Protocol of the Session on September 28, 2006

Ein Schwerpunkt unseres Antrags liegt daher in der Bildung lokaler Netzwerke für ein gesundes Aufwachsen unserer Kinder. Ich bin auch sicher, dass die neuen Familienzentren einen zentralen Beitrag leisten werden,

(Beifall von der FDP)

wenngleich – das stimmt – nicht alle Kinder dort landen, sondern einige durch das Netz fallen werden.

Auch wenn wir die gesamtgesellschaftliche Aufgabe des Kinderschutzes nicht alleine den Ärzten aufbürden können, so sind sie doch wichtige Partner, die die Anzeichen von Gewalt und Vernachlässigung erkennen.

Aber schauen wir eben nicht immer nur auf die Extremfälle. Mediziner sehen, ob ein Kind gesund

aufwächst. Bei vielen Krankheiten, vitaminarmer Ernährung und Bewegungsmangel könnten Ärzte frühzeitiger gegensteuern, wenn Kinder erst einmal zu diesen Ärzten kommen könnten.

Deshalb ist die regelmäßige ärztliche Untersuchung für Kinder und Jugendliche besonders wichtig. Aus diesem Grunde wollen wir prüfen, wie wir die Teilnahmequote – besonders bei den späteren Untersuchungen – steigern und die Wahrnehmung der Arzttermine verbindlicher ausgestalten können.

Ein weiterer Aspekt ist, wie wir den Abstand zwischen U7 und U8 verringern können, um so Fehlentwicklungen gerade sprachlicher Art abwehren zu können.

Ich möchte es noch einmal betonen: Kinderschutz und Kindergesundheit liegen in unser aller Verantwortung. Das ist nicht nur ein Kinder- oder Gesundheitsthema, sondern ein gesamtgesellschaftliches Thema. Das zeigt nicht nur die aktuelle Studie zur Kindergesundheit, sondern das zeigen auch andere Untersuchungen: Mangelnde Gesundheit von Kindern ist oft im Zusammenhang mit Armut von Eltern zu sehen, was sich häufig – das hat Pisa gezeigt – in geringeren Bildungschancen und anschließend geringeren Chancen auf dem Arbeitsmarkt niederschlägt.

Diesen Kreislauf wollen und sollten wir gemeinsam durchbrechen.

(Beifall von der FDP)

Unser gemeinsamer Antrag ist auf diesem Weg ein wichtiger Schritt und wird durch andere Maßnahmen – Familienzentren, verbindliche Sprachförderung, Verankerung des Prinzips der individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern im Schulgesetz – ergänzt.

Es geht aber auch um die Verantwortung der Eltern. Eltern tragen immer noch primär die Verantwortung. Wir sollten darauf hinwirken, die Verantwortung der Eltern weiter zu stärken. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank. – Für die Landesregierung spricht jetzt der zuständige Minister, Herr Laschet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manche Kinder sind Opfer ihrer eigenen Eltern. Sie werden vernachlässigt oder gar gequält, können sich selten dage

gen wehren. Regelmäßig machen Fälle wie der Tod der siebenjährigen Jessica, die im vergangenen Jahr verhungert in der elterlichen Wohnung aufgefunden wurde, Schlagzeilen. Das sind die großen Schlagzeilen. Aber auch jede Vernachlässigung von Kindern, auch wenn sie nicht durch Misshandlung durch die eigenen Eltern zu Tode kommen, ist ein Gewaltakt zu viel.

Deshalb begrüßt die Landesregierung den gemeinsamen Antrag aller Fraktionen. Denn wenn es um das Wohl von Kindern geht, darf es keine Parteigrenzen geben.

Für die Landesregierung ist es ein zentrales Anliegen, Kinder und Jugendliche vor Vernachlässigung, Misshandlung und Gewalt zu schützen. Wir werden daher alles Erdenkliche tun, um die Lebens- und Entwicklungschancen für alle Kinder und Jugendlichen in unserem Land zu verbessern.

