Auch heute habe ich wieder vergebens darauf gewartet, dass Sie in den inhaltlichen Schwerpunkten der Landespolitik auch nur einen einzigen konstruktiven Beitrag bringen. Das haben Sie nicht getan. Die SPD „marschiert“ bei ihrer programmatischen Erneuerung mit dem Tempo einer griechischen Landschildkröte – das ist fast schon eine Übertreibung – voran.
Das stelle ich nur fest, obwohl ich sagen könnte: Meine Damen und Herren, wir freuen uns darüber, wenn die Opposition so schwach ist, weil dann der Regierung alles leicht und in den Schoß fällt.
Das sehe ich aber kritischer: Zum einen müssen Sie nämlich endlich Ihrer Rolle als Opposition gerecht werden, damit wir einen intensiven Austausch über den besten Weg für die Zukunft des Landes haben und Sie nicht nur Ihre Plakate ins Schaufenster kleben, wie Sie das heute wieder gemacht haben. Zum anderen haben wir – da wird mir der Kollege Stahl zustimmen – als Koalitionsfraktionen ein Interesse daran, dass auch unsere Regierung aus dem Landtag heraus Ideen präsentiert bekommt, die sich aufzunehmen lohnen, und einen Veränderungsdruck des Parlamentes in ihre Arbeit aufnehmen kann. Von Ihnen kommt an der Stelle leider überhaupt nichts. Herr Kollege Stahl, dann müssen wir das mit den Koalitionsfraktionen selber machen. Das tun wir ja auch gerne.
Aber der Totalausfall der Opposition, den Sie hier und heute noch einmal deutlich gemacht haben, ist nicht im Interesse des Landes. In letzter Konsequenz ist er auch nicht im Interesse der Koalition. Wir sind gerade als Freie Demokraten die Kraft des Wettbewerbs. Wir fordern Sie auf, end
Frau Kollegin Kraft, dann schaue ich mir einmal an, wie Sie sich aufstellen. Zum 1. Dezember haben wir vor, die Ladenöffnungszeiten in Nordrhein-Westfalen freizugeben. Das ist nichts Neues, sondern wir haben es in der Koalitionsvereinbarung stehen. Es war klar: Sobald die Förderalismusreform umgesetzt wird, werden wir darangehen. An der Stelle ziehen Sie nicht mit, sondern kommen mit Uraltargumenten aus der marxistischen Mottenkiste und sagen, damit würde der Eiseshauch des Kapitalismus durch NordrheinWestfalen ziehen: „Die Regierung Rüttgers zeigt ihr wahres Gesicht.“ Das ist ein Vokabular, wie man es eigentlich nur noch von JusoBundeskongressen kennt. Damit flankieren Sie einen Liberalisierungsprozess, auf den die Menschen in Nordrhein-Westfalen seit vielen Jahren warten. Die freuen sich darauf, in Zukunft dann einkaufen gehen zu können, wenn sie Lust dazu haben und der Einzelhandel ihnen Angebote macht.
Sie wollen sich nicht davon reglementieren lassen, wann sozialdemokratische Parteifunktionäre meinen den Menschen vorschreiben zu können, wann sie es dürfen. Das ist der grundlegende Perspektivwechsel in der Landespolitik, meine Damen und Herren. In der Tat, Frau Kraft: mehr Freiheit für Nordrhein-Westfalen. – Und da mauern Sie sich ein. Das ist arg wenig.
Das machen Sie leider auch beim Thema „Steinkohle“. Dort ist Ihre Betonabwehr ebenso stabil wie beim Thema Ladenschluss. In der vorletzten Woche waren Sie in der Zeche Walsum zu Gast. Es sind eindrucksvolle Bilder entstanden: Steigerhelm auf dem Kopf, rußgeschwärztes Gesicht: „Ich heiße zwar nicht Barbara, habe aber ein großes Herz für den Bergbau!“ – Darüber könnte man sich ja amüsieren, wenn es nicht so tragisch wäre, welche rückwärtsgerichtete Position Sie auch in der Zukunft des Steinkohlebergbaus einnehmen, Frau Kraft und meine Damen und Herren von der Opposition.
Die 3.150 Auszubildenden im RAG-Gesamtkonzern erwarten auch von der Landespolitik eine klare Ansage, wie ihre Zukunftsperspektive aussehen kann. Deren Zukunftsperspektive wird eben nicht mehr sein, weiter über Jahre und Jahrzehnte im Steinkohlenbergbau arbeiten zu können. Verantwortliche Politik nimmt diese Sorgen ernst und bemüht sich,
Noch eins will ich hinzufügen: Eigentlich hätte ich erwartet, dass Sie die FDP in ihrem Vorstoß unterstützt hätten, die RAG im Zuge des Ausstiegsprozesses aus dem subventionierten Steinkohlenbergbau natürlich auch als Unternehmen stärker in die Pflicht zu nehmen. Ich kann mich noch an zahlreiche Beiträge im Plenum auch aus den Reihen der SPD im Zuge dieser sogenannten Heuschreckendebatte erinnern. Sie haben sehr gezielt und mit dem erkennbaren Versuch, alte antimarktwirtschaftliche Ressentiments zu bedienen, die unternehmerische Gesamtverantwortung in Deutschland eingefordert, letztlich aber nur versucht, Stimmung zu machen. Da waren Sie vorne mit dabei.
