Protocol of the Session on December 7, 2006

Deshalb treffen Sie auf unseren erbitterten Widerstand.

Sie werden in diesem Land kein Beispiel für ein Unternehmen finden, das wegen der Betonköpfigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder ihrer Gewerkschaften in die Pleite getrieben worden ist. Sie finden aber gerade in NordrheinWestfalen, aber auch überall im Lande zuhauf Beispiele für Nieten in Nadelstreifen und für Hedgefonds, die die Unternehmen aussaugen.

(Beifall von der SPD)

Sie, meine Damen und Herren von der CDU, und Sie, Herr Minister, Sie könnten die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften stärken, wenn Sie in Nordrhein-Westfalen eine Arbeitsmarktpolitik betreiben würden, die die Arbeitslosigkeit weiter senken würde.

(Minister Karl-Josef Laumann: Das machen wir ja auch!)

Dazu will ich Ihnen einige konkrete Beispiele nicht schuldig bleiben. Die Mittel der Arbeitsgemeinschaft, um die Menschen zu qualifizieren – das ist angesprochen worden –, werden nicht ausgeschöpft. Sie sind 2005 nicht ausgeschöpft worden, und sie werden 2006 nicht ausgeschöpft. Von den ca. 1,1 Milliarden € für 2006, Herr Minister, sind bis zum 31. Oktober dieses Jahres 47,2 % in Nordrhein-Westfalen abgerechnet worden. Nur Hessen toppt uns noch, die sind noch 0,6 % schlechter. Diesen Tatbestand beklagen wir gemeinsam; denn diese Gelder stehen den Langzeitarbeitslosen in diesem Lande zu. Sie werden sozusagen treuhänderisch verwaltet, und ich stelle fest: schlecht verwaltet, schlecht für die Langzeitarbeitslosen, weil ihnen Chancen und Perspektiven vorenthalten werden. Das ist die Gemeinsamkeit.

Jetzt kommt das Trennende, für das Sie die Verantwortung tragen. Erkannt haben Sie dieses 2005 und 2006. Eine Unterstützung haben aber insbesondere die Arbeitsgemeinschaften von Ihnen nicht erfahren. Sie sind nur gemaßregelt, an den Pranger gestellt worden. Kooperation, Hilfe, eine Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe sind aber nicht Ihr Ding gewesen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Dreimal haben wir im zuständigen Fachausschuss unter Einbeziehung der Argen diese Fragestellung erörtert. Die Argen haben gefordert: Lassen Sie uns gemeinsam die Arbeitsmarktprogramme des Landes, die Verwendung der ESF-Mittel, der Mittel, die den Argen zur Verfügung stehen, abstimmen, damit die Programme für alle greifen. Auf

dieses Angebot sind Sie nicht eingegangen; Sie haben es quasi ausgeschlagen.

Mit dem kurzfristigen Stopp der ESF-Mittel tragen Sie unmittelbar Verantwortung dafür, dass die Arbeitsgemeinschaften den Teil ihrer Mittel, der für diese Projekte reserviert war, nicht ausgeben können.

Im Übrigen ist Ihnen relativ spät aufgegangen, dass von dem Stopp der ESF-Maßnahmen auch einige Maßnahmen betroffen waren, nämlich die Umsetzung des Kombilohns, die Sie sich insbesondere auf Ihre Fahnen geschrieben haben. Originäre Punkte der Landespolitik haben Sie durch den Stopp der ESF-Maßnahmen behindert.

Eine letzte Bemerkung: Sie, die CDU, haben die Arbeitsgemeinschaft nie akzeptiert – wie in Hessen. Sie haben lange gebraucht, den Kompromiss, an dem Sie beteiligt waren – das ist auch ein Bestandteil Ihres CDU-Parteitagsbeschlusses –, endlich zu akzeptieren. Aber einige reden immer noch von Generalrevision. Sie haben 18 Monate gebraucht, um mit den Arbeitsgemeinschaften eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu erreichen – eine lange Zeit, eine verlorene Zeit, insbesondere für die Langzeitarbeitslosen.

Zwei Dinge können Sie tun:

Erstens. Sie können dafür sorgen, Herr Minister, dass die in Nordrhein-Westfalen nicht verausgabten Mittel für 2006 auf das nächste Jahr übertragen werden.

