Protocol of the Session on December 20, 2006

Wir halten das für überflüssig. Das hat, wie gesagt, auch die Anhörung ergeben. Es gibt bereits zahlreiche gute Vorschläge: von der psychologischen Diagnostik bis zur Einzelunterbringung in der Nacht als gesetzlicher Norm im Jugendstrafvollzugsgesetz. Wir werden im Laufe des nächsten Jahres über einen solchen Gesetzentwurf beraten.

Als CDU/FDP-Koalition haben Sie in den Eckpunkten gerade das, was die Fachleute vorschlagen, nicht vorgesehen. Es gibt Streitschlichtungen, den Täter-Opfer-Ausgleich sowie Anti

Gewalt-Training-Vorschläge, die allesamt umgesetzt werden können. Eine Kommission behindert die zügige Umsetzung eher.

Büren als randständiger Standort – damit komme ich zu einem weiteren Punkt – ist für eine Jugendstrafvollzugsanstalt denkbar ungeeignet, ebenso wenig wie Heinsberg ein Ersatz für den Jugendstrafvollzug in der Region Düsseldorf ist. Ich habe das schon ausgeführt und kann das hier nur noch einmal deutlich unterstreichen, um Fehlentwicklungen zu verhindern.

Die 500.000 € für Büren wären besser für Fachstellen für gemeinnützige Arbeit angelegt, um Ersatzfreiheitsstrafen zu vermeiden und Haftplätze einzusparen. Überhaupt ist Büren wegen der bereits genannten Randlage kaum als JVA-Standort geeignet.

An dieser Stelle weise ich auf eine weitere drohende Fehlinvestition hin. In der offenen Justizvollzugsanstalt Attendorn soll über der Krankenabteilung ein geschlossener Zugangsbereich eingerichtet werden. Vor der geplanten Errichtung des Ersatzbaus für die geschlossene Anstalt Siegen soll allerdings der gesamte Gebäudeteil wieder verschwinden, das heißt abgerissen werden. Warum werden hier 400.000 € sozusagen verbrannt? Dieser Frage werden wir auch über diese Haushaltsberatungen hinaus weiter nachgehen.

Über die vorgesehene neue Justizvollzugsanstalt mit 500 Plätzen für den geschlossenen Vollzug werden wir noch debattieren müssen. Die Kernfrage wird sein, was Sie im Einzelnen planen und wie das zu der geplanten Justizvollzugsanstalt Ratingen in Beziehung steht. Ich habe nämlich gehört, es soll sich um ein anderes Projekt handeln. Aber das ist nicht ganz ersichtlich.

Offensichtlich ist jedoch, dass im Rheinland nicht im geschlossenen, sondern gerade im offenen Vollzug Haftplätze fehlen – und das schon seit Jahren. Das wissen alle. Wir sind da in einer Entwicklung, und es wäre gut, wenn hier ein weiterer Schritt auf diesem Wege gegangen würde. Ganz konkret wären weitere Haftplätze durch einen Umbau in der JVA Euskirchen das Mittel der Wahl.

Wir haben angesichts der Ausbildungslage in Nordrhein-Westfalen erfreut zur Kenntnis genommen, dass die Zahl der Ausbildungsplätze für Justizfachangestellte erhalten bleibt. Das sollte auch hier kurz Beachtung finden. Es gab dazu eine Kleine Anfrage, die Frau Abgeordnete RuffHändelkes gestellt hatte.

Ich komme zum Schluss. – Bei der Abstimmung über den Antrag der Grünen werden wir uns enthalten, weil kein Deckungsvorschlag erfolgt ist. Den Einzelplan 04 – das hat meine Rede gezeigt – werden wir trotz einiger Ansätze, die unsere Zustimmung finden, konsequenterweise insgesamt ablehnen müssen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sichau. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Giebels das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Jahr ist es bei den Beratungen über den Haushaltsplan 2007 trotz Beachtung der notwendigen Sparmaßnahmen in den Haushalten aller Ministerien gelungen, deutliche Schwerpunkte bei der Justiz zu setzen. Zur Entspannung der Belegungssituation in den Vollzugseinrichtungen, nicht zuletzt auch im Jugendstrafvollzug, wird in der Abschiebehaftanstalt Büren ein seit Längerem nahezu leerstehendes Hafthaus mit rund 150 Plätzen kurzfristig so umgebaut, dass es für den Strafvollzug genutzt werden kann.

