Protocol of the Session on January 25, 2007

Das hat auch etwas damit zu tun, wie viele Pflegekräfte da sind.

(Minister Karl-Josef Laumann: Richtig!)

Natürlich kann man sich eine Situation auch schönreden, indem man die Augen zumacht und sagt: Alles, was an Pflegekräften aus den osteuropäischen Ländern kommt, gucken wir uns gar nicht an. Da kommen Massen.

Herr Laumann, Sie müssen sich auch an dem messen, was Sie selbst einmal als Bedarf definiert haben. In den von Ihnen geführten Koalitionsverhandlungen haben Sie ebenso wie Ihre Kollegen

im Wahlkampf gesagt, wir brauchen zusätzliche 1.000 Ausbildungsplätze. Zusätzliche! Statt der zusätzlich 1.000 Ausbildungsplätze haben wir nach der derzeitigen Istsituation 1.466 Ausbildungsplätze weniger.

(Minister Karl-Josef Laumann: Das ist doch gar nicht wahr!)

Es sind nicht 1.000 Plätze mehr, sondern 1.466 Plätze weniger geworden. Im Saldo fehlen also 2.466 Auszubildende zu dem Anspruch, den Sie einmal im Wahlkampf hatten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich kann nur sagen, da können Sie sich noch so sehr anstrengen und versuchen, das schönzureden. Die Zahlen liegen auf dem Tisch.

(Minister Karl-Josef Laumann: Sie verwech- seln Äpfel mit Birnen!)

Nein, es sind nicht Äpfel und Birnen.

(Minister Karl-Josef Laumann: Doch!)

Sie haben theoretische Schulplätze geschaffen. Damit haben Sie den Leuten Sand in die Augen gestreut und gesagt, wir brauchen 1.000 Plätze. Hinterher haben Sie gesagt, wir richten aber nur 1.000 Schulplätze ein. Gleichzeitig sind Sie hingegangen und haben auch noch die Beiträge zur Sicherung der Betriebskosten gesenkt, damit die 1.000 Plätze in den Seminaren überhaupt aufrechterhalten werden können.

Sie haben die Pflegeausbildung in Ihrem Konzept systematisch heruntergespart. Sie haben kleinen Pflegeseminaren die Existenzgrundlage entzogen und nichts dazu beigetragen, dass wir mehr ausgebildete Pflegerinnen und Pfleger in diesem Land haben. Wir haben vielmehr weniger als vorher.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es gab in der letzten Legislaturperiode eine Enquetekommission dazu. Sie können von uns gerne den Abschlussbericht bekommen und ihn intensiv lesen.

Klar ist, vor dem Hintergrund des demografischen Wandels brauchen wir nicht nur mehr Pflegerinnen und Pfleger im stationären Bereich,

(Minister Karl-Josef Laumann: Sie lernen es nie!)

sondern gerade im ambulanten Bereich.

Faktisch haben wir das Problem, dass die Ausbildungsplätze, die jenseits der schulischen Angebote gestellt werden sollen, bisher nur im stationären

Bereich refinanzierbar sind. Es gibt für einen ambulanten Träger keine Möglichkeit, die Ausbildungsplätze zu refinanzieren.

Man muss auch ganz klar fragen, was ein ambulanter Träger mit einem Auszubildenden machen soll, den er gar nicht einsetzen kann. Er muss ihn daneben herlaufen lassen. Ein ambulanter Träger hat also nur Mehrkosten für einen Auszubildenden, die er nicht über den Pflegesatz umlegen kann. Er hat Mehrkosten ohne Nutzen, weil er ihn nicht alleine laufen lassen kann. Deswegen haben wir doch keine Ausbildungsplätze im ambulanten Bereich, sondern höchstens in Verbünden. Das sind aber doch die wenigsten Fälle.

Diejenigen, die im stationären Bereich Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, haben hinterher das Problem mit der Wettbewerbsverzerrung, weil ihre Pflegesätze höher liegen als bei denjenigen, die nicht ausbilden. Deshalb gibt es auch diese Misere.

