Ich glaube, dass auch, obwohl Frau Löhrmann das eben anders bewertet hat, die Regelung, wonach der Aufstieg leistungsfähiger Schülerinnen und Schüler in eine andere Schulform in Zukunft leichter möglich ist, ein ganz wichtiger Reformschritt ist, genauso wie die Förderung besonders begabter Schülerinnen und Schüler.
Ich glaube auch, um einen letzten Punkt zu nennen, dass die Reform der gymnasialen Oberstufe und die Stärkung ihrer allgemeinbildenden Form ein solcher zentraler Reformbaustein ist.
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich habe der Debatte gut zugehört – nicht nur dieser, sondern auch der letzten und vorletzten.
Den Vorwurf der Opposition gegen dieses Schulgesetz hat Frau Löhrmann eben zusammengefasst in dem Satz: Das, was ihr wollt, ist richtig. Die Mittel, mit denen ihr das versucht, sind nicht nur diskussionsfähig, sondern entsprechen in vielen Punkten dem, was wir auch machen würden,
Nun mal langsam. Lassen Sie mich doch den Satz zu Ende bringen. – Sie hat dann gesagt: Die Strukturen verhindern, dass Sie Ihre Ziele erreichen können. – Das war der zentrale Vorwurf. Ich glaube – Sie nickt –, dass ich das richtig gehört habe. Das heißt nicht, dass man sich über das eine oder andere nicht noch unterhalten muss. Aber das war der Kernvorwurf.
Jetzt sind wir, werte Kolleginnen und Kollegen, vor der Abstimmung über dieses Schulgesetz noch einmal an dem Punkt, der uns unterscheidet – diejenigen, die dieses Schulgesetz wollen und diejenigen, wie ich kurz darzulegen versucht habe, die vielen positiven Elemente dieses Schulgesetzes sehen, von denjenigen, die das Schulgesetz gleich ablehnen werden. Ich bin der festen Auffassung, dass jede Schulpolitik, die davon
ausgeht, dass Verbesserung erst dann möglich ist, wenn wir das gegliederte Schulwesen und damit Hauptschule, Realschule, Gymnasien und Gesamtschulen auflösen und eine integrierte Schulform praktizieren, einen großen Fehler macht. Das steckt hinter dem Satz, den Frau Löhrmann eben noch einmal gebracht hat.
Frau Löhrmann und die anderen, die hier vorgetragen haben, Schulpolitik findet nicht – Sie wissen das, weil Sie selber Lehrerin sind – irgendwo im luftleeren Raum statt, findet nicht irgendwo auf einem freien Feld statt. Schule baut man nicht völlig neu, sondern Schule muss mit dem fertig werden, was da ist. Das Wichtigste, was da ist, sind die Kinder.
Es gibt keinen Streit über die Situation, die jetzt besteht, zum Beispiel bezüglich der Mittelmäßigkeit im internationalen oder auch im nationalen Vergleich. Es geht um die Ungerechtigkeit, mit der unsere Kinder im Hinblick auf ihre Chancen konfrontiert sind, die Abhängigkeit von der Frage, wie das Elternhaus ist, ob man etwas aus seiner Schulzeit und damit aus seinem Leben machen kann. All das ist inzwischen klar und kann von niemandem mehr bestritten werden. Wer angesichts dessen aber hingeht und einen jahrzehntenlangen Umbau vornehmen will – darüber reden wir – hin zu einem integrierten Schulsystem, der versündigt sich an unseren Kindern. Davon bin ich fest überzeugt.
Wir wollen mehr individuelle Förderung. Das ist uns wichtig. Wir wollen mehr Durchlässigkeit in unserem Bildungssystem, aber Sie wollen die Einheitsschule. Sie können sagen, was Sie wollen. Das kommt in jedem dritten Satz heraus. Wir hingegen wollen ein sozial gerechtes Schulsystem, aber Sie verteidigen im Kern Ihre alten ideologischen Schulvorstellungen von der integrierten Schule. Darauf läuft es am Schluss immer wieder hinaus.
Werte Kolleginnen und Kollegen, wir beschließen heute einen großen Schritt hin zu mehr Durchlässigkeit, mehr individueller Förderung und mehr sozialer Gerechtigkeit in unserem Schulsystem. Wir vertrauen den Lehrerinnen und Lehrern in unseren Schulen in Nordrhein-Westfalen. Wir vertrauen darauf, dass sie diesen Umbauprozess, der nach den Sommerferien beginnen und von ihnen viel Arbeit, Engagement und Anstrengung verlangen wird, mitgehen, da sie nämlich Lehre
Wir sind fest davon überzeugt, dass wir mit diesem Schulgesetz etwas für die Kinder in unserem Land tun können, damit sie Chancen auf ein selbst bestimmtes, selbst verantwortetes Leben bekommen. Ich glaube, dass die vielen, vielen Debatten der letzten Wochen und Monate damit heute zu einem sehr guten Abschluss kommen.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat ihre Redezeit um etwa 10 Minuten überzogen. Nach den Usancen in diesem Haus können die Fraktionen jetzt ebenfalls so viel Redezeit in Anspruch nehmen.
