millenniumsziele nun tatsächlich tut.

Entwicklungszusammenarbeit ist mehr denn je eine Querschnittsaufgabe aller Gesellschaftsbereiche: von der Klimapolitik über die Bildungspolitik bis zur Außenwirtschaftspolitik. Richtig ist, dass die Entwicklungszusammenarbeit in NRW bis 2005 eine unter den Bundesländern herausragende Bedeutung hatte. Da sich politische Schwerpunkte und politisches Handeln zugleich an Haushaltszahlen festmachen lassen, kann festgestellt werden, dass das Engagement von NRW seit 2005 stetig zurückgefahren wurde. Hier seien die Kürzungen beim Promotorenprogramm und die Streichungen für die kommunale Zusammenarbeit genannt.

Kein Wort findet sich übrigens in Ihrem Antrag zum Thema „Stiftung Umwelt und Entwicklung“. Soll dies ein böses Omen sein? Heute Abend in der Stiftungsratssitzung werden wir sicherlich mehr erfahren.

Gerade die Bildungspolitik, eine der großen Pflichtaufgaben des Landes, hätte in diesem Antrag einen eigenen Absatz mit konkreten Zielbeschreibungen verdient. Wir brauchen in der Tat eine weitergehende Warnung vor globalen Problemen bei den Menschen in unserem Land. Diese Sensibilisierung, Herr Lindner, ist notwendig, und dabei hat die Bildung einen wesentlichen Auftrag, angefangen bei den Kitas über die Schulen bis zur Weiterbildung, der Jugendarbeit und den Universitäten, die in Ihrem Antrag auch nicht vorkommen.

In dem Antrag werden auch die 100.000 Migranten aus den klassischen Entwicklungsländern nicht erwähnt. Alleine im Fall von Afrika finden jährlich große Überweisungen in die Heimatländer statt, die größer sind als die Mittel, die für die Entwicklungszusammenarbeit aufgebracht werden. Gerade unter Migranten gibt es viele, die mit zahlreichen kleinen Unternehmen in den Heimatländern in Verbindung stehen. Gerade diese Verbindungen sollten im Sinne einer sinnvollen und aktiven Außenwirtschaft für Nordrhein-Westfalen genutzt werden.

Ob unter Rot-Grün ein entwicklungspolitischer Dialog nicht stattgefunden hat, sei dahingestellt. Dazu müsste man einmal präzisieren, was damit eigentlich gemeint ist. Das tun Sie in dem Antrag auch nicht. Ansonsten wäre es sicherlich eine sinnvolle Initiative. Auch wenn in dem Antrag schöne und richtige Sätze stehen ohne klare und konkrete Aussagen und Präzisierungen, handelt es sich immer nur um Alibiaussagen. Welche Ernsthaftigkeit diesem Antrag innewohnt, werden wir in den Haushaltsberatungen 2008 sehen, auf die wir zu diesem Punkt sehr gespannt sind. – Ich bedanke mich.

Danke schön, Frau Kollegin. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Asch das Wort.

(Beifall von der SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind schon einigermaßen erstaunt, erstens diesen Antrag zu lesen, der immerhin auch von der FDP mit unterschrieben wurde, und zweitens Herrn Lindner zu hören, der uns relativ verständnisvoll darlegt, dass man internationale Politik, dass man Eine-WeltPolitik braucht. Da sind wir nicht nur ganz andere Töne, sondern auch Taten gewöhnt.

(Christian Lindner [FDP]: Ach!)

Ich erinnere nur an die Aussage Ihrer Fraktion in der letzten Legislatur: Entwicklungspolitik ist eine Angelegenheit des Bundes und keine der Länder. Das hat Herr Brockes gesagt.

(Christian Lindner [FDP]: Darauf habe ich am Schluss hingewiesen!)

Herr Papke hat immer wieder deutlich gemacht, das sei ideologischer Firlefanz – grüne Spielwiesen –, der durch finanzielles Auszehren beendet werden müsse.

Genau dieses Programm haben Sie in den Haushalten durchgehalten. Im Haushalt 2006 haben Sie das sogenannte Promotorenprogramm sehr stark gekürzt. In diesem Haushalt haben Sie die kommunale Entwicklungszusammenarbeit vollkommen gestrichen. Sie haben die Stiftung für Umwelt und Entwicklung so stark gefleddert, dass sie handlungsunfähig ist.

Das heißt, aus der Eine-Welt-Arbeit NordrheinWestfalen ist Keine-Welt-Arbeit Nordrhein-Westfalen geworden. Hier ist die CDU eingeknickt. Sie hat das, was sie in der letzten Legislatur noch nicht mittragen wollte, unter dem Druck des kleinen Koalitionspartners mitbeschlossen. Sie hat damit nicht nur ihren Minister blamiert,

(Beifall von den GRÜNEN)

sondern sie hat auch die zahlreichen Menschen vor Ort vor den Kopf gestoßen, die sich ehrenamtlich in sehr vielen Initiativen, Nichtregierungsorganisationen, Eine-Welt-Gruppen, Fair-Trade-Gruppen und anderen entwicklungspolitischen Basisinitiativen engagieren.