Ich verstehe nicht, warum Sie an dieser Stelle nicht das tun, was Ihre Kollegen in der letzten Legislaturperiode gemacht haben, nämlich klar und deutlich zu fordern, dann greift § 25 des Pflegegesetzes. Genau dafür ist er gemacht: Wir verkünden den drohenden Pflegenotstand in NRW und richten damit eine Umlage ein. Wir schaffen gleichzeitig die Möglichkeit, im ambulanten Bereich analog zum stationären Bereich eine Refinanzierung der Ausbildungskosten einzurichten. Dann kann die Ausbildungssituation auch im ambulanten Bereich stabilisiert und verbessert werden.

Darüber hinaus besteht natürlich noch die Möglichkeit, sich bei der Bundesagentur dafür einzusetzen, dass nicht nur Kombilohnmodelle angeregt werden, sondern dass es statt irgendwelcher Maßnahmen zur Altenpflegehelferin, für die es ohnehin keinen Bedarf gibt, endlich auch wieder die Möglichkeit einer dreijährigen Umschulung zur Altenpflegerin gibt. Von daher gibt es eine Menge, die getan werden könnte.

Herr Minister, an Ihren Zwischenrufen war aber schon wieder ziemlich deutlich absehbar, dass Sie weiter den Kopf in den Sand stecken und die Situation in Nordrhein-Westfalen schönreden wollen. Sie verkünden dann wieder 1.000 Plätze, die Sie sowieso nicht umsetzen. Das wird den Menschen in diesem Land überhaupt nicht gerecht. Dann haben wir statt einem drohenden Notstand bald die Skandale, die Herr Burkert eben genannt hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Steffens. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Dr. Romberg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Steffens, das war wieder eine sehr aufgeregte Rede.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ein bisschen Leidenschaft kann nicht schaden, Herr Rom- berg!)

Es ging aber wieder nur um das alte Thema Umlage und gar nicht um die Diskussion, warum Menschen vielleicht nicht den Pflegeberuf wählen beziehungsweise warum sie vorzeitig aus dem Pflegeberuf ausscheiden.

Ganz passend fand ich den Leserbrief einer Altenpflegerin aus Gelsenkirchen, der diese Woche in der „taz“ stand. Er bezieht sich auf Ihren Vorschlag zur Zwangsabgabe für Pflege. Sie schreibt:

Der Bedarf an Pflegekräften wäre mehr als gedeckt, wenn die Arbeitsbedingungen nicht so extrem gesundheitsschädlich wären. Pflege ist ein hartes Geschäft. Demnach wird an dem gespart, was Geld kostet: dem Personal. – Wenn ich vormittags zwölf stark pflegebedürftige Bewohner eines Heimes grundversorgen muss und gleichzeitig als examinierte Kraft für die Behandlungspflege von 24 Bewohnern zuständig bin, bin ich körperlich schneller verschlissen, als ich „Rente mit 67“ sagen kann. Recherchieren Sie doch bitte einmal, wie lange eine Altenpflegerin durchschnittlich ihren Beruf ausüben kann.

Wenn wir über drohenden Pflegenotstand diskutieren, dann sollte man die Arbeitsbedingungen anschauen und betrachten, wie alte Leute bei uns im Land insgesamt gesehen werden. Welche Szenarien werden zum Teil in den Medien dargestellt? Wenn ich mir die angebliche DokudramaReihe im ZDF anschaue, sind das Szenarien, die für älter werdende Menschen erst einmal sehr beängstigend sind.

(Zuruf von der SPD: Da stimme ich Ihnen zu!)

Alter hat aber gerade in Ländern, die gesundheitlich immer besser entwickelt sind und in denen die Menschen eine höhere Lebenserwartung haben, immer weniger mit Siechtum zu tun. Das sagen mittlerweile zahlreiche Zukunftsforscher. Sie sagen, in Ländern mit einer sehr hohen Lebenserwartung ist die Lebensdauer mit körperlichen Einschränkungen deutlich geringer.

Unsere alte Denke war immer, wenn Menschen älter werden, sind sie auch lange körperlich eingeschränkt. Das ist eben nicht der Fall. Dieses Bild eines alten Menschen, der weniger körperliche Einschränkungen hat, aber auch einen Wert in der Gesellschaft besitzt, muss vermittelt werden. Es ist wichtig, alten Menschen wieder Wert in der Gesellschaft zu geben. Das ist uns abhanden gekommen. Das ist auch ein Grund dafür, weshalb Menschen, die sich in der Pflege von alten Menschen engagieren, zurzeit nicht die Anerkennung in unserer Gesellschaft finden. Das ist ein Bereich, der total wichtig ist, um die Versorgung dieser Menschen zu sichern.

