die Regierung aufzufordern, einmal darzulegen, was sie zum Thema Unternehmensteuer sagt. Das würde ich dann aber schon gerne mit dem korreliert haben, was Sie dazu sagen. So haben Sie am 20. August 2006 in Richtung Ihres Parteifreundes Peer Steinbrück, des jetzigen Bundesfinanzministers, in einem Gespräch mit ddp gesagt, dass Sie die Vorstellungen des Bundesfinanzministers zur Unternehmensteuerreform für sozial-
unausgewogen halten. Zwei Tage später ist allerdings im SPD-Antrag Drucksache 14/2412 nachzulesen – Zitat –:
„Oberstes und wichtigstes Prinzip der Reform muss die soziale Gerechtigkeit sein. Vor diesem Hintergrund sind die Ziele der geplanten Unternehmensteuerreform richtig.“
Ja, was gilt denn eigentlich, Frau Kraft? Das, was Sie bei ddp sagen, oder das, was Sie hier beantragen?
Ein anderes Beispiel: Ihr Parteivorsitzender, der heute vielleicht nicht hier sein kann, sagt in einem Artikel des „Tagesspiegel“ vom 20. August 2006, die Gesundheitsreform Ihrer Parteifreundin Ulla Schmidt sei lobenswert und – Zitat – „ein großer Schritt“. Sie, Frau Kraft, verlangen dann im Gespräch mit der „WAZ“ Korrekturen an der ganzen Geschichte.
Man kann über alle diese Dinge diskutieren. Zum Parlamentarismus gehört, dass darüber diskutiert und auch zwischen Regierung und Opposition, zwischen CDU und FDP einerseits sowie SPD und Grünen andererseits, gestritten wird. Dass Sie die Debatten in den eigenen Parteien führen und gleichzeitig der Regierung Vorwürfe machen, lasse ich Ihnen aber nicht durchgehen. Klären Sie zuerst einmal Ihre eigene Position!
(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Haben Sie das in der CDU denn schon hinter sich?)
Dann will ich noch einen drittes Beispiel nennen. Da geht es um die Frage: Wie ist es mit den Kommunen? In dieser Debatte war der große, tragende Gedanke – das haben wir heute Morgen schon in der Zeitung lesen können –, dass die Landesregierung die Kommunen nicht ordentlich behandelt. Heute lese ich im „Handelsblatt“ – das kann man schon an der Überschrift sehen –: „Steinbrück will Gewerbesteuer stärker senken“ als die Körperschaftsteuer. Erklären Sie mir das bitte einmal! Was wollen Sie eigentlich? Sie wollen auf der einen Seite, da, wo die Kommunen bisher ein originäres Steuerrecht haben, bei der Gewerbesteuer, als Bundesregierung jetzt richtig zugreifen
und sich gleichzeitig hier hinsetzen und einer Regierung, die in diesem Jahr immerhin 820 Millionen mehr für die Kommunen gibt, vorwerfen, sie
Das Ganze könnte man jetzt an vielen Punkten durchgehen. Da war ja auch der Versuch von Frau Löhrmann – links blinken, rechts fahren –, zu sagen: Das ist alles nicht unsozial.
(Sören Link [SPD]: Wen versuchen Sie ei- gentlich einzuschläfern, uns oder die Regie- rungskoalition?)
Ich will jetzt gar nicht mit Ihnen darüber streiten, weil man darüber nicht streiten kann, ob etwa in der Frauenpolitik, in der Kinderpolitik eine Bedarfsdeckung bei den Betreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren von 2,8 % sozial ist oder nicht. Meine Meinung ist klar: Ich halte das für zutiefst unsozial. Aber, dann muss man bitte auch zur Kenntnis nehmen, dass wir trotz der Schulden, die wir von Ihnen geerbt haben, jetzt dabei sind, diese Bedarfsdeckung auf 20 % bis zum Jahre 2010 hochzufahren. Das sind 47.000 neue Plätze. Die ersten haben wir schon. Die haben Sie nicht zur Kenntnis genommen. Das, was wir da in der Pipeline haben, nehmen Sie nicht zur Kenntnis.
Schauen Sie, das macht Ihre Argumentation so tief unseriös: weil Sie schlichtweg nicht mehr nah an der Wirklichkeit sind, sondern gefangen sind in Ihren innerparteilichen Machtkämpfen mit Herrn Dieckmann, in Ihren Streitereien innerhalb der Partei und letztlich nicht mehr wissen, was im Land politisch läuft. Das ist der eigentliche Punkt.
Das Zweite ist, wenn Sie über Soziales reden, Hartz IV. Seit vielen Jahren, konkret seit 2004, werbe ich hier mit dem Ministerpräsidenten der Vorgängerregierung genauso wie jetzt etwa mit Herrn Müntefering, dem Bundesarbeitsminister, dafür, dass wir die Wirklichkeit wahrnehmen, die Wirklichkeit, wie sie sich etwa denjenigen Men
Was habe ich mir von Ihnen anhören müssen, weil ich gesagt habe: „Da werden wir noch einmal generell draufgucken müssen“! – Daraus ist dann die Generalrevision geworden. Ich habe kein Problem damit, nachdem Herr Müntefering jetzt auch die generelle Überholung – wie Angela Merkel das formuliert hat – akzeptiert hat. Wenn es an dem Begriff liegt, rede ich ab sofort nur noch von genereller Überholung.
Worauf es ankommt, ist aber etwas ganz anderes: dass die Menschen im Land merken, dass sich da etwas ändert, dass es zum Beispiel nicht ausreicht – wie man gerade bei dem neuen Gesetz gemerkt hat, das die Bundesregierung gemacht hat –, nur zu sagen: Wir versuchen irgendwelche Ungerechtigkeiten zu verändern, indem wir Missbrauch bekämpfen. – Das ist sicherlich auch notwendig, aber es muss mehr geschehen.
