Protocol of the Session on September 27, 2006

Der vorliegende Haushaltsentwurf verteilt zwar die Ausbildungsstellen auf die einzelnen Hochschulen, die erforderlichen Haushaltsmittel aber werden nicht gesondert ausgewiesen; sie sind im Budget beinhaltet. Das birgt die Gefahr, dass die Ausbildungsstellen nicht in vollem Umfang besetzt werden und die entsprechenden Haushaltsmittel zur Deckung bei der Finanzierung anderer Aufgaben herangezogen werden. Ich erinnere einfach an ganz banale Fragestellungen. Zum Beispiel: Wie können die Hochschulen ihre Heizkosten

rechnungen bezahlen? Es ist ein riesiges Problem für alle Standorte, hier ausreichend Mittel zu generieren. Da sind natürlich solche Möglichkeiten, auf die man zurückgreifen kann, gerade recht und unter Umständen auch billig.

Die vorhandenen Ausbildungskapazitäten können in Ausbildungsverbünde mit betrieblichen und außerbetrieblichen Trägern eingebracht werden. Kleinen und mittelständischen Unternehmen, denen die finanziellen Mittel fehlen, wird durch die Verbundausbildung die Möglichkeit gegeben, junge Menschen auszubilden.

Das Zurverfügungstellen von Ausbildungsstellen an den Hochschulen ist nicht nur eine quantitative Frage, sondern auch eine qualitative Frage der Ausbildung.

Der nahe Bezug der nicht wissenschaftlichen beruflichen Bildung zu Forschung und Lehre ermöglicht darüber hinaus innovative Ansätze bei der Weiterentwicklung der Berufsbilder und qualifiziert junge Menschen für den wachsenden Arbeitsmarkt bei den aus den Hochschulen heraus gegründeten Unternehmen und solchen Unternehmen, die im engen Kontakt mit den Hochschulen neue Technologien und Verfahren einsetzen. Diese Unternehmen brauchen hochqualifizierte Arbeitskräfte auf allen Ebenen.

Das Thema war auch Schwerpunkt der Beratungen hier im Landtag zu dem Punkt „Fachkräftemangel ab 2015“; einem sich abzeichnenden Mangel, dem wir jetzt durch gute Ausbildung und durch mehr Ausbildung so begegnen müssen, dass er gar nicht eintritt.

Um die Ausbildungspotenziale der Gründerunternehmen zur Förderung des Facharbeiter- und Facharbeiterinnennachwuchses für die Unternehmen zu nutzen, fordern wir deshalb eine Landesinitiative „Verbundausbildung Gründer und Hochschulen“.

Und noch ein Aspekt, der nicht vernachlässigt werden darf: Gerade die Hochschulen können bei der Bereitstellung von Ausbildungsstellen für junge Frauen in gewerblich-technischen Berufen eine Vorbild- und Treiberfunktion übernehmen. Das ist unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellung, aber auch unter dem Gesichtspunkt, in Zukunft ausreichend gut qualifizierte Facharbeitskräfte zu haben, zu beachten. Hier können gerade die Hochschulen die Privatwirtschaft ein Stück mitziehen, um damit für die jungen Männer und Frauen gute Ausbildungs- und nachher Beschäftigungsperspektiven zu entwickeln.

Wir werden sowohl bei der Beratung im zuständigen Fachausschuss als auch im Haushalts- und Finanzausschuss sehr genau darauf achten, wie die Sicherung der Ausbildungsstellen in unserem Land erfolgen soll. Hier geht es um eine gute Tradition, die gerade auch unter Führung der SPD in NRW aufgebaut worden ist. Wir wollen keinen einzigen Ausbildungsplatz verlieren. Wir wollen mehr Ausbildungsplätze für die jungen Menschen in unserem Land. Das sind deren Zukunftsperspektiven. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schultheis. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Dr. Berger das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich den Antrag der SPD-Fraktion durchlese, frage ich mich ernsthaft, ob Ihnen in Ihrer Rolle als Opposition langweilig ist. Uns allen ist bekannt, dass wir mehr Bewerber als Ausbildungsplätze haben. Dabei darf man allerdings auch nicht den Aspekt „unbesetzte Lehrstellen“ ausblenden.