Das sind die gleichen Menschen, deren Arbeit Sie in Ihrem Antrag so loben. Erst streichen Sie ihnen die Mittel, und dann wird staatstragend das bürgerschaftliche Engagement gelobt. Das ist eine Ohrfeige für die Menschen, die ehrenamtlich diese wichtige Arbeit machen, und eine Verhöhnung.

(Beifall von den GRÜNEN)

In diesen Zeiten, in dieser globalisierten Welt ist das Engagement wichtig, denn wir wissen alle: Das globale Denken fällt nicht vom Himmel. Die Menschen müssen sich aktiv auseinandersetzen mit den Fragen: Was sind die weltweiten Folgen unseres konsumorientierten Lebensstils mit seinem ungeheuren Ressourcenverbrauch? Was sind die Folgen für andere Ökosysteme, den Klimawandel und die Armut in der Welt? Die Bürger müssen ein Bewusstsein für das bekommen, was finanziell, auch an bundespolitischem Engagement notwendig ist. Dazu muss eine gesellschaftspolitische Basis geschaffen werden. Das

genau wird mit der bildungspolitischen Arbeit gemacht, die Sie zerschlagen haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie führen auf, dass es Ihnen eigentlich um die Stärkung des UN-Standorts Bonn geht. Ich kann nur sagen: Es gibt immer noch keinen UNStandort Bonn, weil Sie es noch nicht geschafft haben, weil Sie nicht genug Anstrengungen unternehmen, weil Sie nicht genug Fördermittel in die Hand nehmen, damit wir endlich auf die 1.000 Mitarbeiter in Bonn kommen. Ich kann nicht sehen, dass Sie Ihre Ziele, die Sie formulieren, auch nur annähernd erreichen.

Sie sagen ferner: Wir wollen mit den großen, den professionellen Entwicklungsorganisationen zusammenarbeiten, wir wollen den Dialog pflegen. Das ist bundespolitisch finanziert. Das heißt, die Landespolitik hat gar keine direkten Kompetenzen. Dass sie zufällig in Nordrhein-Westfalen sind, ist nicht Ihr und auch nicht unser Werk, sondern das hat etwas damit zu tun, dass Bonn Bundeshauptstadt war. Tun Sie nicht so, als ob das sozusagen Werk dieser Landesregierung wäre.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich habe mit den Geschäftsführern sowohl von der GTZ als auch vom Deutschen Entwicklungsdienst nach diesem Antrag telefoniert und gefragt: Wird der Dialog vonseiten des Landes geführt? Sie haben gesagt: Wir freuen uns über jede Aufnahme des Dialogs, aber wir wissen von nichts. – So weit zu dem, was Sie an großen Dialogen beschreiben, die mit den professionellen Entwicklungsorganisationen geführt werden sollen.

Ich kann auch noch einmal das wiederholen, was Frau Hendricks gesagt hat: Im Bereich des ded und der KfW stehen im Moment große Umorganisationen an. Es ist noch nicht klar, ob sie fusionieren und wo sie in Zukunft ihren Standort haben werden; das kann auch gut in Hessen sein. Insoweit können Sie sich nicht damit brüsten, dass wir in Nordrhein-Westfalen die großen Organisationen haben. Das ist nicht Ihr Verdienst.

Wir haben das Gefühl, dass dieser Antrag ein sehr durchsichtiges Werk ist, dass Sie da eine gewisse Arbeitsteilung haben. Als die CDU in den Haushaltsberatungen bei der Kürzung der EineWelt-Politik so stark bluten musste, wurde ihr versprochen: Dann machen wir gemeinsam einen schönen Antrag, damit das Thema zumindest vorkommt.

Es reicht aber nicht, dass hier Themen vorkommen, sondern es müssen auch finanzielle Taten folgen. Schöne Worte reichen den Menschen, die

sich entwicklungspolitisch im Land engagieren, nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir erwarten von Ihnen, dass Sie dieses Engagement auch finanziell honorieren und unterstützen, dass Sie zeigen, dass Ihnen dieses Engagement im wahrsten Sinne des Wortes etwas wert ist, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Asch. – Herr Minister Laschet hat nun das Wort für die Landesregierung.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Entwicklungszusammenarbeit ist eine wichtige Aufgabe, die nach unserer Verfassung in der Bundeszuständigkeit liegt. Die Ministerpräsidenten haben sich aber darauf verständigt, genau nach dem Agendaprozess auf allen Ebenen daran mitzuwirken. Insofern ist das Land Nordrhein-Westfalen Vorreiter in der Entwicklungszusammenarbeit der deutschen Bundesländer.

Der Antrag, den die Koalitionsfraktionen vorgelegt haben, untermauert noch einmal diesen Anspruch. Nordhein-Westfalen ist eben nicht nur das Land von Kohle, Stahl und Energie, sondern es ist auch das Nord-Süd-Land in der Bundesrepublik Deutschland. Es gehört zu unserem Profil, und deshalb haben wir dieses Thema in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gestellt.

