Protocol of the Session on September 27, 2006

(Beifall von CDU und FDP)

Deshalb gilt der alte Spruch von Strauß, der immer gesagt hat: Du kannst eher einem Hund einen Wurstvorrat hinlegen – da geht der weniger leicht dran – als einem Politiker einen Geldvorrat. Also, Keynes funktioniert nicht, weil dauernd Wahlen vor der Tür stehen, weil man natürlich permanent irgendetwas Gutes tun will.

Vor diesem Hintergrund müssen wir eine nachhaltige Konsolidierung betreiben. Wir müssen die Generationengerechtigkeit ernst nehmen. Herr Sagel, ich habe mit großer Aufmerksamkeit gelesen, was Sie 1995 mit Ihrem Partner niedergelegt haben – das waren zwar Ihre Vorgänger, aber lesen Sie es nach –, nur müssen Sie es auch durchführen. In der Umsetzung zeigt sich, wer wirklich etwas kann, nicht im Niederschreiben von irgendwelchen Papieren.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Genau! Das schlägt auf Sie zurück!)

Herr Sagel, messen Sie mich doch daran. Herr Sagel, die Frau Vorsitzende der SPD nennt mich schon Dagobert Linssen. Wissen Sie warum? Weil ich ganz einfach die Steuererhöhungen und die Steuermehreinnahmen nicht so angesetzt habe, wie Sie es gerne hätten oder wie Sie vielleicht träumen, wie Sie es früher immer gemacht haben, weil wir endlich mal zu soliden Zahlen und Schätzungen kommen.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Rüdi- ger Sagel [GRÜNE])

Freuen Sie sich doch. Dieses Geld wird in die Rückführung der Nettoneuverschuldung gesteckt, alles, was an Steuermehreinnahmen hereinkommt. Wenn Sie das mal getan hätten, wäre es schön gewesen.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, im Durchschnitt zahlen die Länder 14 % des Haushaltes für Zinsen. Ich habe Ihnen gesagt, davon müssen wir runter. Das können wir erst Ende der nächsten Legislaturperiode schaffen, wenn wir erst einmal von der Nettoneuverschuldung null an das Rückzahlen gehen. Das ist das Ziel, was diese Koalition auf jeden Fall hat. Aber im Gegensatz zu Berlin finden Sie keine Privatisierungserlöse in unseren Zahlen – darauf bin ich stolz –, weil wir versuchen, diesen Haushalt strukturell in Ordnung zu bringen.

Frau Brunn hat von Hauruck-Positionen in diesem Antrag gesprochen. Ich kann die nicht erkennen. Wenn Sie die vielleicht noch ein bisschen erläutern könnten, Frau Brunn, wäre ich dankbar. Wenn wir sagen, ändert die Art. 109 und 115 des Grundgesetzes, also alles, was durch Stabilitäts- und Wachstumsgesetz damals dort hineingekommen ist, werden wir natürlich allen möglichen Gegenwind bekommen. Das ist doch völlig klar. Alle, die diese Grenzen nicht einhalten, werden zunächst einmal sagen: Liebe Leute, die Ausgangssituation ist zu unterschiedlich; das könnt ihr uns nicht zumuten. Ich kenne die ganzen Gegenargumente, die kommen werden. Dann werden Sie sagen: Das ist mit der Souveränität der Parlamente überhaupt nicht zu vereinbaren.

Meine Damen und Herren, wir sind in der Pflicht des bündischen Einstehens auch für andere Länder. Wir sind Zahlerland,

(Zuruf von der CDU: Ja!)

zwar leider nicht mehr in einem Ausmaß, wie wir es früher einmal waren, denn Sie haben dafür gesorgt, dass wir jetzt nur noch vielleicht 300, 400, 500 Millionen bezahlen.

(Volkmar Klein [CDU]: Das ändert sich wie- der!)

Wenn Sie sehen, was andere Länder wie Bayern, Baden-Württemberg und Hessen heute bezahlen, dann kommen Ihnen Tränen in die Augen. Aber dieses bündische Einstehen gibt uns auch die Berechtigung, von anderen zu verlangen, dass sie sich an die gleichen Spielregeln halten wie wir.