Sie bezeichnen in Ihrem Antrag dieses Ausbildungsjahr als das Startjahr für den Facharbeitermangel ab 2015. Darauf hätten Sie – damit will ich beginnen – in den vergangenen Jahren Ihrer Regierungsverantwortung schon antizipativ reagieren können.

Die neue Landesregierung unternimmt jetzt erhebliche Anstrengungen, um unseren Jugendlichen eine berufliche Perspektive zu geben. An dieser Stelle seien kursorisch die Instrumente genannt: die partnerschaftliche Ausbildung, die Finanzierung eines Matchers, das Werkstattjahr, der Kompetenzscheck und die Flexibilisierung des Berufsschulunterrichts, lange gefordert und nun endlich umgesetzt. Die Koalition der Erneuerung setzt für diesen Bereich allein in diesem Jahr 131,6 Millionen € ein.

(Beifall von der CDU)

Das sind rund 50 Millionen € mehr als unter der rot-grünen Regierung im Jahr 2004.

(Beifall von der CDU)

Betrachten wir einmal Ihren Antrag! Sie fordern, dass sich sowohl die Hochschulen als auch die Gründerunternehmen stärker an der Ausbildung beteiligen sollen. Dazu verlangen Sie eine Landesinitiative und zusätzliche Haushaltsmittel, wobei

Sie, nebenbei gesagt, geflissentlich verschweigen, wo diese eigentlich herkommen sollen.

Bleiben wir zunächst bei den Fakten im Hochschulbereich, die Sie, Herr Schultheis, gerade skizziert haben! Mit insgesamt 2.225 Angeboten stellen die Hochschulen jeden zweiten Ausbildungsplatz in den Einrichtungen des Landes zur Verfügung und bilden weit über ihren Bedarf hinaus aus. Darüber sind wir uns einig. Die Ausbildungsquote von 10,7 % der 33 staatlichen Universitäten und Fachhochschulen liegt auf Platz 1.

(Heike Gebhard [SPD]: Das muss auch so bleiben!)

Daher ist fraglich, ob sich diese Quote noch nennenswert steigern lässt. Ich glaube das eher nicht. Wir sollten unsere stark engagierten Hochschulen nicht noch weiter in die Pflicht nehmen, sie nicht noch weiter belasten,

(Karl Schultheis [SPD]: Wir sollten sie unter- stützen!)

sondern wir sollten ihnen für diesen vorbildlichen Einsatz herzlichen Dank sagen.

(Beifall von der SPD)

Herr Schultheis, ich komme zu Ihrer Forderung nach einer Landesinitiative „Verbundausbildung Gründer und Hochschulen“. Welche Ausgangssituation finden wir heute vor? Klar ist – für mich jedenfalls –, dass die Ausgründung von Start-UpUnternehmen und die Förderung des Innovationsklimas von Ihnen in den vergangenen Jahren sträflich vernachlässigt worden sind. Eine Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung belegt, dass nach 39 Jahren Ihrer Regierungsverantwortung – ich weiß, dass Sie das ärgert, und Sie wissen, was jetzt kommt – in Nordrhein-Westfalen lediglich 41.000 Menschen im Bereich von Forschung und Entwicklung arbeiten. Im kleinen Baden-Württemberg sind es 76.000. 41.000 Menschen in Forschung und Entwicklung in Nordrhein-Westfalen und 76.000 in Baden-Württemberg!

Die Ursache dafür liegt darin – das räume ich gerne ein –, dass die Privatwirtschaft zu wenig in forschungsintensive Bereiche investiert. Aber diese Tatsache ist doch nichts anderes als ein Beleg für die falschen Prioritäten Ihrer Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre.