Eines steht fest – die Redner haben das in mehreren Beiträgen noch einmal deutlich unterstrichen -: Die erste Erziehungsverantwortung liegt bei den Eltern. Wenn wir uns umsehen, stellen wir fest, dass die überwiegende Mehrheit der Mütter und Väter dieser Verantwortung gerecht wird. Wenn man den Blick auf die Vernachlässigungen lenkt, darf das nicht die Sicht darauf verstellen, dass viele Eltern genau dieser Verantwortung gerecht werden.

Aber die aktuelle Shell-Studie sagt auch, dass insgesamt 15 % der Elternhäuser definitiv überfordert sind. Hier muss die Politik das Wächteramt zum Wohle der Kinder wahrnehmen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Kinder vernachlässigt werden und Verwahrlosung oder Misshandlungen ausgesetzt sind.

Ich denke, die Früherkennung ist etwas, wie heute auch von den Rednern beschrieben, sehr Wichtiges. Es gibt zum Beispiel ein sehr vorbildliches Projekt in Gütersloh, das wir, Frau Kollegin Doppmeier, einmal gemeinsam besucht haben, bei dem man sieht, wie eine ganze Region für sich Konzepte entwickelt hat, wie Früherkennung möglich ist. Die Stadt Dormagen macht etwas Ähnliches: Sie übergibt jedem Neugeborenen ein Begrüßungspaket. Ein Mitarbeiter der Stadt besucht die Familie und stellt einen ersten Kontakt her. Vielleicht ist es der letzte Kontakt dieser Art des Kindes mit Behörden. Aber vielleicht wird die Behörde so eher darauf aufmerksam, wenn es Vernachlässigung geben könnte. Ich denke, dass wir solche Initiativen noch in vielen weiteren Städten benötigen.

(Unruhe)

Die Früherkennungsuntersuchungen sind ebenfalls ein unbestritten wichtiges Instrument, wenn es darum geht, Gesundheitsgefährdungen und Erkrankungsrisiken rechtzeitig zu erkennen und erfolgreich dagegen anzugehen. Die Untersuchungen U1 bis U7 werden von fast allen Eltern wahrgenommen. Bei den Untersuchungen im Vorschulalter besteht hingegen dringender Handlungsbedarf. Denn im Schnitt nehmen nur noch 82 % der Kinder an der U8 und 79 % an der U9 teil. Diese Quote ist alles andere als befriedigend.

Deshalb haben Nordrhein-Westfalen und Hamburg im Bundesrat gemeinsam für ein Mehr an Verbindlichkeit bei den Früherkennungsuntersuchungen gekämpft. Mit Beschluss vom 19. Mai 2006 hat der Bundesrat nach intensiven Beratungen die Bundesregierung aufgefordert, unter Ausschöpfung des verfassungsrechtlichen Rahmens die notwendigen Grundlagen für eine höhere Verbindlichkeit zu schaffen.

(Unruhe)

Unsere Zielsetzung ist es nicht, Eltern zu bevormunden oder neue Bürokratien zu schaffen. Ein Gesetz, das eine höhere Verbindlichkeit vorschreibt, würde zwar in die Entscheidungsfreiheit der Eltern eingreifen, aber es ist kein Selbstzweck. Deshalb ist diese Abwägung zwischen den Rechten der Eltern und dem Wohl des Kindes etwas ganz Entscheidendes.

Kollegin Asch hat die Modellprojekte „Soziales Frühwarnsystem – Frühe Hilfe für Familien“ erwähnt, in denen die notwendigen Strukturen bereitgestellt werden, um problematische Situationen von Familien rechtzeitig zu erkennen. Mit Hilfe einer Servicestelle, die die Entwicklung kommunaler Netzwerke unterstützt, konnten bereits über 30 soziale Frühwarnsysteme in NordrheinWestfalen gegründet werden.