(Beifall von CDU und FDP)

Deshalb ist es eine Zumutung, ja, geradezu eine Verwegenheit, wenn im Berliner Wahlkampf versprochen wurde, das letzte Kindergartenjahr beitragsfrei anzubieten.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Leute, die vor dem Verfassungsgericht erklären, dass sie Pleite sind, gehen im Wahlkampf hin und nehmen von den Geberländern im Länderfinanzausgleich das Geld, um dann dem Volk etwas zu versprechen, was die Geberländer selbst nicht einhalten können.

(Beifall von der CDU – Zuruf von der CDU: Das ist SPD-Politik!)

Was da passiert, ist schon ein Stück aus dem Tollhaus. Sie kommen, gerade was den Kindergartenbereich angeht, zu tollen Erkenntnissen. Sie haben 39 Jahre Zeit gehabt, das letzte Jahr beitragsfrei zu machen. Ich höre noch Johannes Rau, wie er in den 80er-Jahren erklärt hat, wir müssten dahin kommen, dass das letzte Jahr, vielleicht der ganze Kindergarten, beitragsfrei wird. Ja, das ist ein wunderschönes Ziel, für das wir arbeiten wollen. Aber warum haben Sie das in den 39 Jahren eigentlich nicht gemacht? Warum kommen Sie auf die Idee, jetzt, wo Sie in der Opposition sind, das von der Regierung zu verlangen?

(Beifall von der CDU – Zuruf von Carina Gö- decke [SPD])

Wir haben eine Sanierungsarbeit vor der Brust, und dann können wir nicht das leisten, was Sie den Leuten nie gebracht haben.

(Beifall von CDU und FDP – Carina Gödecke [SPD]: Das ist doch populistisch!)

Meine Damen und Herren, wir werden mit Sicherheit die Position, die hier vorgetragen wird, in die Föderalismusdiskussion II einspeisen. Ich bin mir sehr sicher, dass die großen Länder, vor allen Dingen natürlich die Zahlerländer, auch sehen, dass wir mit Keynes und den Folgen eine irrsinnige Verschuldung in Deutschland aufgebaut haben. Vor dem Hintergrund ist es wohl nützlich, dass wir diesen Antrag hier heute diskutieren und dass wir versuchen – natürlich braucht man dazu den Bund und die anderen Länder –, Korsettstangen einzubauen, die das, was in den letzten 30 Jahren passiert ist, für die Zukunft vermeiden lassen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Schartau das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Linssen, das war ja eine gekonnte Oppositionsrede, aber als Mitglied der Landesregierung hätte ich heute Morgen von Ihnen erwartet, da Ihre Fraktionen Sie drauf verpflichten wollen, eine Bundesratsinitiative, die genau umrissen ist, zu ergreifen, hier zu erläutern, wie Sie sich diese Bundesratsinitiative vorstellen. Das heißt nicht mehr und nicht weniger als Streichung Art. 115 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2, Anpassung des Art. 109, Veränderung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes und im Nachgang dann Änderung der Landesverfassung.

Ich finde, dieses Thema ist zu ernst, um es auf ein Motto zu bringen, das heißt: Ihr wart die Schlechten, und wir sind die Guten. Das passt wirklich nicht mehr.

(Beifall von der SPD)

Herr Stahl, ich finde es gut, dass Sie Ihre Studienzeit im Plenum aufarbeiten. Hier ist dafür ein schönes Podium, vor allem im Anschluss an eine hochschulpolitische Debatte. Aber die einzige Bewegung, die Sie mit Ihrem Antrag erreichen werden, ist, dass Plisch und Plum sich im Grab umdrehen werden, wenn sie Ihre Argumente hören. Einer Politik, die auch die Haushaltspolitik an der Erreichung von gesamtwirtschaftlichen Zielen ausrichtet, sprechen Sie die Legitimität ab. Den ganzen Bundeswirtschaftsministern der FDP, den ganzen Bundesfinanzministern der CDU, die über lange Zeit und unter der Maßgabe dieser Artikel und Gesetze gearbeitet haben, treten Sie posthum in den Allerwertesten.

(Beifall von der SPD)

Die Argumente, die Sie heute bringen, führen nur zu einem: dass Plisch und Plum noch einmal beerdigt werden und Platt und Plump erwachen. Das ist heute passiert.

