Protocol of the Session on June 22, 2006

Es war gestern schon eine groteske Diskussion, wenn diejenigen, die für das unsozialste Schulsystem verantwortlich sind, nun Befürchtungen äußern, dass unser Schulgesetz sozial Schwache beteiligen würde. Genau das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall von CDU und FDP – Dieter Hilser [SPD]: Das ist der richtige Satz!)

Meine Damen und Herren, wir setzen mit unserem neuen Schulgesetz genau die Instrumente ein, die andere Länder bereits erfolgreich praktiziert haben, ob es jetzt intern in der Bundesrepublik, aber auch in Ihrem Musterländle Finnland war. Ich will das an einigen Beispielen erläutern.

Ich bediene mich gerne einiger Aussagen von der Expertin Thelma von Freimann aus der Zeitschrift „Freiheit der Wissenschaft“ vom Juni 2002 über die Binnenstruktur des finnischen Schulsystems, wo unter anderem Folgendes steht – ich darf mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitieren –:

„Nicht die formale Gestalt der ‚Gesamtschule’ ist es, die Deutschland sich bei den Finnen abschauen sollte, sondern die intrasystemische Differenzierung, die begabungsgerechte Wege ermöglicht, und die personalintensiven binnenschulischen Strukturen zur Förderung der Schwachen.“

Weiter heißt es:

„Die hierzulande weit verbreitete Vorstellung, dass finnische Schulen mit Hilfe binnendifferenzierender Unterrichtsmethoden in sich ausgesprochen heterogene Klassen bedienen, ist absolut falsch. Die Schülerströme in Ballungsgebieten sortieren sich aufgrund der curricula

ren Profilierung dem Fremdsprachenangebot und“

hören Sie zu –

„der freien Schulwahl so, dass manche Schulen in Finnland mehr oder weniger einem deutschen Gymnasium entsprechen …, andere eher einer deutschen Hauptschule.“

Das sind die Fakten.

(Beifall von der FDP)

Es heißt abschließend:

„Wenn Deutschland in Sachen Bildung international aufholen will, muss es – allen Immigrantenkindern Deutsch beibringen und – allen schwachen Schülernsystematisch helfen.“

Genau diese Instrumente setzten wir ein.

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

Der entscheidende Punkt unseres Gesetzes ist die Freilassung aller Schulen in die Freiheit und mehr Eigenverantwortung. Wer Qualität will, muss Freiheit geben, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das tun Sie doch nicht!)

Dieses Gesetz garantiert endlich die individuelle Förderung in einem begabungsgerechten Bildungssystem. Wir vertrauen den Menschen. Wir vertrauen den Schulen und gewähren ihnen ein Höchstmaß an Freiheit in einem geregelten Wettbewerb um die besten pädagogischen Konzepte.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Wir überlassen die Detailsteuerung des Schullebens den Schulen, welche auf dieser Basis ihre Profilbildung eigenverantwortlich weiterentwickeln können – wie in Finnland. Ebenfalls sorgen wir dafür, dass jedes Kind Deutsch sprechen kann, wenn es eingeschult wird – die Grundvoraussetzung für jede schulische Entwicklung.

Einige hier im Saal werden sich noch erinnern: Als wir das vor einigen Jahren gefordert haben, wurden wir als ausländerfeindlich gescholten. Das ist die Wahrheit, wie wir in der Vergangenheit diskutiert haben.

(Ralf Witzel [FDP]: So ist das!)

Ein weiterer Punkt. Wir gewähren – wie in Finnland übrigens – die freie Schulwahl, die Sie so bekämpfen, aber für uns ist dies Voraussetzung für ein Mehr an Individualität in der Förderung so

wohl aus Sicht der Schule als auch aus Sicht der Eltern. Wir fördern unter anderem durch Lernstudios die Kinder, die einer besonderen Unterstützung bedürfen, um so das Sitzenbleiben weitgehend zu verhindern – siehe Finnland. Ich könnte diese Beispiele beliebig fortsetzen. Vor allem aber geben wir die personellen Rahmenbedingungen, die diese Förderung erst ermöglichen.

Ich wiederhole es: Wir können in einigen Punkten unterschiedlicher Meinung sein, aber wir als CDU sind vor der Wahl angetreten mit der Zusage, eine grundlegende und zukunftsweisende Bildungsreform auf den Weg zu bringen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: „Grundlegend“ stimmt ja, „zukunftsweisend“ nicht!)

