Protocol of the Session on January 26, 2007

Jetzt geht Frau Kraft am 11.01. vor die Presse. Frau Kraft sagt: In Nordrhein-Westfalen stagniere das Angebot für unter Dreijährige bei 15.000 Plätzen. Dann besitzt sie die Dreistigkeit, dem staunenden Publikum anzukündigen, die NRW SPD wolle eine Quote von 40 % bei den unter Dreijährigen erreichen, nebenbei gesagt, natürlich alles ohne Elternbeitrag.

Jetzt wollen wir einmal schauen, was das an Kosten verursachen würde. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie das überhaupt prognostiziert haben. Deshalb möchte ich Ihnen das einmal darlegen:

Beitragsfreiheit für Drei- bis Sechsjährige etwa 360 Millionen € jährlich; die Beitragsfreiheit für unter Dreijährige, round about 200 Millionen € jährlich. Die Verdoppelung der Unter-DreijährigenPlätze im Vergleich zu unserer Planung würde, über unsere Planung hinaus, etwa 495 Millionen € jährlich kosten. Das ist mal eben eine schlappe Milliarde Euro jährlich, die Sie den Menschen angesichts dieser Haushaltslage versprechen wollen. Wenn sie genauso gut kalkuliert ist, wie Sie seinerzeit die Hartz-Gesetzgebung ins Werk gesetzt haben, dann gnade uns Gott, meine Damen und Herren!

(Beifall von der FDP – Heiterkeit von der CDU)

In dieser Art und Weise lassen sich die Menschen von der SPD nicht mehr an der Nase herumführen. Das ist keine Glaubwürdigkeit mehr, die Sie in diesem Politikfeld für sich in Anspruch nehmen können.

Dagegen hat die Koalition der Erneuerung gehandelt. Wir haben die alten Instrumente der Vorgängerregierung zunächst einmal nach dem Regierungswechsel wirksam gemacht, indem die sogenannte Budgetvereinbarung, die den kostenneutralen Wechsel von Kindergartenplätzen zu Plätzen für unter Dreijährige erlaubt, in ihrer Quotierung verdoppelt worden ist.

(Beifall von CDU und FDP)

Dadurch sind Möglichkeiten für 6.000 zusätzliche Plätze geschaffen worden – und zwar in 18 Monaten, in anderthalb Jahren.

(Zuruf von der SPD)

Wir verfügen deshalb über round about 16.000 Plätze für unter Dreijährige in Kindertageseinrichtungen und 27.000 weitere in kommunaler Verantwortung, also Tagespflege und Spielgruppen.

Frau Asch, ich möchte noch einen Satz dazu sagen, warum das nicht im Haushalt zu finden ist: Mit dieser Kritik haben Sie durchaus Recht. Aber ich habe schon ausgeführt, dass wir nur alte Programme der Vorgängerregierung funktionsfähig gemacht haben. Sie sahen eben nur den kostenneutralen Weg der Umwandlung vor. Deshalb kann das erst im Nachhinein im Haushalt etatisiert werden. Mit dem neuen Kindergartengesetz wird das anders.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Wir haben aber auch über Ihre Programme hinaus neue Schwerpunkte gesetzt. Das ist von Ihnen völlig ausgeblendet worden. Die Koalitionsfraktio

nen haben das Programm „Frühe Förderung von Kindern – vom Kindergarten zum Familienzentrum“ eingerichtet, das mit 23 Millionen € dotiert ist. Ziffer eins dieses Programms bezieht sich auf die Schaffung räumlicher Ressourcen für den Ausbau der Betreuung von Kindern im Alter von unter drei Jahren in Tageseinrichtungen. Zum Beispiel werden die Kosten für den Bau von Gruppennebenräumen gefördert, für den die Einrichtungen einen Zuschuss von bis zu 40.000 € erhalten können, von Ruhe- und Wickelräumen, für die es einen Zuschuss bis 80.000 € pro Einrichtung gibt. Kosten von Materialien werden mit 4.000 bis 5.000 € pro Raum und Gruppe bezuschusst.

