Protocol of the Session on December 21, 2006

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das ist doch alles nachgeplappert!)

An dieser Stelle danke ich der SPD und den Gewerkschaften, dass sie gemeinsam mit uns gegen den damit verbundenen Exodus energieintensiver Industrien aus NRW kämpfen. Sie grenzen sich dabei sehr wohltuend von den Grünen ab, die erkennbar daran arbeiten, die energie- und industriepolitischen Interessen Nordrhein-Westfalens zu verraten.

(Beifall von der FDP)

Insofern bin ich froh, dass der EU-Kommissar Piebalgs am vergangenen Donnerstag in diesem Hohen Hause, an dieser Stelle signalisiert hat, dass die EU-Kommission ihre Position noch einmal überdenkt und im Januar einen entsprechenden Bericht vorlegt.

Meine Damen und Herren, ich möchte nun noch kurz auf die Kernenergie zu sprechen kommen, die ja auch eben ein Thema war. Herr Priggen, Sie – und ebenso die SPD – tun immer so, als

wäre das kein Thema für Nordrhein-Westfalen. Sie scheinen völlig zu vernachlässigen, dass wir zum einen große, wichtige Lieferanten in Nordrhein-Westfalen haben und hier zum anderen immer noch ein Schwerpunkt von Forschung und Entwicklung ist.

In diesem Zusammenhang ist interessant, was sich heute getan hat. Insofern hätte mich ich sehr gefreut, wenn auch der Kollege Horstmann an der heutigen Debatte teilnehmen würde, denn als Abgeordneter ist der Generalbevollmächtigte von EnBW ja mit dem Luxus behaftet, Rederecht in diesem Hause zu haben; leider nutzt er es an dieser Stelle nicht. EnBW hat heute eine Verlängerung der Laufzeiten für Neckarwestheim I beantragt. Dazu hätte ich gern einmal die Position vom Kollegen Horstmann gehört. Denn sein Chef hat dazu gesagt:

„Angesichts der drohenden Klimakatastrophe darf es keine Tabus mehr geben.“

Herr Priggen, wie sollen wir ohne Kernenergie das CO2-Ziel erreichen? – Herr Präsident, ich komme zum Schluss.

Ja, darum würde ich bitten.

Ich habe noch ein weiteres interessantes Zitat:

„Wir brauchen eine Modernisierung des Atomkonsenses, mit der uns durch sicherheitstechnisch flankierte längere Laufzeiten ein Zeitfenster, ein Geldfenster und ein Forschungs- und Entwicklungsfenster geöffnet wird.“

Genau das wäre notwendig. Diese Aussage stammt im Übrigen von Herrn Claassen, dem Chef von Herrn Horstmann.

Ich komme zum Schluss. Ich würde gerne noch auf die erneuerbaren Energien zu sprechen kommen. Dazu hat Herr Kollege Weisbrich schon vieles Richtige für die Koalitionsfraktionen gesagt.

In Sachen Energieeffizienz, Herr Priggen, gibt es gute Programme vom Bund. Da muss das Land nicht alles noch einmal machen. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Brockes. – Jetzt hat Frau Ministerin Thoben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr

geehrten Damen und Herren! Herr Römer, dass Sie sich tatsächlich hier hinstellen und jemand anderem – völlig egal wem – vorwerfen, er würde alte Strukturen zementieren, ist kaum zu glauben. Merken Sie überhaupt nicht, dass da etwas ein bisschen durcheinander ist?

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Nor- bert Römer [SPD])

Nein, ich möchte das nur einmal verstehen. Sie verteidigen eine Branche – und zwar, wie ich Ihren neuesten Äußerungen entnehme, dauerhaft – gegen jede wirtschaftliche Vernunft.

Wir können heute die Kohledebatte nicht ersetzen. Aber ich möchte Ihnen noch einmal zurufen, dass wir hier eine ganz zentrale Frage für den Industriestandort Deutschland – und zwar nach mehr als 150 Jahren Industriegeschichte – diskutieren. Alle, die sich jetzt daran machen, Sachverhalte zusammenzutragen, aus denen sich ergibt, in welcher Schrittfolge und mit welchen Konsequenzen dieses geschieht, haben es zum einen wahnsinnig schwer, an die Zahlen zu kommen, und dann jemanden zu finden, der sie veröffentlicht.

Sie sagen in der öffentlichen Debatte immer, wir wären nicht nah bei den Menschen. Sprechen Sie eigentlich im Ruhrgebiet nur mit Bergleuten?

(Dietmar Brockes [FDP]: Nur mit schlechten Bergleuten!)

Haben Sie schon einmal die Frage sozialverträglicher Anpassung mit all den Menschen – einschließlich der bei Deilmann-Haniel beschäftigten, die zwar außerhalb der DSK, aber doch zu 100 % für die DSK arbeiten – besprochen? Finden Sie diese nicht? Kennen Sie die Debatte nicht, die darüber auch innerhalb der IG BCE geführt wird? Wissen Sie nicht, dass sie Haustarifverträge abzuschließen bereit sind, weil sie in einer anderen Situation als die Mitarbeiter der DSK sind?

Wenn wir darüber reden, wie nah oder fern jemand den Menschen ist, dann stellt sich mir die Frage, wie viele der Arbeitnehmer Sie denn in den Blick zu nehmen bereit sind.

(Norbert Römer [SPD]: Alle!)