Bereits in die Wege geleitet ist die Erweiterung der Jugendhaftanstalt Heinsberg, wo 240 zusätzliche Haftplätze für den Jugendstrafvollzug entstehen werden. Zudem werden die Kapazitäten im Justizvollzug ausgebaut und über die bestehenden 240 Haftplätze in Heinsberg hinaus weitere rund 500 Plätze im geschlossenen Vollzug geschaffen. Damit beseitigen wir Versäumnisse der SPD-geführten Vorgängerregierung.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Parallel hierzu werden die Personalkapazitäten im Justizvollzug um 330 Stellen ausgebaut, um den von Rot-Grün beschlossenen Stellenabbau im Vollzug zu stoppen, Herr Jäger. Den haben Sie damals eingeleitet; wir werden das beenden. Im Klartext heißt dies nämlich, dass 124 Stellen, die von der alten SPD-geführten Landesregierung kw gestellt wurden, dem Justizvollzug auf Dauer erhalten bleiben.

(Zuruf von der SPD: Sagen Sie doch bitte auch warum, Herr Giebels!)

Herr Abgeordneter Giebels, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jäger?

Nein, das gestatte ich nicht.

(Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Bei der Gelegenheit möchte ich für die CDUFraktion ausdrücklich den verantwortungsvoll tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Vollzugsdienst für ihren Einsatz, der häufig unter erheblichen Belastungen stattfindet, danken.

Diese Maßnahmen werden ganz wesentlich zur Entspannung der Belegungssituation und zu einer deutlichen Verbesserung der Personalsituation in den Vollzugseinrichtungen des Landes beitragen. Darüber hinaus werden wir als Ergebnis aus der Anhörung zu den geplanten Maßnahmen im Strafvollzug die Mittel für die Drogenberatung im Justizvollzugsdienst für den Landeshaushalt 2007 von 125.000 € auf 525.000 € erhöhen.

Mehr als die Hälfte aller Strafgefangenen – das ist nun einmal leider Tatsache – in den nordrheinwestfälischen Justizvollzugsanstalten sind entweder drogenabhängig oder konsumieren Drogen. Diesen Teufelskreis müssen wir nachhaltig durchbrechen, wollen wir das Ziel des Behandlungsvollzuges erreichen, nämlich ein künftig straffreies Leben. Außer durch die in diesem Bereich tätigen Justizvollzugsbediensteten soll dies vermehrt mithilfe externer Kräfte geschehen, und hierfür werden die Mittel bereitgestellt.

Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, sind die baulichen Investitionen im Justizbereich. Das Land investiert in erheblichem Umfang in Gerichtsgebäude. Das neue Justizzentrum Aachen, jüngst Sitzungsort des Rechtsausschusses, ist ein Modellprojekt, welches Vorbildfunktion auch für andere Standorte in NRW entwickeln kann. Wir freuen uns, dass endlich das Amtsgerichtsgebäude in Mettmann gebaut werden kann und ein Neubau für das Amtsgericht/Landgericht Düsseldorf konkret wird.

Doch das Land investiert nicht nur in Gerichtsgebäude, sondern auch in Justizvollzugsanstalten. Zu nennen sind hier die neuen Einrichtungen für den Jugendarrest, zum Beispiel in Düsseldorf und Remscheid. Darüber hinaus besteht seit der am gestrigen Abend stattgefundenen Sitzung des Ratinger Stadtrates Einvernehmen zwischen dem Land und der Stadt Ratingen, dass dort eine neue Justizvollzugsanstalt errichtet wird als Ersatzbau für das Düsseldorfer Gefängnis Ulmer Höh sowie die Zweiganstalten der Justizvollzugsanstalt Duisburg-Hamborn in Duisburg und Oberhausen. Das, meine Damen und Herren, ist eine gute Nachricht für die Region Rhein-Ruhr und den nordrheinwestfälischen Vollzug.

Des Weiteren überprüft die Landesregierung aktuell die vorhandene Struktur der zurzeit 130 Amtsgerichte in Nordrhein-Westfalen. Eine Botschaft an dieser Stelle ganz klar vorab: Die nordrhein-westfälische Justiz wird sich nicht aus der Fläche zurückziehen. Es wird auch künftig für alle Rechtsuchenden und Prozessbeteiligten Amtsgerichte in zumutbarer Entfernung geben.

(Frank Sichau [SPD]: Was heißt „zumut- bar“?)

Allerdings ist es richtig, die Standorte zu prüfen, wo es zwei oder gar drei Amtsgerichte in einer Stadt gibt. In manchen Großstädten gibt es Amtsgerichte, deren Sprengel oftmals Straßen durchschneiden, und man muss an der jeweiligen Hausnummer erst einmal feststellen, ob das eine oder eventuell das andere Amtsgericht zuständig ist.

(Frank Sichau [SPD]: Was ist daran schlimm? Das ist doch normal!)