Diese Investitionszuschüsse hat es unter RotGrün nicht gegeben, sondern wir haben sie mit dem Haushalt 2006 geschaffen. Das ist auch ein Beitrag dazu, dass die Kommunen in der Lage sein werden, bis zum Jahr 2010 ein vernünftiges Angebot bereitzuhalten, meine Damen und Herren.

(Beifall von FDP und CDU)

Unser Ziel als Koalition ist klar: Bis zum Jahr 2010 werden wir für 20 % der unter Dreijährigen Plätze bereitstellen, aber nicht quer durch die Bank für alle Jahrgänge. Es wird zu differenzieren sein: Bis zum ersten Geburtstag wird es einen geringeren Bedarf geben, der danach langsam ansteigen wird. Das Ziel ist, dass Kinder ab dem zweiten Geburtstag – also im Jahr vor dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz – zu 40 % Plätze in Kindertageseinrichtungen in Anspruch nehmen können. Die Bedarfsdeckungsquote liegt damit bei den unter Dreijährigen bei 20 %, im letzten Jahr vor dem Rechtsanspruch auf den Kindergartenbesuch bei 40 %. Insgesamt werden wir in Nordrhein-Westfalen 90.000 Plätze bereitstellen. Das ist seriös kalkuliert. Das ist finanzierbar. Das werden wir erreichen.

Ein letzter Gedanke, Frau Präsidentin, weil hier immer so despektierlich über die Tagespflege gesprochen wird.

(Wolfgang Jörg [SPD]: Ich habe nicht de- spektierlich über die Tagespflege gespro- chen!)

Ich kann es nicht verstehen. Das spiegelt sich heute auch in der Presseberichterstattung wider. Wenden Sie den Blick einmal nach Skandinavien. Für die unter Dreijährigen hat sich dort die sogenannte Familienpflege etabliert. Sie ist dort das wesentliche Angebot. Das Rückgrat der Betreuung für unter Dreijährige in Skandinavien sind die Familienpflegestellen. Das sind Mütter und Ta

gespflegepersonen, die drei bis fünf Kinder in ihren eigenen Räumen betreuen. Das stellen wir uns für Nordrhein-Westfalen auch vor, weil wir von den erfolgreichen Ländern lernen wollen. Dabei vergleichen wir insgesamt und picken uns nicht nur das heraus, was uns gerade politisch in den Kram passt. Das unterscheidet uns von Ihnen. – Haben Sie vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Lindner. – Für die Landesregierung hat nun Minister Laschet das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vorsitzende der SPD-Fraktion hat in ihrer Rede vor zwei Tagen beschrieben, dass man die Zeichen der Zeit bei manchem Thema zu spät erkannt hat und dass darin möglicherweise auch einer der Gründe liegt, weshalb man im Mai 2005 die Regierungsverantwortung verloren hat. – Ich finde, das ist eine Einschätzung, die natürlich jeder im Lande kannte; aber es ist bemerkenswert, dass man sie jetzt einmal ausgesprochen hat.

Ich frage mich aber, welche Taktik eigentlich dahinter liegt zu sagen, wir haben Themen zu spät erkannt, wir haben zu spät reagiert, wir haben manches nicht gemacht, dann aber ausgerechnet eine Aktuelle Stunde zu dem Thema zu beantragen, bei dem das für die Menschen im Land am meisten spürbar ist.

(Beifall von CDU und FDP)

Warum wollen Sie eigentlich mit der heutigen Debatte den Blick der Öffentlichkeit auf den größten Punkt Ihres Versagens lenken, nämlich darauf, dass wir das Schlusslicht bei der Quote der Plätze für die unter Dreijährigen sind?

(Beifall von CDU und FDP)

Diese Taktik erschließt sich mir nicht, liebe Frau Kollegin Kraft. Sie hätten heute vieles beantragen können, um die Regierung zu kritisieren. Auch eine Regierung macht einmal Fehler.