Es muss zum Beispiel etwas geschehen bei der Frage der Verantwortlichkeiten in der Administration von Hartz IV, neben all den großen Ankündigungen, was an neuen Mitteln des Förderns da sind, neben dem Versprechen, dass die Leute sofort, wenn sie arbeitslos werden, einen Gesprächstermin beim Arbeitsamt bekommen. Nichts ist aus all diesen Dingen geworden! Stattdessen haben wir Streitigkeiten zwischen der Arbeitsverwaltung, den Optionskommunen und den anderen Kommunen.
Das muss beendet werden, damit den Menschen, die arbeitslos sind, geholfen wird. Da verweigern Sie sich. Da erwarte ich, dass Sie zu Herrn Müntefering gehen und sagen: Lasst uns das ändern, damit wir wieder nah bei den Menschen sind und nicht irgendwo in der Administration!
Oder die Frage: Wie geht es eigentlich den Leuten, die arbeitslos werden und Geld aus der Arbeitslosenversicherung I bekommen? Ist es denn wirklich gerecht, wenn Leute, die 30 Jahre in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, dasselbe bekommen wie Leute, die nur drei Monate eingezahlt haben? Leistung muss sich lohnen, sagt Herr Beck. Dann fangen wir doch einmal bei der Arbeitslosenversicherung an!
(Lebhafter Beifall von CDU und FDP – Rai- ner Schmeltzer [SPD]: Wo waren Sie bei dieser Beschlussfassung? Wo waren Sie?)
Hier jetzt den Mund aufzureißen nützt überhaupt nichts! Sie waren in den Büschen, als es darum ging, die Leute zu verteidigen, die 30 Jahre wirklich gearbeitet und eingezahlt haben. Da sind Sie unsozial gewesen. Genau da war es.
(Lebhafter Beifall von CDU und FDP – Rai- ner Schmeltzer [SPD]: „Heute hü und mor- gen hott“ war das bei Ihnen!)
Und wie ist es mit denjenigen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, die ihre Familien ernährt haben, die Steuern gezahlt haben, die dann aber arbeitslos geworden sind wie etwa diejenigen bei der Feuerlöscherfirma Gloria, wo jetzt bloß, weil die Rendite angeblich nicht hoch genug ist, Menschen plötzlich arbeitslos werden? Die haben nicht blaugemacht, die haben nicht während der Arbeitszeit Alkohol getrunken. Die haben das getan, was wir uns wünschen: sind morgens früh aufgestanden, zur Arbeit gegangen. Sie werden jetzt ohne Schuld arbeitslos. Und wenn die ein Jahr bei Hartz IV sind, greifen wir bei all dem zu, was die fürs Alter zurückgelegt haben. Auch das ist ungerecht und muss geändert werden,
weil die Menschen das nicht verstehen. Da erwarte ich Ihre Unterstützung bei Herrn Müntefering und den anderen.
(Lebhafter Beifall von CDU und FDP – Rai- ner Schmeltzer [SPD]: Wer regiert denn im Land? Wer hat denn auf Bundesratsebene zu sagen? – Ralf Jäger [SPD]: Herr Rüttgers, reden Sie mal mit Ihrem Kollegen Laumann! Der wird Ihnen das erklären!)
Ich möchte gerne noch ein Wort zu Frau Löhrmann sagen. Sie wissen, Frau Löhrmann, dass ich sonst gerne mit Ihnen auch über grundsätzliche Fragen diskutiere. Aber ich habe jetzt ein bisschen das Problem, auf das, was Sie gerade zu den grundsätzlichen Aussagen der Koalitionsvereinbarung gesagt haben, überhaupt zu antworten. Wenn Sie sich etwa mit der Frage „Freiheit vor Gleichheit“ auseinandersetzen, dann weiß ich – darf ich das, ich meine es wirklich nicht böse, so sagen? –, dass Sie viel zu belesen und viel zu intelligent sind, um
nicht den Unterschied zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit zu kennen. Das ist eine der Geschichten, die mir ein bisschen leidtut, weil man dann schwer miteinander diskutieren kann.
Das hat sehr konkrete Auswirkungen. Wir haben zum Beispiel in der Schulpolitik genau an dieser Stelle einen Dissens, einen massiven Dissens. Wenn Sie wie teilweise auch die SPD – Sie haben es hier heute ausdrücklich gemacht; Frau Kraft versucht das ja immer ein bisschen verschwimmend zu sagen, „demnächst ein bisschen“ usw., versucht, sich da reinzuschleichen – sagen, wir müssten das gegliederte Schulwesen aufheben – Sie nennen das ja „selektives Schulwesen“ –, dann sage ich Ihnen: Da genau gibt es einen Unterschied. Ich will keine Gleichheit bei der Behandlung in der Schule.
Alle Kinder haben ein Recht darauf – dazu müssen sie die Chance bekommen –, von jeder Position aus, unabhängig davon, ob ihre Eltern arm oder reich sind, unabhängig davon, ob sie auf dem Land oder in einer Universitätsstadt geboren wurden, unabhängig vom sozialen Hintergrund der Familie, ob die Familien bildungsnah oder bildungsfern sind, erfolgreich durch das Schulsystem zu marschieren, und zwar bis zum Studium bzw. bis zu dem Stadium, mit dem sie glücklich sind.
Wir fangen doch gerade erst damit an, das durchzusetzen, nachdem Sie das unsozialste Bildungssystem in Deutschland geschaffen haben.