(Beifall von der SPD)

Das ist eine konkrete Aufgabe, deren Erfüllung diese Landesregierung mittels einer Initiative im Bundesrat steuern kann.

Zweitens. Beim nächsten Punkt habe ich wenig Hoffnung. Wie Sie mit Personalvertretungen umgehen, ist beim Landespersonalvertretungsgesetz deutlich geworden. Das ist nicht die Beteiligung der Beschäftigten auf gleicher Augenhöhe. Von daher erhält Müntefering auch keine Antwort auf sein Schreiben mit der Bitte, in den Arbeitsgemeinschaften gemeinsam Personalräte wählen zu können, weil Sie auf einem anderen Dampfer sind. Auch Abgeordnete dieses Landtags bekommen in einer Sitzung des Innenausschusses auf diese Fragestellung auch nach über einem Monat immer noch keine Antwort. Herr Minister, auch das wäre ein Teil Ihrer Aufgabe.

Nicht auf den Mund sollt Ihr schauen, sondern auf die Hände, sagte August Bebel. Daran werden wir Sie messen. – Danke schön.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Garbrecht. – Für die CDU spricht der Abgeordnete Henke.

Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gesagt worden: Wir müssen diese Debatte zweiteilen. Das eine Thema ist die Intention der SPD, die Agenda 2010 und ihre Urautoren heilig zu sprechen, für sie Kränze zu flechten und der gleichen Intention zu folgen, die manche Buchautoren haben, die die Interpretationshoheit für die Agenda 2010 anstreben. – Das ist das eine Thema, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Dazu komme ich gleich.

Das zweite Thema ist die Frage, wie es im Lande aussieht. In der Tat haben wir bei den Langzeitarbeitslosen besondere Probleme. Aber die Langzeitarbeitslosigkeit baut sich in NordrheinWestfalen in gleichem Maße wie die Arbeitslosigkeit insgesamt ab.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Nein!)

Minister Laumann hat darauf hingewiesen, dass sogar der Anteil der Langzeitarbeitslosen, Frau Steffens, etwas abgenommen und nicht zugenommen hat. Lesen Sie die Statistik der Regionalagentur für Arbeit für November 2006! Dann haben Sie die Fakten sortiert und klar.

Wahr ist natürlich auch, dass es ein Ausdruck von Spaltung ist, Herr Schmeltzer, wenn wir uns darüber freuen, dass im Jahresvergleich der Rückgang bei den jungen Arbeitslosen, bei den Jugendlichen bei 18 % liegt, Sie aber sagen: Ihr konzentriert euch auf die Verhütung der Arbeitslosigkeit bei jungen Menschen, und damit steht ihr bei den alten Menschen schlecht in der Kreide.

(Beifall von CDU und FDP)

Das ist nicht in Ordnung.

Frau Steffens, Sie wissen ganz genau, dass die Verhütung des Abkoppelns von der Bildung – Eröffnen von alternativen Bildungswegen, Qualifikationsmöglichkeiten, die Debatte, die unser Arbeitsminister über das Thema Werkstattjahr, über die Frage der dritten Qualifikation in der beruflichen Bildung angestoßen hat –, absolut präventiv gegen Langzeitarbeitslosigkeit wirkt. Denn wir alle haben auch aus dem vor wenigen Tagen erschie

nenen Armutsbericht gelernt, wie wichtig der Zugang zur Arbeit für die Prävention von Armut ist und wie wichtig eine Qualifikation ist, um Armut zu verhindern.

Deswegen sind das Nein der SPD zu den strukturellen Reformen etwa bei dem neuen Schulgesetz, Ihr Nein zu dem Thema Hochschulfreiheitsgesetz,

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das Schulge- setz verschärft die soziale Spaltung!)

Ihr Nein und Ihre Verweigerung bei den Fragen der Haushaltskonsolidierung alles Instrumente, anhand derer Sie sich der Verantwortung verweigern und eine Politik nicht stützen, die der Prävention dient.

(Beifall von der CDU)

Sie fordern ein Instrument ein – vor allen Dingen Frau Steffens hat es getan –, das besonders die Langzeitarbeitslosen, die Geringqualifizierten auch im höheren Alter in den Blick nimmt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt lassen Sie mal die Tassen im Schrank. Machen Sie sich klar: Wer hat den Impuls für den Kombilohn NRW gesetzt? Wer hat das Modell für die besonders problematische Situation der langzeitarbeitslosen Menschen ausgearbeitet? – Das MAGS NRW hat ein Kombilohnmodell entwickelt, das sich genau auf diese Zielgruppen konzentriert.