(Beifall von der SPD)

Ich muss Kollegin Freimuth Recht geben, man muss sich nicht zum Keynesianer machen. Aber da Sie Keynes heute für alle Zeiten – auch schon für vergangene – beerdigen, kann ich Ihnen nur Folgendes sagen: Keynes erlebt seit den 90erJahren eine wirtschaftspolitische Renaissance – auch international. Sowohl die Finanz- und Geldpolitik der USA als auch die Großbritanniens entsprechen einem keynesianischen Politikmix. Die Fed und die Bank of England haben im Gegen

satz zur EZB ein Wachstums- und Beschäftigungsziel.

Welche Ausrichtung wollen Sie der Haushaltspolitik zukünftig geben? An was soll sie sich orientieren? Wenn Sie zukünftig sagen „Wir brauchen diese Verfassungsänderung nicht, sondern wir haben ein ganz einfaches Motto: Wat nicht geht, dat geht nicht“, ist mir das Ringen um die haushaltspolitische Ausrichtung an gesamtwirtschaftlich zu erreichenden Zielen wesentlich lieber als ein solches Motto, das zwar in einer Kneipe sympathisch ist, aber in der Politik nichts zu suchen haben sollte.

Stellen Sie sich einmal vor, Sie hätten mit Ihrer Bundesratsinitiative innerhalb kürzester Zeit Erfolg! Man muss auch einmal das Unmögliche denken. Was wird dann in Nordrhein-Westfalen passieren? Welche Probleme werden sich dann stellen? Oder haben Sie bereits für sich entschieden: Uns interessiert gar nicht, an welchen Zielen wir den Haushalt ausrichten. Wenn wir das nicht hinkriegen, machen wir es einfach so, wie es uns passt. Wenn die Landesverfassung nicht passt, haben wir unsere Grundsätze und sagen der Bevölkerung einfach: Ja, das geht nicht. – Aber im Prinzip heißt es ja: Wir können nicht, oder wir wollen nicht. Das steckt dahinter.

Insofern ist das heute ein ganz entscheidender Punkt. Wenn sich die Ausschüsse des Landtags mit einem Antrag befassen, der eine Bundesratsinitiative zur Folge hat, müssen Sie sich noch entscheiden: Wollen Sie Spaß, oder wollen Sie Ernst?

Nehmen Sie Ihr eigenes Anliegen ernst und bringen Sie es in einer Form ein, in der man unter Umständen über die Ausrichtung des Stabilitätsgesetzes diskutieren kann: Was hat sich verändert? Passt das in einen europäischen Rahmen? Reichen die europäischen Instrumente aus, um dagegenzuhalten? Diese Diskussion kann man ernst nehmen.

Aber so, wie Sie es heute vorgetragen haben, bleibt mir abschließend nur, festzustellen: Das ist für Schiller und Strauß eine bodenlose Niederlage – posthum. Ich halte das Niveau der Diskussion, wenn es um Bundesratsinitiativen geht, beileibe nicht für angemessen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schartau. – Für die CDU-Fraktion bittet noch der Abgeordnete Klein um das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht schlicht darum, mit der finanzpolitischen Verschleierung von gestern Schluss zu machen. Die Kollegen Brunn und Schartau haben genau für dieses Gestern gesprochen.

(Beifall von CDU und FDP – Widerspruch von der SPD)

Sie haben in der Vergangenheit schon immer durch eine um Milliarden zu hohe Schätzung der Einnahmen verschleiert, um damit die Verfassungsmäßigkeit beim Haushaltsabschluss hinzukriegen,

(Beifall von der CDU)

während Ihnen anschließend der Landesrechnungshof attestiert hat, im Haushaltsvollzug seit 2001 die Grenze – Art. 83 Landesverfassung – überschritten zu haben.

Der zweite Weg der Verschleierung lief über die Feststellung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Einerseits ist es in der Vergangenheit immer fragwürdig gewesen, bei welchen Anlässen das festgestellt wurde, um eine höhere Verschuldung zu erlauben. Das ist schon eine Verschleierung.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Brunn?

Aber selbstverständlich, gerne.