(Beifall von der CDU)

Clement, Steinbrück und Höhn haben in unserem Bundesland eine im Durchschnitt eher innovationsmüde und forschungsarme Wirtschaftsstruktur

hinterlassen. Um das auszugleichen, wollen Sie den wenigen Unternehmen, die sich auf den Weg machen, neue Felder zu erschließen, weitere Initiativen, Bündnisse, Verbünde, Offensiven und Regulierungen à la Clement aufhalsen.

Dabei dürfte uns allen klar sein: Gründerunternehmen haben es aufgrund ihrer spezifischen Startsituation mit geringen Betriebsgrößen ohnehin schon schwer genug. Die Vorstellung, dass ein Start-UpUnternehmen, das sich zwischen Basel II und globaler Konkurrenz bewegen muss, auch noch Zeit hätte, sich mit Ausbildungsverbünden und außerbetrieblichen Trägern zu beschäftigen, ist schon abenteuerlich, Herr Schultheis. Aber sie entspricht naturgemäß Ihrer sozialdemokratischen Ideologie.

Ich glaube kaum, dass ein junger Bill Gates, um im Bild zu bleiben, in seiner Garage sofort finanzielle, räumliche, geschweige denn fachliche Kapazitäten für sozialdemokratische Ausbildungs- und Beglückungsinitiativen gehabt hätte. Das ist wohl auch völlig klar. An dieser Stelle gilt das Motto der schwarz-gelben Regierung: Privat vor Staat.

(Beifall von CDU und FDP)

Der Mittelstand ist sich seiner wichtigen Aufgabe als der Ausbilder für junge Menschen in unserer Gesellschaft bewusst.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Aha, deshalb brechen die auch weg!)

Im zweiten Teil Ihres Antrags versuchen Sie, unser geplantes Hochschulfreiheitsgesetz für die derzeitige Situation verantwortlich zu machen.

(Zuruf von der CDU: Unglaublich!)

Sie fordern eine zusätzliche Bereitstellung von Haushaltsmitteln für die Ausbildung an Hochschulen. – Es wäre schön gewesen, wenn Sie sich vorher einmal mit dem Begriff des Globalbudgets auseinandergesetzt hätten. Global heißt umfassend. Da in diesem Budget alle anfallenden Kosten der Hochschule und somit auch die für Ausbildungs- und Ausbilderstellen zusammengefasst sind, sehe ich für Ihre Forderung eigentlich keine Grundlage.

Befürchtungen, dass das Volumen des Haushaltsbudgets aufgrund der Einnahme von Studienbeiträgen seitens der Universitäten abnehmen könnte, sind durch den Zukunftspakt von Minister Pinkwart und Minister Linssen völlig unbegründet. Mir ist bekannt, dass Sie diese Tatsachen ungemein ärgern, Sie können auch nicht damit umgehen.

Sie haben an jeder Hochschule Ängste geschürt, dass wir dort angesichts von Studienbeiträgen Kürzungen vornehmen wollen. Dafür, Herr Schultheis, sollten Sie sich einmal entschuldigen.

Es ist an der Zeit – darüber sind wir zumindest in der schwarz-gelben Koalition einig –, den Universitäten und Hochschulen ihre finanzielle Eigenverantwortung und damit selbstverständlich auch die Entscheidungshoheit über die Ausgestaltung der eigenen Prioritäten zu geben. Nach Maßgabe des Hochschulfreiheitsgesetzes – hier komme ich wieder zu Ihrer strategischen Planung – legt das Land strategische Ziele fest, die mit den Schwerpunktsetzungen und hochschulindividuellen Profilbildungen abgestimmt werden. Zu diesem Zweck existieren Zielvereinbarungen zwischen dem Wissenschaftsministerium und den Hochschulen.