Vergleichen Sie, Herr Kollege Sichau, dies doch mit der Situation in einer anderen Großstadt oder noch größeren Städten. Nehmen Sie Köln als Beispiel. Die größte Stadt in Nordrhein-Westfalen hat über 1 Million Einwohner. Sie hat 500 Quadratkilometer Siedlungsfläche und nur – ich betone das – ein einziges Amtsgericht. Und niemand wird allen Ernstes behaupten können,

(Frank Sichau [SPD]: Also künftig ein Amts- gericht für 1 Million Einwohner?)

dass dies unzumutbar ist. Es funktioniert; dies kann ich aus meiner anwaltlichen Erfahrung bestätigen.

(Thomas Stotko [SPD]: Waren Sie schon einmal in Köln?)

Und wenn es dort funktioniert, wird es erst recht in deutlich kleineren Großstädten mit weit unter 1 Million Einwohnern, mit kleineren Einzugsbereichen und kürzeren Entfernungen mit jeweils einem Amtsgericht auch funktionieren.

(Beifall von CDU und FDP – Thomas Stotko [SPD]: Ist das eine Beerdigung auf Raten?)

Den Auslagenerstattungen für Rechtssachen im Landeshaushalt gebührt ebenfalls ein besonderes Augenmerk. Während sich der diesbezügliche Haushaltsansatz im Jahre 2006 auf einen Betrag in Höhe von 290 Millionen € belief, ist dieser Ansatz für das Haushaltsjahr 2007 auf einen Betrag in Höhe von über 352 Millionen € angesetzt worden. Das sind über 62 Millionen € oder fast 22 % mehr als im Vorjahresentwurf.

Angesichts dieser Zahlen wird die Notwendigkeit einer Überprüfung der Regelungen über die Erstattung von Auslagen in Rechtssachen, zu denen auch die Prozesskostenhilfe gehört, deutlich. Daher ist es richtig, dass sich die nordrheinwestfälische Landesregierung auf Bundesebene für eine Veränderung der rechtlichen Grundlagen in diesem Bereich einsetzt. Grundkonsens hierbei ist jedoch, dass auch zukünftig jedem Bürger notwendiger Rechtsschutz möglich sein soll.

Dieser Ansatz von 352 Millionen € bedarf umso mehr des Augenmerks, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Gesamtvolumen des Einzelplans Justiz 3,2 Milliarden € beträgt. Die Auslagen in Rechtssachen machen also mehr als 10 % des Einzelplanes aus. Mit Blick darauf, dass große Teile des Justizetats zum Beispiel durch Personalausgaben gebunden sind, ist es daher angezeigt, diese Ausgabenposition einer Prüfung zu unterziehen, aber auch insgesamt das Ziel zu verfolgen, den Justizhaushalt so zu bewirtschaften, dass wir effektiven Rechtschutz, einen funktionierenden Vollzug und insgesamt eine leistungsfähige Justiz in Nordrhein-Westfalen ermöglichen.

Dies gewährleistet der uns heute zur Abstimmung vorliegende Einzelplan der Justizministerin, dem wir gerne zustimmen und dem Sie auch gerne zustimmen wollen, dies aber offensichtlich nicht dürfen. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP – Lachen von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Giebels. – Jetzt hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Dr. Seidl das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Giebels, es ist doch scheinheilig, was Sie heute als Aufstockung im Justizhaushalt verkauft haben.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es ist doch scheinheilig, so zu tun, als wenn Sie jemals an eine Erhöhung gedacht hätten, als wir im Rechtsausschuss über den Haushalt diskutiert haben.

Wenn wir uns heute mit dem Justizhaushalt, insbesondere mit dieser zweiten Ergänzungsvorlage beschäftigen, dann steht doch immer noch die Frage im Raum: Warum musste erst ein 20jähriger junger Mann unter unvorstellbar grausamen Umständen sterben, damit Sie jetzt handeln?

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es stellt sich auch die Frage, ob das von Ihnen in einer schnellen, um nicht zu sagen, in einer hektischen Reaktion geschnürte Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Situation im Strafvollzug geeignet ist, ein Klima zu schaffen, in dem soziale Integration tatsächlich stattfinden kann.

Wenn wir uns vor Augen halten, dass der Jugendstraffvollzug in Deutschland eine Rückfallquote von 78 % produziert, dann reicht eine Aufstockung des Wachpersonals am Wochenende in der Justizvollzugsanstalt Siegburg sicherlich nicht aus.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Statt eines Ombudsmannes – das hat Herr Kollege Sichau auch schon gesagt – brauchen wir lokale Instrumente zur Stärkung von Schlichtungsprozessen und Anstaltsbeiräten. Und statt einer von der Regierung eingesetzten Kommission zur Überprüfung von Sicherheitsmängeln muss doch der Jugendstrafvollzug, wenn wir etwas verändern wollen, komplett umgekrempelt werden. Wir brauchen mehr Therapeuten und mehr Sozialarbeiter für einen auf Erziehung und Besserung ausgerichteten Vollzug, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von Barbara Steffens [GRÜNE])