Auch die Familienzentren – Kollegin Doppmeier hat es in ihrer Rede erwähnt – werden hier einen wichtigen Beitrag leisten, um Eltern ganz gezielt bei Überforderungen zu helfen. Denn sehr häufig liegt es bei den Eltern nicht am bösen Willen, sondern an der Überforderung, in einer Zeit, in der auf Eltern immer mehr einströmt,

(Anhaltende Unruhe – Glocke)

die Orientierung zu behalten und zu wissen, wie sie mit bestimmten Situationen umgehen sollten.

Ich begrüße deshalb den Antrag der vier Fraktionen im Namen der Landesregierung und hoffe, dass wir in den Ausschussberatungen noch einige konkrete Ergebnisse vor Ort austauschen können.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe deswegen die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst geht es um den Ausgangsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/1011. Der Ausschuss für Generationen, Familie und Integration empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung Drucksache 14/2600, diesen Antrag für erledigt zu erklären. Wer möchte sich dieser Empfehlung anschließen? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Bei Nichtteilnahme einer Reihe von Abgeordneten ist dies einstimmig so angenommen.

Zweitens stimmen wir über den gemeinsamen Antrag aller Fraktionen Drucksache 14/2580 ab. Hier haben die Antragstellerinnen direkte Abstimmung beantragt. Deshalb stimmen wir über den Inhalt dieses Antrags aller vier Fraktionen ab. Wer ist für diesen Antrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist dieser Antrag einstimmig beschlossen. Ich bedanke mich.

(Beifall von CDU, GRÜNEN und FDP)

Ich rufe auf:

7 Gesetz zur Befreiung von kommunalbelastenden landesrechtlichen Standards für das Land Nordrhein-Westfalen (Standard- befreiungsgesetz NRW- StaBefrG NRW)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/1860

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform Drucksache 14/2601

zweite Lesung

Ich eröffne die Beratung. Als erster Redner hat der Abgeordnete Löttgen für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zukunft ist nicht planbar, Zukunft muss man möglich machen. Dieser Satz unseres Ministerpräsidenten vom 13. Juli 2005 beschreibt exakt die Absicht, die mit dem vorliegenden Gesetz zur Befreiung von kommunalbelastenden

landesrechtlichen Standards – kurz: Standardbefreiungsgesetz – verbunden ist.

„Zukunft möglich machen“ heißt hier, vor Ort in den Verwaltungen, Betrieben und in den Einrichtungen unserer Kommunen und Städte zu entscheiden, ob sich eine Aufgabe besser, einfacher oder kostengünstiger erledigen lässt, als dies landesrechtliche Standards zulassen würden.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Die Wahl eines einfachen Anzeigeverfahrens statt eines aufwendigen und komplizierten Genehmigungsverfahrens zeigt, dass wir auf kommunale Selbstverwaltung setzen. Sie zeigt, dass wir den Beamten, Angestellten und Arbeitern in unseren Verwaltungen vertrauen. Kreativität und Ideenreichtum in Verbindung mit der Kenntnis um regionale Chancen sind unsere Garanten für eine erfolgreiche Umsetzung. Sie dagegen, meine sehr geehrten Damen und Herren der SPD, misstrauen anscheinend den Menschen. Anders kann ich mir Ihre nebulösen Äußerungen hinsichtlich rechtlicher Bedenken im Ausschuss nicht erklären, Herr Körfges.

Trauen Sie den Hauptverwaltungsbeamten oder den Beigeordneten im Land keine einwandfreie rechtliche Würdigung eines Sachverhaltes zu? Das allerdings wäre als Haltung bedauerlich.

(Beifall von der CDU)

In dieser Vorschrift im Standardbefreiungsgesetz geht es um die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe in einer anderen Form als der, die der Landesgesetzgeber beschrieben hat – nicht um den Wegfall der Aufgabe und auch nicht um eine qualitätsgeminderte Ausführung. Gesetze treffen eben häufig auf eine heterogene Landschaft. In der größten Kommune, Köln mit fast 1 Million Einwohnern, kann die Art und Weise der Aufgabenerfüllung durchaus eine andere sein als in der kleinsten Kommune Nordrhein-Westfalens, Dahlem, mit 4.281 Einwohnern.