Sind das nur die ganz wenigen in einer ausgesprochen privilegierten Situation? Diese haben wir gemeinsam gewollt; das bestreite ich nicht.

Aber wir suchen doch jetzt einen Weg. Eine Zeit lang habe ich geglaubt, wir wären da fast schon beieinander. Zunächst gab es ja noch nicht einmal die Bereitschaft, Ausstiegsszenarien überhaupt zu

rechnen, geschweige denn, sie zu vertreten. Damals wollte man uns auch noch diese Zahlen verweigern.

Jetzt gibt es die Szenarien und wir reden über die Schrittfolge und die Begleiterscheinungen, über das, was es kostet, und ob wir da heraus können und wollen.

(Norbert Römer [SPD]: Sie wollen heraus!)

Das ist keine Absage an die Menschen. Das wissen Sie auch genau. Und ich finde es nicht gut, wenn Sie diesen Eindruck erwecken – besonders wenn ich höre, mit welchen Argumenten Sie das tun. Ich zitiere Herrn Müntefering:

„Es wäre ein Treppenwitz, wenn wir aus der Kohle springen, wo es sich fast wieder lohnt.“

Er hat die Zahlen der DSK offenkundig auch nicht gesehen, sondern würde er nicht so reden. Es gibt überhaupt niemanden – auch nicht Institute wie das EWI, das Sie so gerne zitieren –, der eine weltweite Steinkohlepreisentwicklung voraussagt, die das, was Herr Müntefering gern hätte, auch nur annähernd bestätigt. Deshalb lassen Sie uns – ich bin gern dazu bereit, dafür auch noch weiter Geduld aufzubringen – einen ordentlichen Weg finden.

Und unterstellen Sie uns bitte nicht, wir täten alles, um die Sozialverträglichkeit zu verhindern.

(Norbert Römer [SPD]: Das ist aber Ihre Ab- sicht!)

Haben Sie die Antwort auf die Kleine Anfrage, die die alte Landesregierung Herrn Priggen gegeben hat, nicht mehr im Kopf? Es ging dabei darum, wie die Belegschaftsentwicklung war und wo die einzelnen Beschäftigten hingegangen sind. Ist Ihnen das ganz entgangen?

Ich will doch nur wissen, ob Ihnen die Tabelle 2004 – ich stelle Ihnen auch gerne die Kleine Anfrage noch einmal zur Verfügung – nicht mehr präsent ist.

Herr Priggen – und ich glaube, auch Herr Römer – haben gesagt, alles andere, wie zum Beispiel der Windenergieerlass, sei eine Enttäuschung. Haben Sie auch diesbezüglich die Sachverhalte nicht zur Kenntnis genommen? Das Repowering ist möglich. Es kann aber natürlich nur auf Flächen stattfinden, die die Gemeinde dafür ohne Höhenbegrenzung vorgesehen hat. Diese Möglichkeit hatte die Gemeinde doch. Wollen Sie nachträglich einer Gemeinde dieses Recht entziehen? Oder wie sonst darf ich Ihre Hinweise verstehen?

Wir haben nach dem Stromausfall auch keine Messung vorgenommen oder behauptet, dass es sie gäbe. Es war immerhin die Union for the Coordination of Transmission of Electricity in Europa, die nach dem Störfall genau diese Meldung abgesetzt hat. Diese haben wir zitiert.

(Norbert Römer [SPD]: Aber Sie haben sie ungeprüft übernommen!)

Was zitieren Sie denn alles? Sie zitieren sogar den Gesamtverband der Steinkohle!

Meine Damen und Herren, damit zur Kernenergie!

(Zuruf von der SPD: Das ist ein Übergang!)

Entschuldigen Sie, dass ich lachen muss. Aber die Debatte führen wir einmal an anderer Stelle.

Sie haben beklagt, dass wir Lehrstühle für Kernenergieforschung an der Universität Aachen zusammen mit Jülich neu einrichten. Sind Ihnen Tausende von Arbeitsplätzen bei Turbinenherstellern völlig gleichgültig?

(Dietmar Brockes [FDP]: Total!)

Total! Das, was ehemals KWU war und heute MAN Turbo mit völlig anderen Zulieferungen aus Nordrhein-Westfalen ist, betrifft Zigtausende Arbeitsplätze. Die scheren Sie einen Kehricht!

(Norbert Römer [SPD]: Wann wollen Sie das erste Atomkraftwerk bauen?)

Herr Römer, es gibt doch überhaupt keinen Antrag. Das wissen Sie so gut wie ich. Die alte Landesregierung hat wenigstens noch die Ehrlichkeit besessen zu sagen, dass sie gerne nach Finnland liefert. Und Sie tun jetzt so, als sei das Teufelszeug, wenn man die technische Entwicklung so weit vorantreibt, dass man international länger im Geschäft bleiben kann. Die meisten Länder um uns herum verhalten sich anders als wir. Das müssen wir wenigstens zur Kenntnis nehmen. Industriepolitisch wird es doch sonst immer so gerne vorgetragen. Zum Beispiel möchten wir doch, dass beispielsweise Windenergie eingesetzt wird. Wir exportieren 60 % und haben einen Weltmarktanteil von 50 %. Wir sagen doch: Es gibt Stellen auf der Erde, wo Windenergie höchst profitabel und vernünftig ist. Dort möchten wir doch gerne mit dabei sein. Was spricht dann bei einer anderen Technologie dagegen?