Wir haben dabei die Eckpunkte klar definiert. Für dieses Ziel, mehr individuelle Förderung in einem differenzierten begabungsgerechten Bildungssystem, sind wir gewählt. Wir setzen hier und heute das um, was wir vor der Wahl gesagt haben, nicht mehr und nicht weniger. Hierbei geht es letztlich um Glaubwürdigkeit von Politik.

Meine Damen und Herren, mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz geben wir allen am Schulleben Beteiligten endlich die Rahmenbedingungen, die notwendig sind, um im nationalen und internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Ich freue mich, dass unsere Schulen endlich eine Perspektive bekommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Recker. – Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Schäfer das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gestern bereits lange über das neue Schulgesetz diskutiert. Ich habe mir natürlich noch einmal die Rede von Frau Ministerin Sommer angeschaut; sie war ja gestern im Internet eingestellt. Es gab darin einen bemerkenswerten dritten Satz,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Einen!)

der lautet: „Nun gehen wir zum Lernen in die Welt.“

Wir können uns sicherlich alle noch an die Diktion erinnern. Ich hoffe, Sie werden das wirklich einmal tun – auch die CDU und die FDP –, dann werden Sie nämlich merken, wie die modernsten Schulsysteme in Europa aussehen.

(Zurufe von der CDU)

Und dann dürfen Sie eigentlich nicht zulassen, dass dieses Schulgesetz hier heute in dieser Form verabschiedet wird.

(Zuruf von der CDU: Doch, gerade dann!)

Werfen wir einmal einen Blick in den Süden, nach Südtirol, eine Region mit den besten PisaErgebnissen: in Gemeinschaftsschulen! – Herr Recker hat ja gerade etwas aus dem Norden zitiert. Es war ein sehr umfangreiches Zitat; ich muss gestehen: So etwas lese ich lieber, als dass ich es höre, weil man das dann auch nachvollziehen kann. Aber Sie zitieren sehr selektiv. Ein Blick in den Norden Europas hätten reichen können, um sich von dem modernsten Schulsystem zu überzeugen.

Aber alle Instrumente, Herr Recker, die Sie eben genannt haben, von denen Sie überzeugt sind, dass sie erfolgreich sein werden, haben wir unter Rot-Grün in den letzten fünf Jahren eingeführt beziehungsweise vorbereitet. Daran muss ich Sie erinnern.

Sie machen eines – und da sind wir durchaus an Ihrer Seite –: Sie setzen die erfolgreiche frühe Sprachförderung fort. Das unterstützen wir natürlich.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie sind für die Malaise verantwortlich, die wir haben!)

Vielleicht könnten Sie dem Publikum zeigen, dass Sie auch zuhören können, Herr Solf. Es wäre schön, wenn Sie das einfach einmal aushalten würden. Ich weiß ja, dass Sie das nach Ihrer Blamage von gestern schwierig finden.

(Zurufe von der CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das Sozialverhalten sieht schlecht aus auf der Seite dort! – Weitere Zurufe)

Ich weiß gar nicht, Herr Präsident: Geht das von meiner Redezeit ab?

Nein.

Nein. – Danke.

Also: Alle Maßnahmen, mit denen Sie bestimmt Erfolg haben werden, haben wir unter Rot-Grün eingeführt. Die Sprachförderung setzen Sie fort, und das ist gut und richtig so. Vielleicht nehmen Sie das einfach einmal positiv zur Kenntnis.

Sie setzen auch die von uns eingeführten Lernstandserhebungen fort. Sie wissen wahrscheinlich, dass wir sie aus Schweden übernommen haben. Auch das unterstützen wir ausdrücklich, weil genau das eine wichtige Basis für die individuelle

Förderung ist, die Sie hier landauf, landab zitieren. Außerdem sorgen diese Lernstandserhebungen für Transparenz im System.

Sie setzen auch die mittlere Abschlussprüfung um, die wir unter Rot-Grün eingeführt haben. Auch das wird der Transparenz der Leistungen dienen. Und es wird ein positiver Wettbewerb sein, dem sich auch Rot und Grün niemals versagt haben.