(Lachen von Hannelore Kraft [SPD])

Aber das Thema, bei dem wir etwas anpacken, nachdem Sie nichts gemacht haben, bei dem wir Plätze schaffen, bei dem die Verhältnisse endlich besser werden, lenken Sie heute in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.

(Beifall von der CDU)

Deshalb freuen wir uns auf diese Debatte. Herr Jörg, ich habe mich auf diese Debatte richtig gefreut. Sie haben Frankreich beschrieben und was dort alles möglich ist, dass die Geburtenrate dort höher ist. – Das ist aber nicht erst, seitdem wir regieren, der Fall. Die Geburtenrate in Frankreich ist schon ein bisschen länger höher.

(Zuruf von Wolfgang Jörg [SPD])

Exakt aus dem Grund, dass man die Situation in Frankreich richtig beurteilt hat, dass nämlich Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit einem guten Betreuungsangebot besser gelingt, haben wir in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben: Wir müssen von der schlechten Lage 2,8 % wegkommen und besser werden.

(Beifall von CDU und FDP)

Herr Jörg, weil die Erfahrungen in Frankreich so sind, wie sie sind, haben wir gesagt:

(Wolfgang Jörg [SPD]: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!)

In Frankreich funktioniert die Tagespflege auch gut. Deshalb werden wir neben einer Steigerung der Zahl der institutionellen U3-Plätze auch die Tagespflege erstmals gesetzlich verankern, erstmals Qualitätsstandards festschreiben und Tagespflege in Zukunft erstmals auch mit einem Beitrag des Landes an die Kommunen durch ein neues Kindergartengesetz unterstützen.

Alles das entspricht der Erfahrung aus Frankreich. Sie tun so, als würden Sie erst nach Mai 2005 den Blick nach Westen in Richtung Frankreich richten. Das hätten Sie 39 Jahre lang machen können. Dann wären wir heute viel weiter, als wir es sind.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Cari- na Gödecke [SPD])

Das habe ich akustisch nicht verstanden.

(Carina Gödecke [SPD]: Das sage ich Ihnen nachher noch einmal!)

Gut, erzählen Sie es mir nachher. – Wenn Sie Frankreich vielleicht unruhig macht, weil dort Bürgerliche regieren, sage ich Ihnen: Da, wo Christdemokraten regieren, ist es für die Menschen angenehmer.

(Beifall von der CDU – Lachen von der SPD – Christian Lindner [FDP]: So einfach ist es auch nicht!)

Im Saarland und in Hessen gibt es mehr Betreuungsplätze für unter Dreijährige, als unter rotgrünen Regierungen. Im Saarland und in Hessen ist auch die Frauenerwerbsquote höher als in

SPD-regierten Ländern. Das ist der Maßstab, an dem wir uns ebenfalls messen lassen wollen.

(Beifall von der CDU)

Was tut das neue Kindergartengesetz? Frau Asch fragt immer: Wo bleibt es denn? Wann kommt es denn? – Ich habe Ihnen gestern schon einmal erklärt: Ich nehme die Menschen ernst. Ich rede, solange es geht, mit allen möglichen Trägern, mit allen Verbänden, mit den Verbänden der Erzieherinnen, mit den Kirchen, mit den Kommunen, weil Bastapolitik nicht unser Stil ist. Wir wollen keinen Gesetzentwurf an den Menschen vorbei vorlegen, sondern wir wollen unser Ziel mit den Menschen erreichen.

Das neue Gesetz wird kommen, und wenn es kommt, Frau Asch, wird es sicherstellen, dass mit seinem Inkrafttreten die Zahl der institutionellen Plätze für unter Dreijährige verdoppelt wird. Das ist ein solcher Schub in Richtung 2010, wie er in keinem anderen Bundesland möglich ist. Wir werden die Plätze für unter Dreijährige mit dem Inkrafttreten des Gesetzes verdoppeln.

(Beifall von der CDU)