Wer ist dabei in die Parade gefahren? – Der von Ihnen, Herr Schmeltzer, eingangs gefeierte Bundesarbeitsminister. Sie fabrizieren hier kleinkariertes parteipolitisches Gezänk. Das wird der Verantwortung nicht gerecht. Deswegen muss man an der Stelle sagen: Ich habe das Gefühl, dass Sie manche Punkte, auch was die konkrete Kritik hinsichtlich der Aktionen in Nordrhein-Westfalen betrifft, parteipolitisch angehen und der Verantwortung nicht gewachsen sind.

Lassen Sie mich noch ein paar Worte zu der Heiligsprechung der Agenda 2010 sagen: Ja, es gibt eine Trendwende am Arbeitsmarkt. Ja, das ist ein Grund zur Freude und Ansporn für weitere Anstrengungen. Aber anstatt weitere Anstrengungen zu unternehmen und sich darüber zu freuen, gehen Sie auf die Suche nach der parteipolitischen Profilierung.

(Martin Börschel [SPD]: Sprechen Sie zu Herrn Rüttgers oder zu wem?)

Sie versuchen – das findet man in zahlreichen Presseerklärungen der SPD und auch in dem eben erwähnten Buch –, die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt parteipolitisch umzudeuten.

Ich habe ein weiteres Beispiel dafür: Der SPDGeneralsekretär bedankt sich nicht bei Angela Merkel, sondern bei ihrem Vorgänger für die Entwicklung am Arbeitsmarkt. Auch die SPD-Fraktion hier sagt schon in der Antragstellung für diese Aktuelle Stunde: Die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 greifen. Das muss man noch einmal Revue passieren lassen; denn die blanke Illusion der Agenda 2010, die Illusion, dass die HartzGesetzgebung in ihrer gesamten Kaskade von I bis IV der Grund dafür wäre, aus der Arbeitslosigkeit in Deutschland herauszukommen, ist der Kernirrtum, ist die Lebenslüge Ihrer rot-grünen Politik in den sieben Jahren, in denen Sie Verantwortung im Bund hatten.

(Beifall von der CDU)

Das ist Ihre Lebenslüge,

(Martin Börschel [SPD]: Beschäftigen Sie sich doch lieber mit Ihren eigenen Lebenslü- gen!)

weil Sie der Politik gefolgt sind, dass es allein durch eine Verbesserung der Vermittlungsinstrumente, allein dadurch, dass man – zu einem großen Teil jedenfalls – sicher notwendige Organisationsreformen in der Bundesagentur für Arbeit macht – wir haben mit Mühe dort hineinverhandelt, dass wenigstens die Optionskommunen einen kommunalen Raum bekommen –, dass es allein durch diese Instrumente möglich wäre, die Probleme am Arbeitsmarkt zu lösen und die Arbeitslosigkeit zu halbieren.

Diesem Irrtum leisten Sie dadurch Vorschub, dass Sie jetzt erklären: Es ist die Agenda 2010, die greift. In Wahrheit entwickelt sich der Arbeitsmarkt seit dem Eintritt der Union in die Bundesregierung anders, weil man zu neuen Hoffnungen bei den strukturellen Entscheidungen kommt, weil wir in der Frage der Steuerpolitik eine Unternehmenssteuerreform in Aussicht stellen und weil wir bei der Frage der sozialen Sicherung – Gesundheit ist ein Riesenproblem, und man sieht, wie schwierig es ist – und der Haushaltskonsolidierung vorankommen.

Die strukturellen Reformen sind der eigentliche Ansatz dafür, die Arbeitslosigkeit zurückzuführen. Deswegen ist das, was Sie machen, eine Irreführung der Menschen. Das muss beendet werden. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Kollege Henke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Steffens.

Herr Henke, in die Irre führen nach wie vor Sie die Menschen, indem Sie hier weiterhin mit gespaltener Zunge reden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Für alles, was finanzpolitisch schlecht ist, sind immer noch wir verantwortlich, für alles, was gut läuft, meinen Sie, Sie wären verantwortlich. So geht das nicht. Sie sind in der Gesamtverantwortung