Protocol of the Session on November 15, 2006

Es ist ein Gesetz, das weitergeht und mehr Standards für die Beschäftigten, aber auch für die Verbraucher/innen abbaut als in allen anderen Bundesländern. Da sind alle anderen CDUBeteiligungen in Regierungen weitaus klarer und deutlicher.

Sie gehen weiter und bringen diesen Gesetzentwurf in einem Tempo durch das Parlament – um ihn so schnell wie möglich in Kraft zu setzen –, das es vielen Verbänden – das haben wir in der Anhörung gehört – nicht einmal ermöglicht hat, Beschlüsse zu fassen, geschweige denn das Gesetz in seinen Auswirkungen intensiv zu diskutieren. Trotzdem war übereinstimmend eine Ablehnung dieses Gesetzentwurfs in der Anhörung von allen Anzuhörenden wahrzunehmen. Es gab wenig Stimmen, die gesagt haben, sie wollten es trotzdem.

Was ich bei der CDU überhaupt nicht verstehe, ist, dass aus dieser Anhörung mit diesen qualifizierten Redebeiträgen nur die Änderungsanträge herauskommen, die jetzt auf dem Tisch liegen, und keine anderen. Wir haben in der Anhörung klar gehört, dass die kleinen und mittleren Unternehmen, die Sie sich angeblich immer auf die Fahne schreiben, von dem Gesetz keineswegs gefördert werden, nicht davon profitieren, dass das Gesetz in seinen Auswirkungen nicht einmal neutral für sie ist. Die inhabergeführten Unternehmen, deren Vertreter hier waren, haben klar gesagt: Für uns ist das das Aus.

(Beifall von den GRÜNEN)

Für sie ist klar, dass dieses Gesetz zu einer Konzentration für die großen Ketten führt und Ihr Klientel, nämlich die kleinen und mittleren Unternehmen, zerstört. Es folgt ein Konzentrationsprozess, eine Umverteilung. Das haben sogar die Verbandsvertreter gesagt. Es ist nicht ein wirtschaftliches Plus, sondern eine Umverteilung von den Großen zu den Kleinen.

Dabei applaudieren Sie und sagen, das sei richtig so. Das kann nicht sein. Es ist, wie schon gesagt, für die Wirtschaftspolitik in diesem Lande mehr als kontraproduktiv. Aber auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher, die den Fachhandel schätzen und ihn wollen, ist das ein Gesetz, das mehr Nachteile als Vorteile bringen wird. Vorteile, die dieses Gesetz brächte, sehe ich im Übrigen – ich habe es in der Anhörung schon gesagt – überhaupt nicht.

Zu den Auswirkungen auf die Beschäftigten haben wir gerade viel vom Kollegen Schmeltzer gehört. Den Arbeitsschutz lassen Sie lapidar mit der Begründung hinten runter fallen, dass es dafür andere Gesetze gebe. Diskutieren Sie doch nicht nur mit den Bayern, sondern auch mit den BadenWürttembergern und mit den anderen CDUFraktionen. Die sehen das anders und sagen: Das, was die in NRW machen, ist hanebüchen. Wir brauchen ein Arbeitsschutzgesetz. – In den

anderen Ländern machen die das. Warum stimmen Sie nicht Ihrem CDU-Gesetz aus BadenWürttemberg zu, das wir Ihnen heute als Änderungsantrag vorlegen? Warum setzen Sie sich damit nicht einmal inhaltlich auseinander?

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Der Gesetzentwurf ist familien- und kirchenfeindlich. Dass wir als Grüne Ihnen als Partei mit dem „C“ erklären müssen, was die Kirchen wollen und was im Interesse der Kirchen liegt, ist ein bisschen schräg.

(Zustimmung von Rainer Schmeltzer [SPD])

Ich glaube aber, mittlerweile stehen wir den Werten, die die Kirchen vertreten, näher als Sie:

(Beifall von den GRÜNEN – Lachen von der FDP)

Schutz der Familie, Schutz der Feiertage, Schutz der Sonntagsruhe. Zu Ihrem Redebeitrag, in dem Sie sagten, im Gesetz stehe, dass die Beschäftigten um 24 Uhr aufhören müssten zu arbeiten, kann ich nur sagen: Ihre Lebensrealität hat nichts mit derjenigen der Beschäftigten im Einzelhandel zu tun,

(Zustimmung von Rainer Schmeltzer [SPD])

denn es ist natürlich keine Arbeitszeit, wenn sie sich umziehen und aufräumen. Das bekommen sie heute schon nicht mehr bezahlt. Das müssen sie von 0 Uhr bis 2 Uhr sozusagen noch ehrenamtlich im Unternehmen machen, damit sie ihren Job behalten. Sie sagen: Damit ist der Sonntag geschützt. – Das halte ich für mehr als zynisch.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich finde, Sie sollten sich einmal von den Kirchen erklären und zeigen lassen, wie die Lebensrealität der Menschen aussieht. Wer hat heute noch gesagt, wir Grünen seien weit weg von den Menschen in diesem Land? – Ich glaube, die CDU ist weit weg von den Menschen und von ihrer Basis. Das sehen wir heute ganz deutlich. Das haben wir auch im gesamten Gesetzgebungsverfahren gesehen.

Auch die Kommunen, die von Ihnen oft politisch vertreten werden, sagen: Wir haben keine Kostenfolgeabschätzung. Eine Ausweitung bis 24 Uhr wollen wir gar nicht; 22 Uhr würde ausreichen. – Auch darauf gehen Sie überhaupt nicht ein.