Wir fragen jetzt, wo die unternehmerische Verantwortung des Gesamtkonzerns von Herrn Müller bleibt, der sich hier und mit seinen Broschüren und sonstigen PR-Aktionen im Hochglanz präsentiert. Wenn er versucht, sich einen schlanken Fuß zu machen, hören wir von der SPD gar nichts. Frau Kollegin Kraft, meine Damen und Herren von der Opposition, das halte ich für unerträglich. Sie müssen Ihrer Verantwortung für die Zukunft der Beschäftigten im Steinkohlebergbau auch gerecht werden.
Es mag auch damit zusammenhängen, dass es hier um alte Spezis geht. Wir erinnern uns noch gut daran, welche Kampagnen die RAG gefahren und finanziert hat. Zufälligerweise geschah das auch direkt im Vorfeld der Landtagswahl. Es war sogar die Rede davon, man könne ein neues Bergwerk Donar in der Nähe von Hamm einrichten. Stefan Romberg und ich haben dort letzte Woche Gespräche geführt.
Das waren Aktionen zur Unterstützung des sozialdemokratischen Wahlkampfes. Dafür hat Herr Müller tief in die Tasche der Steuerzahler gegriffen. Von daher mag es sein, dass es einen gewissen Zusammenhang zwischen der Kameradschaftlichkeit gibt, mit der Sie die RAG nach wie vor begleiten, und der Unterstützung, die die SPD durch die RAG hier bekommen hat.
Ich will noch eins sagen. Wir haben die Zeit der Opposition als Freie Demokraten noch gut in Erinnerung. Das gleiche gilt für die Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Wir hatten ein anderes Verständnis von der Oppositionsrolle. Wir haben uns wirklich bemüht, unermüdlich mit Initiativen und Anstößen konkrete Beiträge für den Diskussionsprozess um die Erneuerung unseres Landes zu leisten. Wir haben von Ihnen bisher nichts, aber auch gar nichts an Initiativen wahrnehmen können.
Ich fordere Sie auf, Ihre Oppositionsrolle wirklich wahrzunehmen, damit wir als Koalition nicht noch gewissermaßen die SPD hinter uns herschleifen müssen. Das ist nicht unser Verständnis einer wirklichen Opposition.
Ich will gar nicht mehr die Personaldebatten beleuchten, die Sie bekommen werden. Damit werden wir uns an anderer Stelle noch auseinandersetzen. Bemerkenswerterweise hört man inzwischen auch gar nichts mehr von Ihren Ministern auf Bundesebene, Frau Kraft. Man hört zwar noch etwas von ihnen, aber Sie sind nicht mehr stolz darauf, dass Sie Minister in Berlin haben. Bei dem, was Herr Steinbrück uns an Vorschlägen für eine stärkere Vorsorge der Bürgerinnen und Bürger präsentiert hat, kann ich mir Ihre Zurückhaltung dabei genauso erklären wie bei dem Murks, den Ulla Schmidt derzeit bei der Gesundheitsreform anstellt.
Wir haben heute das Ergebnis einer Umfrage gehört, wonach fast 80 % der befragten Bürgerinnen und Bürger meinen, diese Gesundheitsreform solle am besten sofort gestoppt werden. Nur 9 % sind dafür, sie so durchzuführen, wie Frau Schmidt sie auf den Weg gebracht hat. Das ist ein Grund mehr dafür, dass Sie entschieden weniger von Ihren Ministern auf Bundesebene reden als in der Vergangenheit.
Wir sind uns als Koalition darüber klar, dass wir uns nicht auf der eklatanten Schwäche der Opposition ausruhen können. Fest steht aber auch: Wir sind nicht deshalb so stark, weil die Opposition so schwach ist. Wir sind deshalb stark, weil wir klare Ziele vereinbart haben und diese umsetzen.
Schritt für Schritt. Das geht in diesem Jahr weiter. Wir hoffen, dies geschieht mit noch größerer Dynamik, als es im ersten Jahr möglich war.
Wir stehen vor großen Schritten bei der Erneuerung dieses Landes. Ich will die Vorlage erwähnen, die der Innenminister mit Hilfe der anderen Ressorts zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen erarbeitet hat. Zum 1. Januar nächsten Jahres werden 37 Sonderbehörden aufgelöst.