Im Entwurf des Hochschulfreiheitsgesetzes ist geregelt, dass die Hochschulen im Rahmen der Zielvereinbarung zur zweckentsprechenden Verwendung des Globalbudgets verpflichtet sind. Dies beinhaltet gerade auch die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für entsprechende Ausbildungsplätze an unseren Hochschulen. Es sei klar gesagt: Es wird Ihnen nicht gelingen – und wir lassen es auch nicht zu –, unser Hochschulfreiheitsgesetz als Diskreditierungsinstrument zu missbrauchen.

(Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD: Das diskreditiert sich selbst!)

In Punkt 4 Ihres Antrags wenden Sie sich der Modularisierung von Ausbildungsberufen zu. Diese wird schon seit Ende der 90er-Jahre diskutiert und vom Bundesinstitut für Berufsbildung getestet. Die Pro- und Contra-Argumente der Modularisierung sind uns allen bekannt. Einerseits besteht die Gefahr, dass nur unzureichende Qualifikationen erworben werden, die darüber hinaus später nur gering entlohnt werden. Andererseits bietet sich die Chance für lernschwächere Jugendliche, step by step den Weg ins Berufsleben zu finden. Mit dem dritten Weg in der Berufsbildung hat unser Arbeitsminister, Karl-Josef Laumann den Schritt in die richtige Richtung vollzogen. Die Ausbildungsinhalte werden dabei in Bausteine gegliedert, wodurch die Jugendlichen mehr Zeit haben, die Anforderungen einer Ausbildung zu erfüllen.

Die zentrale Schwäche Ihrer Forderung in Punkt 4 liegt in der Tatsache, dass Sie die Modularisierung der Ausbildungsberufe mit besonders wissens- und technologiebasierten Inhalten fordern. Ein tiefer gehender Blick auf die Berufsbilder, die als geeignet für eine Modularisierung angesehen

werden, ergibt, dass sich diese Berufsbilder gerade nicht im wissensintensiven Umfeld bewegen wie zum Beispiel Fachkraft für Gastgewerbe, Fachlagerist oder Fachkraft für Kurierdienstleistungen. Der besondere Effekt, der durch eine Modularisierung erzielt werden könnte, wird in dem von Ihnen angesprochenen Bereich gerade nicht erreicht.

Zuletzt sprechen Sie die Berufsbildungsgänge an, die nicht im dualen System abgebildet werden. Soweit diese von den Hochschulen getragen werden – Sie haben es gesagt –, zum Beispiel an der RWTH Aachen, gilt ebenfalls, dass sie ein Bestandteil in den Zielvereinbarungen und somit auch des Globalbudgets sind. Wie anders sollten sie sonst finanziert werden? Ob ein weiterer Ausbau unbedingt im öffentlichen Sektor erfolgen sollte oder ob nicht private Träger wesentlich besser geeignet sind, solche Ausbildungsgänge effizient und up to date anzubieten – das passiert ja schon heute –, das werden die zukünftigen Entwicklungen deutlicher zeigen. Eine sachliche Debatte zu diesem Problemkreis ist aber im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sicherlich besser aufgehoben. Im Übrigen ist die Bundesebene auch einbezogen.

Ich komme zum Schluss. – Ihr Antrag zeigt nicht nur, dass Ihnen bei der Formulierung langweilig gewesen sein muss, sondern auch, dass Sie noch lange nicht in Ihrer Oppositionsrolle angekommen sind.

(Zurufe von der SPD)

Sie verkennen die Mechanismen, die für Unternehmensgründungen eine Rolle spielen, verfahren nach dem Motto „Staat vor Privat“, misstrauen den Entscheidungen der Hochschulen vor Ort und rufen nach mehr öffentlichen Mitteln. Was in der Vergangenheit nicht funktioniert hat, wird diesem ernsten Thema auch zukünftig nicht gerecht.

(Beifall von CDU und FDP)