Als Erste hat sich die Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion, Hannelore Kraft, gemeldet. Bitte schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! 10 Minuten Überziehungszeit nehmen wir zur Kenntnis.
In der Tat, Herr Kollege, das ist viel zu wenig. Denn Sie haben bei Ihrem Schulgesetz offensichtlich viel zu erklären.
Herr Ministerpräsident, Ihre salbungsvollen Worte haben wir in den letzten Minuten vernommen. Wir konnten darüber hinaus Ihren Hochglanzbroschüren das eine oder andere entnehmen.
Um es klar auf den Punkt zu bringen: Bei den Zielen – Sie haben es eben angesprochen und ich knüpfe an meine letzte Rede hier im Parlament an – sind wir bei fast allen einer Meinung. Aber soweit es um die Instrumente geht, sind wir der Meinung, dass Ihre Instrumente nicht zu diesem Ziel führen.
Das ist der entscheidende Punkt. Herr Ministerpräsident, Frau Schulministerin, Sie machen den größten Feldversuch mit Kindern und Jugendlichen gegen die Ansage aller Expertinnen und Experten und nicht nur der Interessenvertreter.
einmal mit den Eltern vor Ort, und zwar nicht mit denjenigen, die die Umfrage beantwortet haben und die Ziele unterstützen, sondern mit denen, die sich schon mit Ihren Zielvorstellungen und Instrumenten beschäftigt haben. Es gibt diejenigen, die in der zweiten Klasse ernsthaft darüber nachdenken, für ihre Kinder unterstützenden Unterricht zu organisieren, Nachhilfe, damit sie die Schwelle von der vierten Klasse ins Gymnasium schaffen, damit ihr Kind nicht abgehängt wird. Das sind die Realitäten draußen im Land, Herr Ministerpräsident.
Es gibt nicht mehr Beteiligung der Eltern, sondern der Elternwille wird ausgehebelt. Das, was Sie an weißer Salbe oben drauf gelegt haben, wird diese Grundtendenz nicht verändern.
Herr Ministerpräsident, bei der Sicherung der Grundschulen haben Sie sich schon einmal vergaloppiert. Auch das ist nicht Gegenstand dieses Gesetzes. Die waren vorher gesichert. Sie haben sie in Unsicherheit gebracht. Das wollen wir an dieser Stelle noch einmal festhalten, Herr Ministerpräsident.
Dann ziehen Sie – ich habe mir das notiert – eine interessante Schleife und sagen: Die Schulen überhaupt haben demnächst mehr Profile. Damit haben die Eltern mehr Wahlmöglichkeiten. – Ich begebe mich einmal in Ihre Gedankenwelt. Das fällt mir grundsätzlich schwer. Das wissen die Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Wettbewerb und Schulen passen für mich nicht direkt zusammen. Sie passen schon gar nicht zusammen, wenn die Ausgangssituationen für einen Wettbewerb nicht fair sind. Das ist der entscheidende Punkt dabei.
Wenn ich mich auf Ihr Gedankengut einlasse und sage, es gibt mehr Profile und mehr Wahlmöglichkeiten, dann beantworten Sie doch einmal die Fragen der Eltern, Herr Ministerpräsident. Diese Eltern sagen mir: Ich würde gern die Wahlmöglichkeiten in Anspruch nehmen, aber die damit verbundenen Kosten, mein Kind auf die Grundschule meiner Wahl zu bringen, kann ich gar nicht tragen. – Hier findet eine soziale Selektion statt.
Das sind doch Wahlmöglichkeiten für Reiche, nicht für die breite Masse in diesem Land, Herr Ministerpräsident.
ist die Aufhebung der Grundschulbezirke der entscheidende Punkt. Das ist und bleibt falsch. Dies gilt übrigens nicht nur für die Grundschulen, sondern auch und insbesondere für die Berufsschulen. Das wird uns vor riesige Probleme stellen. Im ländlichen Raum werden wir Ausbildungsplätze verlieren, weil es diese Bezirke bei den Berufsschulen nicht mehr gibt. Das wissen Sie doch.
Sie kennen doch die Stellungnahmen aus den Anhörungen. Ich hoffe, Sie haben sie alle gründlich gelesen. Das war doch eine breite Front, und zwar nicht von Interessenvertretern oder Lobbyisten. Es waren Menschen, die sich wissenschaftlich mit den Themen beschäftigt haben. Diese sagten, wenn es Ziel ist, die soziale Selektion abzubauen, ist das der falsche Weg.
Lassen Sie mich eines deutlich sagen: Verbesserungen sind nicht nur über eine Strukturdebatte zu erzielen. Da stimme ich Ihnen zu. – Wenn man die Ziele erreichen will, die uns Pisa vorgegeben hat, ist es aber mit Sicherheit grundlegend falsch, eine Strukturdebatte auszublenden. Man muss die Probleme unseres Schulsystems mit großer Offenheit diskutieren. Sie haben die Strukturdebatte ausgeblendet. Sie sind ideologisch an diese Fragestellungen herangegangen, Herr Ministerpräsident.