Zum 1. Januar werden die annähernd 4.000 Mitarbeiter zunächst in die Bezirksregierungen integriert. Das ist ein wichtiger erster Schritt zur Verwaltungsverschlankung, zum Abbau von überflüssigen Stellen und zur Bereinigung von Sonderbehörden. Die Regierung arbeitet daran und macht das, was wir vor der Wahl angekündigt haben.
Mindestens genauso wichtig und erfolgversprechend ist, dass in der Regierung derzeit an einer umfassenden Aufgabenüberprüfung gearbeitet wird. Dabei geht es eben nicht nur darum, die Zuständigkeiten zwischen staatlichen und kommunalen Behörden neu zu ordnen. Es geht auch darum, so viele Aufgaben wie möglich zu privatisieren: Privat vor Staat. Wir sind uns in der Koalition darüber einig, dass noch in diesem Jahr eine Privatisierungsoffensive gestartet werden muss. Ich weiß, dass in der Landesregierung mit Hochdruck daran gearbeitet wird.
Mit Blick auf die Landesbetriebe muss es natürlich um die Frage gehen, ob die Landesbetriebe wirklich noch in der derzeitigen Form Bestand haben müssen oder ob die Landesbetriebe nicht in erheblichem Maße materiell privatisiert werden können. Das ist die Frage, um die es geht.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Koalition schon zur Jahreswende sehr konkrete Ergebnisse vorlegen wird. Zu dieser Modernisierung gehört natürlich auch die Schaffung eines zeitgemäßen Personalvertretungsrechts. Das Landespersonalvertretungsgesetz muss modernisiert werden. Auch daran arbeitet die Regierung. Wir setzen damit im Übrigen genau das um, was der Landesrechnungshof eingefordert hat.
Schulbereich kritisiert und festgestellt, dass fast 500 Lehrerinnen und Lehrer, die in Personalvertretungen arbeiten, von ihrem Dienst freigestellt sind. Das Ganze kostet die Steuerzahler rund 25 Millionen € jährlich.
Solche Auswüchse im Personalvertretungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen können wir uns in Zukunft nicht mehr leisten. Deshalb ist es richtig, dass die Regierung an der Frage arbeitet, wie man das Landespersonalvertretungsgesetz schleunigst modernisieren und flexibilisieren kann.
Ich finde es hervorragend, dass mein Kollege Helmut Stahl die Initiative für eine Änderung der Landesverfassung und des Grundgesetzes ergriffen hat. Dafür brauchen wir Verbündete. Auch hier hätte ich mir gewünscht, Kollege Stahl, dass sich die Opposition damit ernsthaft auseinandergesetzt hätte. Stattdessen hat Frau Kollegin Gödecke mit drei dürren Sätzen auf diesen wichtigen Beitrag geantwortet. Das ist keine seriöse Auseinandersetzung mit der Frage, wie wir die Möglichkeit des Haushaltsgesetzgebers, in Zukunft die Verschuldung in den Griff zu bekommen, verbessern können. Wir wollen ja eine Hintertür schließen. Deshalb halte ich diese Initiative für ganz hervorragend. Wir werden Sie und die CDU-Fraktion, Herr Kollege Stahl, dabei unterstützen.
Meine Damen und Herren, die Koalition der Erneuerung ist mit der Modernisierung NordrheinWestfalens erkennbar gut vorangekommen. Die zusätzlichen Lehrerstellen sind bereits genannt worden. Allein in diesem Jahr investieren wir unter dem Strich eine Viertelmilliarde Euro mehr in Kinder, Jugend und Bildung als Rot-Grün im letzten Regierungsjahr. Mit dem neuen Schulgesetz hat Nordrhein-Westfalen eines der modernsten Bildungssysteme Europas bekommen. Das muss nun mit Leben erfüllt werden. Das wird noch dauern – dies ist uns klar –, aber es wird seine Effekte zeitigen.
Seit dem 1. April ist das Studienbeitragsgesetz in Kraft. Die SPD hat ja gerade noch einmal die Kurve bekommen und sich entschlossen, obwohl sie ja bereits auf dem Weg nach Münster war, besser zu Hause zu bleiben und auf eine Verfassungsklage zu verzichten. Besser, man kommt zur Einsicht, als dass man weiter läuft und irgendwann vor die Wand rennt, Frau Kollegin Kraft. Das Studienbeitragsgesetz ist ein wichtiger Schritt, um den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen mehr Mittel für Forschung und Lehre zuzuführen. Deshalb danken wir dem Innovationsminister ausdrücklich, dass er dieses Gesetz mit Unterstüt
zung der gesamten Regierung und der Koalitionsfraktionen in so kurzer Zeit vorbereitet, durch das Parlament gebracht und in Kraft gesetzt hat.
Es ist im Übrigen – das darf man bei der Debatte nicht vergessen – das sozialverträglichste Studienbeitragsgesetz in ganz Deutschland.