Für eine gute Entwicklungszusammenarbeit braucht es mehr, als nur Kürzungen zu beklagen. Für eine gute Entwicklungszusammenarbeit braucht es gute neue Ideen. Die haben die Koalitionsfraktionen heute vorgelegt. Die nordrheinwestfälische Wirtschaft wird davon profitieren. Wenn wir Fluchtursachen vor Ort mildern, kommt das auch unseren Städten zugute. Insofern haben wir eine Neuorientierung vorgenommen. Bei Frau Höhn hatte die Entwicklungszusammenarbeit eine ziemlich einseitige Ausrichtung. Sie war auf ein kleines sehr wichtiges Feld beschränkt, auf die Eine-Welt-Gruppen im Lande, die uns auch sehr wichtig sind, aber der Blick war sehr verkürzt, es war sozusagen ein Tunnelblick, ohne die Breite der Entwicklungszusammenarbeit in den Blick zu nehmen.

Dass Frau Asch inzwischen gemerkt hat, dass Bonn ein UN-Standort ist, obwohl sie bestreitet, dass es ihn gibt, zeigt, dass jedenfalls unsere Po

litik den Blick auf diese Stadt und auf das, was engagierte Mitarbeiter dort leisten, gerichtet hat.

Wir orientieren es neu. Wir sagen beispielsweise: Migration und Klimawandel gehören ganz eng zusammen. Gerade die Berichte der letzten Wochen haben noch einmal deutlich gemacht, welche Gefahren von den globalen Klimaveränderungen ausgehen. Der Report des früheren Weltbankökonoms Stern beispielsweise und der Bericht, der an die Vereinten Nationen gerichtet wurde, verbinden genau diese beiden Themen. Die Bundeskanzlerin greift das Thema jetzt auf, macht es zum Thema heute auf dem Gipfel und auch in Heiligendamm. Das alles ist in rot-grüner Zeit versäumt worden.

Wir vereinigen das Thema Migration und Entwicklung in einem Ressort. Zum ersten Mal sind in einem deutschen Bundesland Integrationspolitik, Migrationspolitik und Entwicklungszusammenarbeit zusammengefasst worden.

Wir versuchen, die großen Ressourcen der Rücküberweisungen von Migranten in ihre Heimatländer – nach Angaben der Weltbank sind es 232 Milliarden $, davon rund 160 Milliarden $ in Entwicklungsländer – in unsere Entwicklungszusammenarbeit einzubeziehen. Die hier lebenden Migranten sind Brückenbauer. Sie überweisen mehr Geld zurück als Ihre öffentliche Entwicklungszusammenarbeit möglich macht.

Deshalb werden wir diese Zusammenarbeit mit Afrika, insbesondere mit Subsahara-Afrika intensivieren. Hier ist die Bilanz der UN-MillenniumsZiele besonders eklatant. Unsere Partnerschaft mit Mpumalanga in Südafrika bietet gerade im Hinblick auf die Weltmeisterschaft 2010, wenn sehr viele Menschen den Blick nach Südafrika richten, die große Möglichkeit, dieses Thema auch bei uns öffentlich zu diskutieren. Den Gedanken, den die Koalitionsfraktionen eben geäußert haben, auch Ghana oder andere afrikanische Länder mit einzubeziehen, wird die Regierung aufgreifen. In Kürze werden wir einen Vorschlag an das Kabinett machen, wo wir noch einmal die Leitlinien unserer entwicklungspolitischen Kooperation deutlich machen.

Lasse Sie mich noch einen Gedanken zu dem sagen, wieso wir das Nord-Süd-Land sind. Frau Asch hat das ein bisschen abgetan, das sei alles nicht wichtig und sei nur Zufall und habe nur mit dem Umzug des Regierungssitzes von Bonn nach Berlin zu tun. Sie hat halt nicht verstanden, welche Tradition in Nordrhein-Westfalen vorhanden ist. Lange bevor der Sitz der Regierung von Bonn nach Berlin wechselte, waren hier die großen entwicklungspolitischen Organisationen beispiels

weise der Kirchen wie Misereor. Das hat nichts mit dem Thema Bundeshauptstadt zu tun. Misereor in Aachen, die Kindernothilfe in Duisburg, UNICEF in Köln und die Deutsche Welthungerhilfe haben nichts mit dem Regierungssitz zu tun.

Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen: Nachdem in Südostasien der Tsunami war, hat man eine eigene Institution gegründet, die für Schulen Partnerschaften vermitteln sollte. Kein Mensch ist je auf die Idee gekommen, diese Kompetenz von Misereor, von Missio, von der Kindernothilfe oder von UNICEF einmal nach Düsseldorf einzuladen und zu fragen, ob sie nicht Partnerschaften haben, ob wir neue Bürokratien schaffen müssen oder ob wir nicht deren Wissen nutzen können.

(Beifall von der CDU)

Darin besteht der Unterschied zwischen uns und Frau Höhn. Frau Höhn hat ihre Spielchen veranstaltet, hat ihre personalpolitischen Spielchen durchgeführt, aber nicht die Kompetenz der Menschen im Lande genutzt.

(Beifall von der CDU)

Da leben wir wiederum, Frau Asch, auf zwei Planeten. Wir nutzen das Wissen der Leute hier, während Sie woanders leben.