(Lachen von Ministerin Christa Thoben)

Sie wischen das vom Tisch und negieren das – so wie Sie auch bei der Einbringung des Gesetzent

wurfes negiert haben, dass er bezogen auf den Sonntagsschutz mehr als nur Mängel hat.

(Rudolf Henke [CDU]: Man kann ja um 22 Uhr aufhören! Das ist kein Zwang! – Ralf Witzel [FDP]: Das haben die nicht verstan- den! – Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Mängel hat es immer noch. Sie haben jetzt versucht, einen Teil zu reparieren. Aber vieles ist immer noch nicht repariert. Beim Sonntagsschutz ist die Formulierung, die Sie über eine Änderung hineinschreiben werden, kein wirklicher und tatsächlicher Schutz des Sonntags.

Ich kann nur sagen: Man sollte einen Schlussstrich unter die Debatte ziehen. Sie haben ein Gesetz vorgelegt, das für die Menschen in diesem Land fatale Auswirkungen haben wird. Sie sagen, wir würden den Untergang des Abendlandes proklamieren. – Nein, es ist nicht der Untergang des Abendlandes, es ist der Einstieg in den Ausstieg der kleinen und mittleren Unternehmen im Einzelhandel, es ist der Einstieg in eine Kostenspirale für die Kommunen beim Ausbau des ÖPNV, es ist der Abbau der Rechte der Arbeitnehmerinnen und des Arbeitsschutzes, es ist eine Sicherheitsgefährdung für die Beschäftigten und es ist für die Verbraucherinnen und Verbraucher ein Minus an qualitativer Auswahl.

(Ralf Witzel [FDP]: Das sind Ihre Fantasien!)

Deswegen werden wir das Gesetz ablehnen. Wir werden Ihnen aber trotzdem ermöglichen, Ihr Gesetz noch einmal zu verbessern. Deshalb haben wir Ihnen eine Reihe von Änderungsanschlägen

(Lautes Lachen von der FDP)

von Änderungsvorschlägen gemacht. Vielleicht sind es auch Änderungsanschläge auf Sie – zumindest auf Ihren Intellekt, der vielleicht noch in Resten vorhanden ist und mit dem Sie sich doch einmal mit dem Thema auseinandersetzen können.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Ralf Witzel [FDP]: Die grünen Anschläge!)

Wir legen Ihnen die Änderungsanträge vor, damit Sie sich damit noch einmal beschäftigen können. Gehen Sie bis morgen noch einmal in sich. Tun Sie noch einmal Buße und unterhalten Sie sich noch einmal mit den Kirchenvertretern, was die Menschen in diesem Land eigentlich von Ihnen erwarten. Das ist etwas anderes als das, was Sie uns hier vorlegen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Steffens. – Für die FDP-Fraktion erhält der Abgeordnete Brockes das Wort.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ist doch be- stimmt schon in einer Presseerklärung nach- zulesen!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen ist das erste Bundesland, in dem die Ladenöffnungszeiten von Montag bis Samstag freigegeben werden.

(Beifall von der FDP)

In Berlin sind die parlamentarischen Beratungen zwar bereits abgeschlossen; aber dort wird das Gesetz voraussichtlich erst am 23. November in Kraft treten. Meine Damen und Herren, NordrheinWestfalen wird noch ein wenig schneller sein. Daran werden auch Sie mit der morgigen dritten Lesung des Gesetzes nichts mehr ändern können. Wir werden dieses Gesetz bereits am 21. November in Kraft setzen.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Dass dies möglich geworden ist, verdanken wir insbesondere der Wirtschaftsministerin Thoben und ihrem Haus. Dafür, Frau Ministerin, möchte ich Ihnen im Namen unserer Fraktion ganz herzlich danken.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie haben sich letztes Mal schon bedankt!)

Sie haben den Gesetzentwurf sehr zügig vorgelegt. Nur dadurch war es möglich, dass wir hier so vorankommen konnten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, das Ladenöffnungsgesetz hat für die Politik der neuen Landesregierung Symbolcharakter. Nordrhein-Westfalen steht beim Abbau von Bürokratie und überflüssigen Regulierungen bundesweit an der Spitze der Bewegung. Unter Rot-Grün musste das Land immer nur hinterherlaufen und hat dadurch den Anschluss an die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland verloren. Die Koalition der Erneuerung hat Vertrauen in die Menschen. Wir sind davon überzeugt, dass die Kunden und Einzelhändler, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber sehr verantwortungsbewusst mit den neuen Freiheiten umgehen werden.

(Beifall von der FDP)

Im Gegensatz dazu steht bei rot-grüner Politik das Misstrauen gegenüber Bürgern und Unternehmen an erster Stelle. Dies wird gerade durch Ihren Ent

schließungsantrag, lieber Kollege Schmeltzer, deutlich. Auch dort stellen Sie es so dar, als würde Nordrhein-Westfalen am kommenden Dienstag untergehen. Sie reden von Arbeitnehmerfeindlichkeit, von Frauenfeindlichkeit, von Familienfeindlichkeit, von Mittelstandsfeindlichkeit, von Verbraucherfeindlichkeit. Im gleichen Atemzug legen Sie hier einen Änderungsantrag vor, der …

(Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD])

Ich kann im Gegenzug zu Ihnen vermutlich lesen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wir können alle lesen! Deshalb haben wir Ihr Gesetz auf- merksam gelesen!)

Darin steht: Fünf mal 24 plus 20 Stunden am Samstag.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Lesen Sie den Entschließungsantrag zu Ende!)