Der Antrag fordert einen Bericht mit einem Vergleich mit anderen Bundesländern. Gleichzeitig ist aber das Ziel Umlagefinanzierung schon genannt. Warum wollen Sie eigentlich aus allen Ländern den Sachstand wissen, wenn Sie dann nicht prüfen wollen, was das richtige Verfahren ist. Ich glaube, die Umlagefinanzierung ist nicht das richtige Verfahren.

Das Umlageverfahren ist natürlich bequem. Frau Steffens plädiert ja fast in allen Bereichen dafür. Aber ein gutes Haus ist auch daran interessiert, wenn es qualitativ im Wettbewerb standhalten will, gute Kräfte auszubilden. Diese Kräfte sind nämlich schwer auf dem Markt zu bekommen. Deshalb ist natürlich ein Interesse der Altenheime vorhanden, den Nachwuchs weiter vernünftig auszubilden. Sich davon mit Geld freizukaufen, ist wohl nicht der richtige Weg. Viele in diesen Berufen sagen auch, dass der Mangel andere Ursachen hat.

Sie zitierten, 2006 würden wahrscheinlich 2.900 Auszubildende fehlen. Das war wohl eine Zahl aus dem November. Der Minister wird bestimmt für 2006 eine aktuellere Zahl nennen können, um in der Diskussion vernünftig argumentieren zu können. Sieht vielleicht die reelle Zahl für 2006 ganz anders aus?

Ich denke, solche Grundvoraussetzungen sind für eine Debatte wichtig. Die Debatte können wir dann im Ausschuss fortsetzen. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Romberg. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Laumann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Antrag der SPD wird richtig formuliert: Die Ausbildung in

der Altenpflege befindet sich im Umbruch. Richtig ist auch, dass man den Blick sowohl auf die gegenwärtige Situation wie auch auf die Zukunft gleichermaßen haben muss. Gestatten Sie mir deshalb zunächst einige Worte zur gegenwärtigen Situation.

Vorab: In Nordrhein-Westfalen gibt es keinen Pflegenotstand. Die Landesregierung hat vielmehr alles Notwendige getan, um ihrer Verantwortung für eine ausreichende Versorgung mit Pflegekräften gerecht zu werden.

Aber der Reihe nach: Die Landesregierung hat zunächst mit dem 1.000-Plätze-Programm das Angebot der landesgeförderten Schulplätze an die Anstellungsträger deutlich erhöht. Jede Schulabgängerin und jeder Schulabgänger, der einen Ausbildungsplatz in der Altenpflege gefunden hat, hat auch einen landesgeförderten Schulplatz.

Ich kann mich noch an Ihre Regierungszeit erinnern, dass das zumindest im Kreis Steinfurt ganz anders war.

Seit dem 1. Juli 2006 haben wir erstmals auch die privaten Fachseminare in die Landesförderung aufgenommen. Seitdem gibt es in den neuen Ausbildungsverhältnissen in der Altenpflege, also der Fachkraftausbildung, erstmalig Schulgeldfreiheit in Nordrhein-Westfalen. Bis Ende 2006 konnten die besetzten landesgeförderten Schulplätze gegenüber 2005 bereits um mehr als 250 Plätze erhöht werden.

Zur Erhöhung der Ausbildungsbereitschaft mobiler Pflegedienste wurden diese in das Landesprogramm zur Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen aufgenommen. Es besteht damit unter bestimmten Voraussetzungen für diese mobilen Pflegedienste die Möglichkeit, im Falle der Ausbildung bis zu 4.500 € als einmaligen Zuschuss für die dreijährige Ausbildung einer Schülerin bzw. eines Schülers zu erhalten.

Die Landesregierung hat mit dem praktischen Rahmenlehrplan, der den Fachseminaren und praktischen Ausbildungsträgern im September 2006 zur Verfügung gestellt worden ist, die Verzahnung der theoretischen und praktischen Ausbildung verbessert. Um die Ausbildung auch in den praktischen Ausbildungsstellen zu verbessern, wurde der Standard der Qualifizierung der dort tätigen Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter überarbeitet und an den Rahmenlehrplan angepasst.